Beleg- und buchmäßige Nachweispflichten für umsatzsteuerfreie Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftliche Lieferungen
I. Einleitung
Der grenzüberschreitende Warenverkehr
ist in unserem Wirtschaftsleben heutzutage allgegenwärtig. In der täglichen Praxis erlangt dieser nicht nur Bedeutung für multinational agierende Konzerne, sondern bspw. auch für die Unternehmensgründerin oder den Mittelständler, welche infolge einer zunehmenden Digitalisierung Zutritt zu den Weltmärkten haben und die für die Herstellung der eigenen Produkte notwendigen Rohstoffe global einkaufen und die eigenen Erzeugnisse anschließend weltweit verkaufen können.
Verständlicherweise nehmen internationale Warenbewegungen
auch in der Umsatzsteuer eine bedeutende Stellung ein und werden aus Sicht des exportierenden Landes steuerfreigestellt. Denn aufgrund des umsatzsteuerrechtlichen Bestimmungslandprinzips, nach dem die Besteuerung nicht im Staat des Lieferorts, sondern in dem des bestimmungsgemäßen Verbrauchs erfolgen soll, sind bestimmte grenzüberschreitende Warenlieferungen von der Umsatzsteuer befreit. So sind Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 4 Nr. 1 Buchst. a und b UStG grundsätzlich steuerfrei. Vorliegen müssen hierfür aber die Voraussetzungen nach den §§ 6 und 6a UStG.
Insbesondere hat der Unternehmer bestimmte Buch- und Belegnachweise
vorzuhalten. Zwar stellt die Erfüllung dieser Nachweispflichten keine materiell-rechtliche Voraussetzung für eine Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung oder der Ausfuhrlieferung dar. Aber gerade im Hinblick auf eine jederzeit drohende Umsatzsteuer-Sonderprüfung
(USt-Sonderprüfung) sollte der Unternehmer seine Nachweispflichten ordnungsgemäß erfüllen. Denn aufgrund der der Finanzbehörde zustehenden Prüfungsbefugnis hat der Buch- und Belegnachweis den Charakter eines Anscheinsbeweises. Ein fehlender Nachweis könnte daher im Rahmen einer Beweiswürdigung gegen eine innergemeinschaftliche Lieferung oder Ausfuhrlieferung sprechen und somit zu einer Versagung der Steuerfreiheit führen.
Dieser Beitrag soll einen Überblick darüber geben, wie der Buch- und Belegnachweis gelingen kann und welche Aufbewahrungspflichten der Unternehmer auch im Hinblick auf eine USt-Sonderprüfung zu erfüllen hat. Er soll insbesondere für die notwendigen Voraussetzungen sensibilisieren und die vorzulegenden Unterlagen im Rahmen einer USt-Sonderprüfung kompakt und überblickartig darstellen.
II. Beleg- und buchmäßige Nachweispflichten
Ausfuhrlieferung
ist im Grundfall die Versendung oder Beförderung des Liefergegenstands durch den Unternehmer (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) oder durch den Abnehmer (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG) – sofern es sich um einen ausländischen Abnehmer i.S.v. § 6 Abs. 2 UStG handelt – in ein Drittlandsgebiet.
Innergemeinschaftliche Lieferung
ist demgegenüber die Versendung oder Beförderung des Liefergegenstands durch den Unternehmer oder den Abnehmer in das übrige Gemeinschaftsgebiet, wenn es sich bei dem Abnehmer um einen zur Erwerbsbesteuerung verpflichteten Unternehmer handelt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. a und Nr. 3 UStG).
Der Unternehmer hat dabei die Ausfuhr durch Belege nachzuweisen (§ 6 Abs. 4 UStG und §§ 8–11 UStDV) und bestimmte Aufzeichnungen in seiner Buchführung vorzunehmen (§ 13 UStDV). Für den Nachweis der Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gilt dies entsprechend (§ 6a Abs. 3 Satz 1 UStG und §§ 17a bis 17d UStDV). Unter einem Buchnachweis ist ein Nachweis durch Bücher oder Aufzeichnungen in Verbindung mit Belegen zu verstehen. Der Buchnachweis verlangt
daher mehr
als den bloßen Nachweis entweder nur durch Aufzeichnungen oder nur durch Belege. Belege werden durch die entsprechenden und erforderlichen Hinweise bzw. Bezugnahmen in den stets notwendigen Aufzeichnungen Bestandteil der Buchführung und damit des Buchnachweises, so dass beide eine Einheit bilden.
1) Nachweise bei innergemeinschaftlichen Lieferungen
Nach § 17d Abs. 1 Satz 1 UStDV hat der Unternehmer die Voraussetzungen der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung einschließlich der USt-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachzuweisen. Die Voraussetzungen müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein.
a) Gelangensvermutung
Seit dem 1.1.2020 ist in § 17a UStDV eine widerlegbare Vermutungsregelung eingeführt worden. Sind die darin genannten Voraussetzungen erfüllt, wird davon ausgegangen, dass die Waren tatsächlich in das EU-Ausland gelangt sind. Für Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen wird nämlich vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass er oder ein von ihm beauftragter Dritter (z. B. Spediteur) den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Er ist außerdem im Besitz der in § 17a Abs. 1 Nr. 1 UStDV genannten Belege. Die Belege müssen von unterschiedlichen Parteien ausgestellt werden, die sowohl voneinander als auch vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind. Der liefernde Unternehmer muss Beförderungs- und Versendungsbelege vorweisen können, d. h. insbesondere einen CMR-Frachtbrief, ein Konnossement, eine Luftfracht-Rechnung oder ein Doppelstück davon.
Kann der Beförderungs- oder Versendungsbeleg nicht vorgelegt werden, so kann dieser durch einen weiteren geeigneten Beleg ersetzt werden, sofern daraus ersichtlich wird, dass der Gegenstand tatsächlich in das EU-Ausland gelangt ist. Folgende Unterlagen kommen bspw. als Nachweise in Betracht:
• Versicherungspolice über den Versand oder die Beförderung bzw. Bankunterlagen, welche die Bezahlung des Transports in das EU-Ausland belegen,
• ein anderes öffentlich ausgestelltes Dokument, welches das Gelangen des Gegenstands in das EU-Ausland bestätigt (z. B. Bestätigung eines Notars) oder
• Bestätigung des Lagerinhabers über die Lagerung des Gegenstands im EU-Ausland.
Sofern nicht der Unternehmer, sondern der Erwerber befördert oder versendet, benötigt der liefernde Unternehmer eine entsprechende Bestätigung des Erwerbers, aus der hervorgeht, dass die Gegenstände durch ihn oder auf seine Rechnung in den Bestimmungsmitgliedstaat gelangt sind. Die Bestätigung muss folgende Angaben enthalten:
• Ausstellungsdatum,
• Name und Anschrift des Erwerbers,
• Menge und Art der gelieferten Gegenstände,
• Ankunftsdatum und -ort der Gegenstände,
• bei Lieferung von Fahrzeugen zusätzlich die Identifikationsnummer des Fahrzeugs und
• die Identifikation der Person, die die Gegenstände auf Rechnung des Erwerbers entgegennimmt.
Zusätzlich zu dieser Bestätigung benötigt der liefernde Unternehmer wie oben im Fall der Beförderung oder Versendung durch den Unternehmer mindestens zwei sich nicht widersprechende Nachweise von zwei unabhängigen Parteien.
b) Belegnachweis in Beförderungs- und Versendungsfällen
Kommt die oben beschriebene Vermutungsregel nicht zur Geltung, weil der Unternehmer die erforderlichen Belege nicht vorweisen kann, kann der Belegnachweis bspw. auch durch ein Rechnungsdoppel in Verbindung mit der Gelangensbestätigung oder einem Alternativnachweis erbracht werden. Die Gelangensbestätigung sollte dabei sämtliche erforderliche Angaben enthalten:
• Name und Anschrift des Abnehmers,
• Menge und handelsübliche Bezeichnung des Liefergegenstands; bei der Lieferung eines Fahrzeugs auch die Fahrzeug-Identifikationsnummer,
• Ort und Monat, in denen die Beförderung/Versendung beim Abnehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet endet bzw. in denen ihm der Gegenstand zur Beförderung überreicht wird,
• Ausstellungsdatum der Gelangensbestätigung und
• Unterschrift des Abnehmers oder eines vom ihm zur Abnahme Beauftragten; ggf. auch elektronische Bestätigung ohne eigenhändige Signatur möglich.
Sofern keine Beförderung durch den Lieferer oder Abnehmer, sondern eine Versendung durch einen Dritten (z. B. Spediteur) stattfindet, können gem. § 17b Abs. 3 UStDV anstelle der Gelangensbestätigung auch andere Nachweise eingereicht werden. Dazu zählen insbesondere
• Versendungsbelege (d. h. handelsrechtlicher Frachtbrief, Konnossement oder Doppelstücke davon),
• Spediteurbescheinigungen, mit den gesetzlich vorgeschriebenen Angaben,
• die schriftliche oder elektronische Auftragserteilung inklusive Protokoll des mit der Beförderung Beauftragten, welches den lückenlosen Transport zum Abnehmer belegt, oder
• bei Postsendungen: Empfangsbescheinigung des Postdienstleisters über die Entgegennahme der fraglichen Postsendung und Nachweis über die Bezahlung der Lieferung.
Führt der Unternehmer den Belegnachweis anhand der oben beschriebenen Nachweismöglichkeiten, ist der belegmäßige Nachweis als erfüllt anzuerkennen. Sofern eine oder mehrere Voraussetzungen fehlen, können diese jedoch auch anhand von anderen Belegen erbracht werden, sofern eine Gesamtbetrachtung sämtlicher Unterlagen die innergemeinschaftliche Lieferung eindeutig belegt und die darüber hinaus zu erbringenden Buchnachweise i. S. d. § 17d UStDV ebenfalls vorliegen.
c) Belegnachweis in Bearbeitungs- oder Verarbeitungsfällen
Sofern der Liefergegenstand vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet be- oder verarbeitet worden ist, hat der Unternehmer dies gem. § 17c UStDV eindeutig und leicht nachprüfbar anhand von geeigneten Belegen nachzuweisen. Dieser Nachweis kann anhand der im obigen Abschnitt II. 1) b) genannten Belege geführt werden, wobei zusätzlich die Angaben gem. § 11 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 UStDV enthalten sein müssen:
• Name und Anschrift des mit der Be- oder Verarbeitung Beauftragten,
• Menge und handelsübliche Bezeichnung des an den mit der Bearbeitung Beauftragten überreichten Gegenstands,
• Ort und Tag, an denen der Beauftragte den Gegenstand entgegengenommen hat sowie
• Bezeichnung des Auftrags sowie der vorgenommenen Be- oder Verarbeitung.
2) Nachweise bei Ausfuhrlieferungen
EU-einheitlich besteht seit dem 1.7.2009 die Pflicht zur Teilnahme am elektronischen Ausfuhrverfahren. Die Pflicht zur Abgabe elektronischer Anmeldungen betrifft alle Anmeldungen unabhängig vom Beförderungsweg (Straßen-, Luft-, See-, Post- und Bahnverkehr). Anhand dieses ATLAS-Systems wird insbesondere elektronisch überwacht, ob die zur Ausfuhr angemeldeten Waren auch den tatsächlich ausgeführten Waren entsprechen.
Der Ausführer bzw. der Anmelder der Ausfuhr
erhält auf Grundlage der Ausgangsbestätigung der Ausgangszollstelle einen sogenannten (elektronischen) „Ausgangsvermerk“, der neben den Daten der ursprünglichen Ausfuhranmeldung auch die Feststellungen der Zollstelle beinhaltet. Dieser Ausgangsvermerk dient bei der Ausfuhr als Belegnachweis. Dies gilt unabhängig davon, ob die Ware vom Lieferanten oder Abnehmer selbst transportiert wird (Beförderungsfall)
oder zum Beispiel eine Spedition eingeschaltet ist (Versendungsfall).
In Beförderungsfällen, die nicht elektronisch angemeldet werden, muss der Lieferant den belegmäßigen Ausfuhrnachweis durch eine Ausfuhrbestätigung der Grenzzollstelle eines Mitgliedstaates, die den Ausgang des Gegenstandes aus dem Gemeinschaftsgebiet überwacht, erbringen (vgl. § 9 UStDV i.V.m. Abschn. 6.6. UStAE). Der Beleg, auf dem die Ausfuhr- oder Abfertigungsbestätigung der Zollstelle erfolgt, soll außerdem den Namen und die Anschrift des Lieferanten, die handelsübliche Bezeichnung und die Menge der ausgeführten Ware sowie den Ort und den Tag der Ausfuhr enthalten (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 2 UStDV). Sonderregelungen gelten bei der Ausfuhr von Fahrzeugen, die für den Straßenverkehr zugelassen sind.
Ist es in einem Versendungsfall
dem Lieferanten nicht möglich oder nicht zumutbar, den Ausfuhrnachweis in der beschriebenen Weise zu führen, kann er die Ausfuhr mit der so genannten weißen Spediteursbescheinigung
nachweisen. Außerdem werden unter den genannten Voraussetzungen noch weitere Versendungsbelege akzeptiert. Dies können insbesondere der handelsrechtliche Frachtbrief, der vom Auftraggeber des Frachtführers unterzeichnet sein muss, das Konnossement, der Einlieferungsschein für im Postverkehr beförderte Sendungen oder deren Doppelstücke sein. In diesen Fällen muss der Beleg zusätzlich die Versendungsbezugsnummer der Auftragsanmeldung (Master Reference Number – MRN) enthalten (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 2 UStDV).
Ausfuhren, die nicht elektronisch angemeldet werden, müssen mit den o.g. Versendungsbelegen nachgewiesen werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV i.V.m. Abschn. 6.7. UStAE).
In den Fällen, in denen die gelieferte Ware vor der Ausfuhr in das Drittlandsgebiet von einem oder mehreren Beauftragten des Kunden bearbeitet oder verarbeitet wird, soll der Lieferant der Ware zusätzlich diese Be- oder Verarbeitung belegmäßig nachweisen (vgl. § 11 UStDV i.V.m. Abschn. 6.8. UStAE).
III. Nachweispflichten im Hinblick auf die USt-Sonderprüfung
Da beim innergemeinschaftlichen Warenverkehr durch sog. Karussellgeschäfte hohe Umsatzsteuerausfälle drohen, prüft die Finanzverwaltung hier insbesondere den Warenweg sowie die Buch- und Belegnachweise. Insofern steht die Frage, ob die Buch- und Belegnachweise ordnungsgemäß sind, häufig im Fokus der Sonderprüfer.
1) Grundlagen der USt-Sonderprüfung
Die USt-Sonderprüfung wird grundsätzlich mit einer schriftlichen Prüfungsanordnung
angekündigt, und zwar in der Regel bei Großbetrieben mindestens vier Wochen und in anderen Fällen mindestens zwei Wochen vor Beginn der Prüfung. Die Anordnung beinhaltet die Rechtsgrundlage, die zu prüfenden Sachverhalte, den Prüfungszeitraum und den Namen des Prüfers. Im Rahmen der Prüfung trifft den betroffenen Unternehmer eine Mitwirkungspflicht. Er hat insbesondere alle erforderlichen Unterlagen (Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere, Urkunden) vorzulegen und notwendige Auskünfte zum besseren Verständnis dieser Unterlagen zu erteilen.
2) Archivierung bzw. Aufbewahrungspflicht von Belegnachweisen
Grundsätzlich trägt der Unternehmer die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben müssen. Kann der Unternehmer den beleg- und buchmäßigen Nachweis nicht, nicht vollständig oder nicht zeitnah führen, besteht das Risiko, dass die Steuerbefreiung
der entsprechenden Ausfuhrlieferung oder innergemeinschaftlichen Lieferung versagt
wird.
In der Regel sind nur Original-Belege als Belegnachweise geeignet. Hierzu gehören auch die Doppelstücke der Konnossemente sowie der Frachtbriefe. Fotokopien können nur in begründeten Ausnahmefällen verwendet werden.
Der Belegnachweis muss sich grundsätzlich im Besitz des nachweispflichtigen Unternehmers befinden und mindestens zehn Jahre
aufbewahrt werden. Es ist nicht ausreichend, wenn sich diese im Besitz eines anderen Unternehmers oder einer Behörde befinden. Die Aufbewahrungsfrist läuft jedoch nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist
noch nicht abgelaufen ist. Die Angaben in den Belegen für den Belegnachweis müssen im Geltungsbereich des Umsatzsteuergesetzes, somit im Inland, nachprüfbar sein.
Die Nachweisbelege sind grundsätzlich
in Papierform
anzufordern und aufzubewahren. Für bestimmte Belege ist eine elektronische Übermittlung jedoch auch zulässig. Bspw. kann die Gelangensbestätigung auf elektronischem Weg, z.B. per E-Mail, ggf. mit PDF- oder Textdateianhang, per Computer-Telefax oder Fax-Server, per Web-Download oder im Wege des elektronischen Datenaustauschs (EDI) übermittelt werden. Ein elektronisch übermittelter Nachweisbeleg kann, nicht nur elektronisch, sondern für Umsatzsteuerzwecke auch in ausgedruckter Form aufbewahrt werden. Eine elektronische Archivierung auch von in Papierform erhaltenen Belegen ist unter weiteren Voraussetzungen zulässig. Bei
der elektronischen Übermittlung
und/oder Archivierung von Belegnachweisen sind die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)
gem. BMF-Schreiben vom 14.11.2014 zu beachten.
In zeitlicher Hinsicht muss der Belegnachweis bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht vorliegen. Den Buchnachweis hat der Unternehmer in seinen Grundzügen bis zu dem Zeitpunkt zu führen, zu dem er die Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Zeitraum der Lieferung abzugeben hat.
3) Objektivnachweis in Ausnahmefällen
Die Steuerbefreiung ist ausnahmsweise aber auch dann zu gewähren, wenn zwar der Unternehmer die formellen Buch- und Belegnachweispflichten nicht erfüllt, gleichzeitig aber aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass eine innergemeinschaftliche Lieferung oder Ausfuhrlieferung ausgeführt worden ist. Dies ist ausnahmsweise dann der Fall, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen nicht den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden.
IV. Fazit
Im Ergebnis hat der Unternehmer also umfangreiche Nachweispflichten
zu erfüllen. Auch wenn die Steuerbefreiung ausnahmsweise bei Vorliegen der objektiven Beweislage gewährt werden kann, obwohl der Unternehmer die formellen Buch- und Belegnachweispflichten nicht erfüllt, sollte es im Interesse des Unternehmers sein, die vorgenannten Nachweispflichten gerade im Hinblick auf eine jederzeit drohende USt-Sonderprüfung ordnungsgemäß zu erfüllen.

I. Einleitung Für Unternehmen, die im europäischen Binnenmarkt in Bezug auf den Warenhandel grenzüberschreitend tätig sind, sind aus umsatzsteuerlicher Sicht sog. „Innergemeinschaftliche Lieferungen“, „Reihengeschäfte“ oder auch das „Innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft“ zentrale Themen in deren Alltagsgeschäft. Die korrekte umsatzsteuerliche Handhabung stellt die Unternehmen aber regelmäßig vor erhebliche praktische Herausforderungen. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG in Verbindung mit § 6a UStG unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei, erfordern hierfür jedoch eine präzise Einhaltung der materiell-rechtlichen und formellen Anforderungen, unter anderem im Hinblick auf die Verwendung einer gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und die korrekte Abgabe der Zusammenfassenden Meldung. Fehler in der Abwicklung, wie unvollständige Nachweise oder fehlerhafte Meldungen, werden häufig erst im Rahmen von Betriebsprüfungen entdeckt und können zu erheblichen Steuernachzahlungen führen. Die Komplexität steigt weiter, wenn innergemeinschaftliche Lieferungen im Rahmen von Reihengeschäften erfolgen. Bei einem Reihengeschäft liegen mehrere Lieferungen zwischen verschiedenen Unternehmern vor, wobei die tatsächliche Warenbewegung direkt vom ersten Lieferer zum letzten Abnehmer erfolgt. Hierbei kommt es auf die umsatzsteuerliche Ortsbestimmung der einzelnen Lieferungen an. Die korrekte Zuordnung der sog. bewegten Lieferung ist letztlich entscheidend für die Steuerbefreiung. Dieser Beitrag befasst sich im Speziellen mit einer Sonderform des (grenzüberschreitenden) Reihengeschäfts, dem sog. Innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft. II. Funktionsweise und Zweck des Innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts 1. Funktionsweise Beim innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft handelt es sich um eine besondere Form des Reihengeschäfts. Folgende Voraussetzungen müssen vorliegen, damit ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft im Sinne von § 25b Abs. 1 UStG gegeben ist: Es muss eine mindestens dreigliedrige Umsatzkette mit Unternehmern, bestehend aus dem ersten Lieferer A, dem Zwischenhändler B und dem Abnehmer C, vorliegen und die Ware direkt vom Lieferer A zum Abnehmer C gelangen. Die Warenbewegung muss dabei zwischen zwei verschiedenen Mitgliedstaaten stattfinden und die Verantwortung für den Transport entweder beim ersten Lieferer A oder beim Zwischenhändler B liegen. Bei der Abwicklung müssen die beteiligten Unternehmer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern aus verschiedenen Mitgliedstaaten verwenden. Liegt ein Dreiecksgeschäft in diesem Sinne vor, gibt es weitere Bedingungen, unter denen der Zwischenhändler B die nach der Gegenleistung zu bemessende Umsatzsteuer für den Umsatz mit Lieferort im Bestimmungsland auf den Abnehmer C übertragen kann. Bevor der Zwischenhändler B die Lieferung tätigt, muss er den Liefergegenstand vom ersten Lieferer A im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs erhalten haben. Für den Zwischenhändler B greift die Erleichterung durch die Übertragung der Steuerschuld auf den Abnehmer C aber nur dann, wenn der Zwischenhändler B im Bestimmungsland weder ansässig ist, noch eine von dort vergebene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet. Die Verwendung einer vom Bestimmungsland vergebenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ist für die Anwendung der Steuerschuldumkehr hingegen dem Abnehmer C vorbehalten und zwingende Voraussetzung. 2. Zweck Letztlich bringt die Regelung zum innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft hauptsächlich Erleichterungen für den Zwischenhändler B in einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft, vor allem im Hinblick auf die Registrierungspflichten im Bestimmungsland der gehandelten Ware. Denn als Abnehmer für den Umsatz des ersten Lieferers A verwirklicht er beim Dreiecksgeschäft zum einen im Bestimmungsland den Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs, zum anderen verschafft er bei seinem Folgeumsatz dem Abnehmer C die Verfügungsmacht erst im Bestimmungsland und löst dort wiederum einen umsatzsteuerbaren Vorgang aus. Beide Tatbestände würden ohne die Vereinfachungsregelung des § 25b UStG die steuerliche Registrierung des Zwischenhändlers B im Bestimmungsland erfordern. Durch die in § 25b Abs. 2 UStG geregelte Rechtsfolge kann der Zwischenhändler B jedoch die Umsatzsteuerschuld aus dem Umsatz an den Abnehmer C im Bestimmungsland auf diesen übertragen. Diesbezüglich entfällt eine Registrierungspflicht. Gleichzeitig ist mit dem Übergang der Steuerschuld auf den Abnehmer C die Rechtsfolge verbunden, dass in diesem Fall der innergemeinschaftliche Erwerb des Zwischenhändlers B zudem als besteuert fingiert wird. III. Praktische Hinweise und aktuelle Rechtsprechung 1. Beispiel Anhand eines einfachen Beispiels sollen nochmal die Funktionsweise und Vereinfachungen des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts verdeutlicht werden: Abnehmer C aus Polen bestellt beim Zwischenhändler B in Deutschland eine Maschine. B bestellt selbst beim Lieferer A aus Frankreich. A befördert die Maschine mit eigenem Lkw direkt aus Frankreich nach Polen und übergibt sie dort C. Alle drei Unternehmer verwenden jeweils ihre nationale Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Es liegt ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft vor. Der Ort der ersten Lieferung des A, dem als warenbewegter Lieferung die Beförderung zugerechnet wird, befindet sich im Ursprungsland Frankreich und ist nach französischem Recht zu beurteilen (evtl. steuerfrei, A hat ggf. in Frankreich eine Zusammenfassende Meldung abzugeben). Zwischenhändler B muss einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Polen versteuern (und hat dort in gleicher Höhe ggf. den Vorsteuerabzug). Der Lieferort der nachfolgenden Lieferung des B an C befindet sich in Polen, sodass diese Lieferung der polnischen Umsatzsteuer unterliegt. Der deutsche Zwischenhändler B müsste sich eigentlich in Polen umsatzsteuerlich registrieren lassen. Durch die Vereinfachungsregelung für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte wird die Registrierung in Polen für B vermieden. Denn der im Bestimmungsland Polen ansässige letzte Abnehmer C übernimmt für den deutschen Zwischenhändler B die aus dessen Lieferung resultierende polnische Steuerschuld und C kann die nach § 25b UStG geschuldete Umsatzsteuer selbst als Vorsteuer abziehen, soweit er vorsteuerabzugsberechtigt ist. Der vom Zwischenhändler B in Polen getätigte innergemeinschaftliche Erwerb gilt als besteuert, also als erledigt. Der deutsche Zwischenhändler B wird letztlich von den Erklärungspflichten im Bestimmungsland Polen befreit. Jedoch muss B in seinem Ansässigkeitsstaat Deutschland seine Lieferung an C gegenüber den deutschen Finanzbehörden wie folgt erklären: In der USt-Voranmeldung bzw. -Jahreserklärung (ohne Umsatzsteuerschuld gem. § 25b UStG) sowie In der Zusammenfassenden Meldung mit Angabe der polnischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers C (dies soll der Kontrolle dienen, ob der Abnehmer C in Polen seinen umsatzsteuerlichen Pflichten nachkommt). Die Vereinfachungsregelung erfordert materiell-rechtlich zwingend, dass der mittlere Unternehmer in seiner Rechnung an den letzten Abnehmer des Dreiecksgeschäfts die Umsatzsteuer nicht gesondert ausweist, auf das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft hinweist (z. B. "Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft nach § 25b UStG" oder "Vereinfachungsregelung nach Art. 141 MwStSystRL") den letzten Abnehmer auf die auf ihn überwälzte Steuerschuldnerschaft hinweist, seine eigene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und die des letzten Abnehmers im Dreiecksgeschäft angibt. 2. Praxishinweise Ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft erfordert also zwingend, dass in der Rechnung des Zwischenhändlers auf die Steuerschuldnerschaft des Erwerbers bzw. Abnehmers hingewiesen wird. Diesbezügliche Abrechnungsfehler sind nicht rückwirkend heilbar. So haben EuGH (EuGH in der Rs. „Luxury Trust Automobil“; Urteil v. 8.12.2022 - C-247/21) und BFH (vgl. BFH, Urt. v. 17.7.24, XI R 35/22) aktuell entschieden. Der in § 14a Abs. 7 UStG geforderte Hinweis auf das Dreiecksgeschäft in der Rechnung des mittleren Unternehmers an seinen Abnehmer ist nach Auffassung des BFH in allen Fällen eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Anwendung des Dreiecksgeschäfts. Fehlen die entsprechenden Hinweise in der Rechnung, können die Vereinfachungsfolgen des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts nicht eintreten. Da sich Unternehmen häufig gar nicht bewusst sind, dass sie an einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft beteiligt sind, sollten insbesondere die Buchhaltungsabteilungen darauf sensibilisiert werden, diese zu erkennen. Andererseits sind die Regelungen zum innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft jedoch „nur“ ein Wahlrecht für den mittleren Unternehmer, so dass die Rechtsfolgen nur dann eintreten, wenn der mittlere Unternehmer die Anwendung auch klar und eindeutig beantragt. Sofern Unternehmen die Vereinfachungsregelung bewusst in Anspruch nehmen möchten, sollten sie auf die korrekte Umsetzung der strengen formalen Vorgaben achten, damit die Vereinfachungen auch wirklich eintreten. Dies erfolgt regelmäßig durch die Ausstellung von korrekten Rechnungen sowie der Deklaration in der lokalen Umsatzsteuer-Voranmeldung und in der Zusammenfassenden Meldung. Wird ein Dreiecksgeschäft falsch „umgesetzt“, kann dies für den mittleren Unternehmer zu erheblichem Mehraufwand und Kosten führen. Er muss sich ggf. nachträglich im Bestimmungsmitgliedstaat umsatzsteuerlich erfassen und dort innergemeinschaftliche Erwerbe sowie lokale Lieferungen erklären. Dies kann bei nachträglichem Erkennen zusätzlich zu Nachzahlungen oder gar Strafen führen. Bei der korrekten umsatzsteuerlichen Behandlung von Reihengeschäften im Allgemeinen oder der richtigen umsatzsteuerlichen Handhabung von innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften im Besonderen unterstützen wir Sie gerne. Setzen Sie sich bei Fragen mit Ihrem Pelka-Berater oder Herrn Di Wu in Verbindung oder füllen unser Kontaktformular aus.

Bereits in der Vergangenheit haben wir in unseren Beiträgen die steuerlichen und rechtlichen Aspekte rund um Influencer und Content-Creator beleuchtet. Nachdem die Finanzverwaltung einige Jahre den Schwerpunkt augenscheinlich nicht auf diese Steuerpflichtigen legte, ist aktuell eine deutliche Verschärfung seitens der Finanzämter zu beobachten: Von der Einrichtung von Sonder-Influencer-Teams bei den entsprechenden Behörden bis zur Zusammenarbeit mit den einschlägigen Online-Plattformen und der Initiierung neuer Ermittlungsmethoden: die Behörden gehen derzeit mit Nachdruck gegen Steuerhinterziehung im Bereich der Influencer und Content-Creator vor. So werden bereits jetzt Strafverfahren gegen in dieser Branche aktive Personen geführt. Gegenstand der Verfahren sind dabei im Durchschnitt steuerliche Fehlbeträge im hohen fünfstelligen Bereich, in Einzelfällen sogar in Millionenhöhe. I. Die steuerlichen Fallstricke im Überblick Die Wege, als Influencer und Content-Creator Einnahmen zu generieren, sind vielfältig, eine Einordnung daher oftmals unübersichtlich: Vergütungen für Klicks, Einnahmen aus Affiliate-Links oder Werbekooperationen, Abo-Zahlungen, „Trinkgelder“ für persönliche Fotos, Produktplatzierungen, Einnahmen aus der Teilnahme an TV-Formaten oder Preisgelder aus Gaming-Turnieren – und neue Konzepte keimen ständig auf, die laufend einer steuerlichen Einordnung bedürfen. Nicht alle Kreativen sind sich möglicherweise den steuerlichen Pflichten bewusst, die mit ihrer Tätigkeit verbunden sind. Dies führt teilweise zu immensen – teilweise sogar strafrechtlichen – Konsequenzen. Ob einkommen-, gewerbe-, umsatz- oder sogar schenkungsteuerlich – die steuerlichen Fallstricke sind vielschichtig. Mittlerweile dürfte allseits bekannt sein, dass in aller Regel auf die erzielten Einnahmen Einkommen- und Gewerbesteuer zu entrichten ist. Wer in Deutschland seinen Wohnsitz hat oder sich hier gewöhnlich aufhält, ist mit seinen gesamten Einkünften steuerpflichtig. Doch was einkommensteuerpflichtige Einkünfte sind, bedarf oftmals einer Prüfung im Einzelfall. In der Regel wird durch die Tätigkeit als Influencer oder Content-Creator zudem ein Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuergesetzes begründet. Daraus resultiert sowohl eine Gewerbesteuerpflicht als auch weitere Verpflichtungen wie die Anmeldung bei dem zuständigen Gewerbeamt. Auch umsatzsteuerliche Pflichten sind nicht außer Acht zu lassen. Dabei kann bereits die Nichtangabe von Einkünften oder Umsätzen den Vorwurf der Steuerhinterziehung begründen. Zuletzt gingen zudem immer wieder Schlagzeilen durch die Presse, dass auch Geldgeschenke in Höhe von mehreren zehntausenden oder sogar hunderttausenden Euros keine Seltenheit darstellen. Auch derartige freiwillige Leistungen von Fans oder Kunden ohne entsprechende Gegenleistungen sind nicht steuerfrei, sondern als Schenkungen, sofern sie die Freibetragsgrenze überschreiten, zu versteuern und auch als solche gegenüber den Finanzbehörden anzuzeigen. II. Wegzug ins Ausland Immer mehr Influencer und Content-Creator wollen aufgrund der steuerlichen Belastung Deutschland den Rücken kehren. Doch auch ein Wegzug ins Ausland entbindet nicht automatisch von steuerlichen Pflichten in Deutschland und sollte vorher gut durchdacht und geplant werden. Zum einen ist auch derjenige, der zwar keinen Wohnsitz (mehr) in Deutschland hat, aber hier Einkünfte erzielt, beschränkt auf diese Einkünfte weiterhin in Deutschland steuerpflichtig. Zum anderen greift die deutsche erweiterte beschränkte Steuerpflicht, wenn zwar der Wohnsitz bzw. der gewöhnliche Aufenthalt ins Ausland verlagert wird, aber wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland behalten werden. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, werden zwar vielfach internationale Abkommen herangezogen, doch gerade bei Zielstaaten mit niedriger oder überhaupt keiner Besteuerung bestehen hier oft Lücken. Eine frühzeitige steuerliche Planung ist daher unerlässlich. Daneben droht durch den Wegzug aus Deutschland zudem eine zwar einmalige, aber hohe Steuerbelastung durch eine sog. Entstrickung von Wirtschaftsgütern. Besonders relevant sind dabei die sog. selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgüter. Darunter können u.a. bestehende Kundenbeziehungen, Social-Media Accounts mit entsprechender Reichweite oder auch Private-Label-Produkte fallen. Durch die Entstrickung wird der in Deutschland entstandene Wertzuwachs dieser Vermögenswerte aufgedeckt und in Deutschland steuerpflichtig. III. Was tun bei Zweifeln, vermutetem Verstoß gegen steuerliche Pflichten oder geplantem Umzug? Sollten Sie befürchten, dass Steuererklärungen unvollständig waren oder Steuern nicht korrekt abgeführt wurden, ist ein schnelles, aber auch wohl überlegtes Handeln entscheidend. Die Möglichkeit einer Selbstanzeige bietet hier einen Weg, bestehende Steuerverstöße strafbefreiend zu bereinigen – vorausgesetzt, sie wird ordnungsgemäß und vollständig durchgeführt. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten: Eine fehlerhafte oder unvollständige Selbstanzeige kann die Vorteile zunichte und stattdessen das Finanzamt auf den Verstoß aufmerksam machen. Dies kann erhebliche, insbesondere auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Ähnlich verhält es sich bei einem geplanten Umzug ins Ausland. Ein solcher erfordert eine gründliche Planung und möglicherweise Anpassung der Geschäftsstrukturen. Eine vorgelagerte Steuerplanung, vor allem im Hinblick auf immaterielle Werte, ist dabei unumgänglich, um potenzielle Steuerfallen zu vermeiden. Es empfiehlt sich daher, frühzeitig eine steuerliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. IV. Fazit Die steuerlichen Fallstricke für Influencer und Content-Creator sind vielschichtig. Behördliche Kontrollen der steuerrelevanten Verhältnisse nehmen zudem zu. Eine vorausschauende und fundierte steuerliche Beratung ist unerlässlich, um Fallstricke zu vermeiden und auf der sicheren Seite zu bleiben. Haben Sie Zweifel oder vermuten Sie sogar bereits steuerliche Probleme, so sollten Sie nicht zögern und frühzeitig professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen. Gerne stehen wir Ihnen mit zur Seite – sowohl bei der präventiven Planung als auch bei der Begleitung von Selbstanzeigen oder sonstigen steuerlichen Fragestellungen rund um Ihre Tätigkeit. Füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus. Autoren: Dr. Eric Hoeveler und Melissa Maas

Ein nach dem 20. Juli 2025 verbleibender Hinweis auf die Streitbeilegungsplattform der Europäischen Union (EU) im Impressum einer Website ist irreführend und kann Anlass für Abmahnungen sein. I. Aktueller Handlungsbedarf: Hinweis entfernen Viele Unternehmen verweisen auf ihrer Website auf die EU-Streitbeilegungsplattform. Dieser Hinweis befindet sich zumeist im Impressum einer Homepage oder in E-Mail-Signaturen. Die Plattform wurde jedoch zum 20. Juli 2025 endgültig abgeschaltet. Ein entsprechender Hinweis ist damit nicht nur überholt, sondern kann auch rechtliche Risiken nach sich ziehen. II. Hintergrund zur EU-Streitbeilegungsplattform Die Europäische Plattform für Online-Streitbeilegung sollte Verbraucher und Unternehmen bei der außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten unterstützen. Unternehmen mit Sitz in der EU waren bisher verpflichtet, den Link zur Plattform auf ihrer Website zu platzieren – dies erfolgte in der Regel im Impressum. Als Folge der Nichtbeachtung dieser Pflicht konnten Abmahnungen durch Mitbewerber oder Verbraucherverbände ausgesprochen werden. Mit Aufhebung der Verordnung über Online-Streitbeilegung wurde auch die EU-Plattform abgeschaltet, sodass die entsprechende Hinweispflicht für Unternehmen entfällt. III. Rechtliche Risiken durch veraltete Angaben Trotz ihrer Abschaltung zum 20. Juli 2025 finden sich auf vielen Websites noch Hinweise und Links zur EU-Streitbeilegungsplattform. Diese Informationen sind nicht nur überflüssig, sondern können als irreführende geschäftliche Handlung gewertet und infolgedessen mit Abmahnungen geahndet werden. IV. Empfohlene Maßnahmen Ein noch vorhandener Hinweis auf die EU-Streitbeilegungsplattform sollte daher umgehend aus dem Impressum der Website eines Unternehmens entfernt werden. Auch andere Stellen, etwa E-Mail-Signaturen oder vorgefertigte Textbausteine, sind auf entsprechende Verweise zu prüfen. Wichtig: Der allgemeine Hinweis auf die Teilnahme oder Nichtteilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle bleibt weiterhin erforderlich. V. Fazit Die EU-Streitbeilegungsplattform wurde abgeschafft, sodass die Hinweispflicht entfällt. Ein verbliebener Hinweis auf der Website kann zu Abmahnungen führen und sollte daher schnellstmöglich entfernt werden. Eine zeitnahe Überarbeitung des Impressums und weiterer betroffener Stellen schützt vor rechtlichen Konsequenzen. Bei Fragen hierzu können Sie gerne unser Kontaktformular ausfüllen oder sich an Frau Elena Beeretz wenden. Wir unterstützen Sie gerne.

I. Einleitung Seit dem 1. Januar 2025 gelten für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG neue Grenzen, die einer laufenden Überwachung bedürfen. Mussten Kleinunternehmer bisher bei Überschreiten der Umsatzgrenzen im laufenden Kalenderjahr erst ab dem folgenden Kalenderjahr Umsatzsteuer in ihren Rechnungen ausweisen, muss nun bereits mit dem Umsatz, der die Grenzen überschreitet, unterjährig Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden. Außerdem sind ab Überschreiten der Kleinunternehmergrenzen regelmäßige Voranmeldungen an das Finanzamt zu übermitteln. II. Die Einzelheiten im Überblick 1. Grundsätze zur Kleinunternehmerregelung Unternehmer, die im vorangegangenen Kalenderjahr die Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG bis zum Betrag von € 25.000 (bisher: € 22.000) erzielen und im laufenden Kalenderjahr die Umsatzgrenze von € 100.000 (bisher: € 50.000) nicht überschreiten, sind Kleinunternehmer. Ihre Umsätze sind von der Umsatzsteuer befreit. Sie dürfen aber im Gegenzug auch keinen Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen in Anspruch nehmen. 2. Steuerfreiheit der Umsätze Die Umsätze im Rahmen der neuen Kleinunternehmerregelung ab 2025 gelten als steuerfrei und nicht mehr lediglich als „nicht erhoben“ im Sinne der bisherigen Rechtslage. Diese rechtliche Einordnung hat bedeutsame umsatzsteuerliche Konsequenzen. Ein auf der Rechnung gesondert ausgewiesener Umsatzsteuerbetrag stellt nunmehr einen unrichtigen Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs. 1 UStG dar und nicht mehr, wie bisher, einen unberechtigten Steuerausweis gemäß § 14c Abs. 2 UStG. Dies bedeutet, dass der Unternehmer die falsch ausgewiesene Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt schuldet. Darüber hinaus entfällt der Vorsteuerabzug – wie auch in der bisherigen Regelung – für Eingangsleistungen, die der Unternehmer zur Ausführung dieser steuerfreien Umsätze verwendet. Dies ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wonach der Vorsteuerabzug bei Lieferungen und sonstige Leistungen, die für steuerfreie Umsätze verwendet werden, grundsätzlich ausgeschlossen ist. 3. Vereinfachte Rechnungsstellung ab dem 1. Januar 2025 Ab dem 1. Januar 2025 gelten neue Regelungen bezüglich der Rechnungsstellung für Kleinunternehmer. Diese können nun gemäß § 34a UStDV sogenannte vereinfachte Rechnungen ausstellen. In diesen Rechnungen dürfen bestimmte Pflichtangaben (wie zum Beispiel die Rechnungsnummer oder das Leistungsdatum) entfallen. Darüber hinaus sind Kleinunternehmer nicht verpflichtet, elektronische Rechnungen im Sinne der neuen E-Rechnungspflicht auszustellen. Unabhängig von der gewählten Form der Rechnung ist jedoch zwingend ein Hinweis auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung gem. § 19 UStG erforderlich. 4. Auswirkungen bei Überschreiten der Umsatzgrenzen ab dem 1. Januar 2025 Wird die Umsatzgrenze von € 100.000 im laufenden Jahr überschritten, entfällt die Steuerbefreiung unmittelbar. Der Umsatz, mit dem die Grenze erstmals überschritten wird, unterliegt der Regelbesteuerung. Alle bis zu diesem Zeitpunkt ausgeführten Umsätze bleiben weiterhin steuerfrei. Ab Überschreiten der Grenze gelten für alle weiteren Umsätze die allgemeinen umsatzsteuerlichen Vorschriften, insbesondere hinsichtlich der Rechnungsstellung nach § 14 UStG, des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG sowie der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen nach § 18 UStG. 5. Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung ab dem 1. Januar 2025 Auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung kann verzichtet werden. Dann darf die Vorsteuer aus den Eingangsrechnungen abgezogen werden, gleichzeitig müssen jedoch Rechnungen mit Umsatzsteuer gestellt werden. Zudem kommen weitere Aufgaben, wie die Erstellung von monatlichen oder quartalsweisen Umsatzsteuervoranmeldungen und jährlichen Umsatzsteuererklärungen auf den Unternehmer zu. Die Erklärung auf den Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung (§ 19 Abs. 3 S. 1 UStG) gegenüber dem zuständigen Finanzamt kann formlos erfolgen. Dieser Verzicht ist bis spätestens zum Ablauf des Monats Februar des zweiten auf den betreffenden Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres möglich. Die Verzichtserklärung bindet den Unternehmer gem. § 19 Abs. 3 S. 3 UStG für einen Zeitraum von fünf Kalenderjahren an die Regelbesteuerung. Nach Ablauf dieser Frist bleibt die Regelbesteuerung weiterhin anwendbar, bis der Unternehmer den Verzicht ausdrücklich widerruft. Ein solcher Widerruf ist frühestens nach Ablauf der Fünfjahresfrist zulässig. III. Fazit Für Sie als Unternehmer, der die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nimmt, ist daher Folgendes in der Praxis zu beachten: Erstellen Sie bereits laufend unterjährig eine Übersicht über die in Rechnung gestellten Umsätze. Der Umsatz, der die Grenze von € 100.000 überschreitet, ist umsatzsteuerpflichtig und Sie müssen eine Rechnung mit allen Pflichtangaben und unter Ausweis des richtigen Steuersatzes erstellen. Eine laufende Umsatzüberwachung mithilfe einer monatlichen Buchführung kann hierfür sinnvoll sein. Achten Sie stets darauf, dass Sie bei Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung keine Umsatzsteuer auf Ihren Rechnungen ausweisen, da Sie einerseits nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, Sie andererseits aber durch diese falsche Angabe dazu verpflichtet wären, die Umsatzsteuer an das Finanzamt zu entrichten. Sie sind dazu verpflichtet in Ihren Rechnungen auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung hinzuweisen. Eine einfache Formulierung („steuerfreier Kleinunternehmer“) reicht hierbei aus. Beachten Sie, dass Sie als Kleinunternehmer in der Lage sein müssen, E-Rechnungen zu empfangen. Das Ausstellen von E-Rechnungen durch den Kleinunternehmer ist hingegen ein Wahlrecht. Bei Fragen zur Überwachung der Umsatzgrenzen, Fragen zur Rechnungsstellung oder Fragen zur Möglichkeit des Verzichts auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung können Sie sich gerne an Ihren Pelka-Berater oder Frau Marie-Christine Schröder wenden. Wir unterstützen Sie gerne.

I. Einleitung Der Bundesrat hat am 11.07.2025 dem vom Bundestag am 04.06.2025 beschlossenen „Gesetzesentwurf für ein steuerliches Investitionsprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ zugestimmt. Ziel des Gesetzes ist es, den Wirtschaftsstandort Deutschland nach zwei Jahren ohne Wirtschaftswachstum wieder attraktiver zu machen. Aufgrund des Förderprogramms sind Mindereinnahmen bei Bund, Ländern und Kommunen in Höhe von bis zu 48 Milliarden Euro zu erwarten. Die voraussichtlichen Steuerausfälle werden bis einschließlich 2029 in voller Höhe vom Bund übernommen. Darüber hinaus investiert der Bund zur Entlastung der Länder zwischen 2026 und 2029 zusätzlich acht Milliarden Euro in Kitas, andere Bildungseinrichtungen sowie Krankenhäuser. Insgesamt rechnet der Bund jedoch damit, dass die Steuereinnahmen durch Investitionen insgesamt steigen werden. Nachfolgend möchten wir Ihnen einen kurzen Überblick über die wichtigsten Regelungen des Gesetzes, das auch „Wachstums- oder Innovations-Booster“ genannt wird, verschaffen: II. Die Einzelheiten im Überblick 1. “Investitions-Booster“ durch degressive Abschreibungen Unternehmen haben wieder die Möglichkeit, höhere Abschreibungen für die Anschaffung oder Herstellung beweglicher, abnutzbarer Wirtschaftsgüter in Anspruch zu nehmen. Die erhöhte Abschreibung ist auf bewegliche Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum vom 01.07.2025 bis 31.12.2027 angeschafft bzw. hergestellt werden, begrenzt. Sie gilt nicht für unbewegliche und immaterielle Wirtschaftsgüter. Ein bewegliches Wirtschaftsgut, wie z. B. eine Maschine, kann aufgrund der Neuregelung mit bis zum Dreifachen der jeweiligen jährlichen linearen AfA, maximal bis zu 30% der Anschaffungskosten abgeschrieben werden. In den Folgejahren können jeweils bis zu 30% des jeweiligen Restbuchwertes abgeschrieben werden. Die Möglichkeit der höheren Abschreibung soll die Unternehmen in der unmittelbaren Phase nach einer Investition entlasten und so weitere Neuinvestitionen fördern. 2. Steuerliche Entlastung für Unternehmen 2.1 Senkung der Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften Die Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften wird gesenkt. So verringert sich die Körperschaftsteuer ab dem Jahr 2028 jährlich um jeweils 1% von aktuell 15% auf 10% im Jahr 2032. Diese Maßnahme soll den Unternehmen vor allem mehr Planungssicherheit geben. Darüber hinaus wird mit der Senkung der durchschnittlichen Gesamtsteuerbelastung (Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer) von derzeit rd. 30% auf rd. 25% die Liquidität der Unternehmen gesteigert. 2.2 Senkung der Steuerbelastung für Einzelunternehmer und Personengesellschaften: Soweit Gewinne nicht entnommen wurden, konnten diese bislang wahlweise mit dem persönlichen Steuersatz besteuert oder – auf Antrag – mit dem ermäßigten Steuersatz von 28,25% besteuert werden (Thesaurierungsbesteuerung für Gewinne aus Gewerbebetrieb oder aus selbständigen Einkünften). Aufgrund der sukzessiven Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 15% auf 10% wird der Steuersatz für die Thesaurierungsbesteuerung ebenfalls gesenkt und zwar für die Jahre 2028 und 2029 auf 27%, 2030 und 2031 auf 26% und ab 2032 auf 25%. Hier weisen wir auf die Nachversteuerung späterer Entnahmen hin; diese sollen jedoch nicht mit dem Spitzensteuersatz versteuert werden. 3. Investitions-Booster für E-Mobilität bei Unternehmen 3.1 Degressive Abschreibung mit fallenden Staffelsätzen: Im Jahr der Anschaffung rein elektrisch betriebener Fahrzeuge, die zum Anlagevermögen gehören, können nun bis zu 75 % der Anschaffungskosten abgeschrieben werden. In den Folgejahren sinkt der jeweiligen Abschreibungssatz auf 10% im zweiten Jahr, auf 5% im dritten und vierten Jahr, auf 3% im fünften Jahr und auf 2% im sechsten Jahr. Diese Neuregelung gilt nicht nur für Pkw, sondern auch für sämtliche Nutzfahrzeuge, soweit sie rein elektrisch betrieben werden. Darüber hinaus kann die degressive Abschreibung mit fallenden Staffelsätzen für Anschaffungen ab dem 01.07.2025 bis zum 31.12.2027 in Anspruch genommen werden. 3.2 Erhöhung der Bruttolistenpreisgrenze für E-Dienstwagen Die Obergrenze für die Bemessungsgrundlage von Elektrofahrzeugen, die mit 0,25% statt 1,0% des Listenpreises zu versteuern sind, wird von EUR 70.000,00 auf EUR 100.000,00 erhöht. 4. Begünstigungen der steuerlichen Forschungszulage Die steuerliche Forschungszulage wurde erstmalig mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung vom 14.12.2019 eingeführt. Sie soll den Investitionsstandort Deutschland stärken und die Forschungsaktivitäten v. a. kleiner und mittlerer Unternehmen fördern. Gefördert werden insbesondere Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, soweit sie einer oder mehreren Kategorien der Grundlagenforschung, industriellen Forschung oder experimentellen Entwicklung zuzuordnen sind. Die Höhe der Forschungszulage richtet sich nach den jeweils förderfähigen Aufwendungen. Die Obergrenze der förderfähigen Bemessungsgrundlage von bisher 10 Mio. EUR wird ab dem Jahr 2026 auf 12 Mio. EUR pro Jahr erhöht. Darüber hinaus wurden die förderfähigen Aufwendungen erweitert. Künftig können Gemein- und Betriebskosten mit 20% der förderfähigen Personalkosten berücksichtigt werden. Zudem beträgt der förderfähige Stundensatz für erbrachte Eigenleistungen künftig 100 EUR statt bisher 70 EUR. Diese Maßnahmen sollen insbesondere Investitionsanreize in Forschung und Innovation bieten. III. Fazit Ein „Gesetz für ein steuerliches Investitionsprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ war vor dem Hintergrund ausbleibenden Wirtschaftswachstums sicherlich längst überfällig. Nach der nun erfolgten Zustimmung des Bundesrats kann das Gesetz ausgefertigt und verkündet werden. Es tritt am Tag der Verkündung in Kraft. Die Änderungen des Forschungszulagengesetzes treten ab 01.01.2026 in Kraft. Unternehmen haben mit der in Kürze zu erwartenden Verkündung des Gesetzes - zumindest für die nächsten Jahre - mehr Planungssicherheit für Investitionen. Inwieweit die Maßnahmen tatsächlich zum erhofften „Investitions-Booster“ und damit zur Stärkung der Attraktivität sowie der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland führen, hängt sicherlich nicht nur von innenpolitischen, sondern auch von außenpolitischen Faktoren ab und bleibt daher abzuwarten. Wenn Sie Fragen zu den einzelnen „Booster-Maßnahmen“ haben oder wie sich diese konkret in Ihrem Unternehmen umsetzen lassen, setzen Sie sich mit Ihrem Pelka-Berater oder Herrn Robin Schuh in Verbindung. Gerne können Sie auch unser Kontaktformular ausfüllen.

I. Einleitung Erbschaften und Schenkungen unterliegen in Deutschland grundsätzlich der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer. Was unter einer Erbschaft bzw. einem „Erwerb von Todes wegen“ zu verstehen ist, ist dabei den meisten Steuerpflichtigen geläufig. Was alles als steuerrechtliche Schenkung anzusehen ist, kann hingegen schwieriger zu bestimmen sein. So drängt es sich beispielsweise nicht sogleich auf, dass auch die im Alltag unter Verwandten nicht selten anzutreffende zinslose oder verbilligte Gewährung eines Darlehens einen schenkungsteuerlich relevanten Vorgang bilden kann. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in diesem Zusammenhang jüngst zur Bemessung der Schenkungsteuer bei niedrig verzinsten Darlehen geurteilt. Nachfolgend sollen die steuerrechtlichen Hintergründe kurz erläutert werden. II. Hintergrund: Schenkungsteuer bei vorteilhaften Darlehen 1. Zinslose/zu niedrig verzinste Darlehen als freigebige Zuwendungen Schenkungen unterliegen grundsätzlich der Schenkungsteuer. Das Gesetz definiert in § 7 ErbStG, was alles unter den steuerrechtlichen Begriff der Schenkung fällt. Ausgangspunkt ist dabei nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Darunter fallen seit jeher auch zinslose oder zu niedrig verzinste Darlehen, auch wenn eine Rückzahlung erfolgen muss. Gegenstand dieses Geschenks ist das Recht, das als Darlehen gewährte Kapital zu einem niedrigen Zinssatz als marktüblich/zinslos zu nutzen. Der Wert dieses Nutzungsvorteils bemisst sich daher in solchen Fällen nach dem Zinsvorteil, der sich aus der Differenz des vereinbarten Zinssatzes mit dem sich aus § 15 Abs. 1 BewG ergebenden Zinssatz ergibt. Danach ist, wenn kein anderer Wert feststeht, grundsätzlich von dem gemeinen Wert der Nutzung i.H.v. 5,5% auszugehen. Wird eine Geldsumme auf unbestimmte Zeit zinslos bzw. verbilligt überlassen, so wird der Geldbetrag mit dem gesetzlich vorgegebenen Zinssatz i.H.v. 5,5% und dem gesetzlichen Faktor 9,3 multipliziert. Beispiel: Großmutter G gewährt ihrem Enkel E für den Erwerb von Grundbesitz ein Darlehen i.H.v. € 500.000. Es wird vereinbart, dass die Summe nicht zu verzinsen ist und die Rückzahlung dann erfolgen solle, „wenn es gerade passt“. Ein marktüblicher Zinssatz kann nicht ermittelt werden. Im Jahr der Gewährung des Darlehens ergibt sich nach den oben genannten Grundsätzen eine anzeigepflichtige Schenkung i.H.v. € 255.750 (€ 500.000 * 5,5% * 9,3). Das Finanzamt würde nach Anzeige des Erwerbs und unter Berücksichtigung des alle zehn Jahre zur Verfügung stehenden Freibetrags und der gesetzlich vorgesehenen Abrundung des Betrags auf volle Hundert Schenkungsteuer i.H.v. € 3.899 ((€ 255.700 – Freibetrag € 200.000) * Steuersatz 7%) festsetzen. 2. Steuernachforderung auch nach Jahrzehnten vom Finanzamt möglich Für die Schenkungsteuer gibt es Besonderheiten bei der Festsetzungsverjährung. Die Festsetzungsverjährung hat Einfluss darauf, bis wann das Finanzamt spätestens nachträglich Schenkungsteuer festsetzen kann. Je nach Sachverhalt beträgt diese Frist vier, fünf oder zehn Jahre. Für die Schenkungsteuer beginnt diese Frist aber erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Schenker gestorben oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat. Dies kann je nach Sachverhalt dazu führen, dass die Festsetzungsfrist erst sehr spät in Gang gesetzt wird, sodass das Finanzamt mitunter auch bei Schenkungen, die bereits Jahrzehnte zurückliegen, noch nachträglich Schenkungsteuer festsetzen kann, sollte eine gesetzlich vorgesehene Anzeige der Schenkung wissentlich oder unwissentlich unterblieben sein. III. Urteil des Bundesfinanzhofs 1. Sachverhalt Mit Darlehensvertrag vom 03.11.2016 erhielt der spätere Kläger von seiner Schwester ein Darlehen i.H.v. € 1.875.768,05 ausgezahlt. Es wurde eine jährliche Verzinsung von 1% vereinbart. Die Darlehensvereinbarung sah zudem vor, dass das Darlehen auf unbestimmte Zeit gewährt wird und mit einer Frist von zwölf Monaten erstmals zum 31.12.2019 gekündigt werden kann. Das Finanzamt setzte Schenkungsteuer i.H.v. € 229.500 fest. Es ermittelte diesen Wert, indem es den schenkungsteuerpflichtigen Erwerb i.H.v. € 785.008 ansetzte. Der schenkungsteuerliche Erwerb ist das Produkt aus der überlassenen Geldsumme und der Zinsdifferenz aus dem vorgegebenen Zinssatz von 5,5% und dem tatsächlichen Zinssatz von 1% und dem gesetzlichen Vervielfältiger für eine unbestimmte Laufzeit von 9,3: € 1.875.768,05 * 4,5% * 9,3 = € 785.008. Der Kläger legte hiergegen u.a. mit der Begründung Einspruch ein, dass für seinen Fall ein marktüblicher Zinssatz von 2,67% bis 2,81% zur Bestimmung der Zinsdifferenz feststehe und daher anzusetzen sei. Entsprechend sei eine Zinsdifferenz von 1,67% bis 1,81% (2,67/2,81% abzüglich vereinbarte Verzinsung von 1%) zur Ermittlung des schenkungsteuerpflichtigen Erwerbs anzusetzen. Das Finanzamt und später das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern folgten dieser Argumentation nicht, da zwar ein durchschnittlicher Zinssatz von 2,81% für wirtschaftlich Selbständige feststehe, es aber nicht erkennbar sei, dass der Kläger auf dem Kapitalmarkt eine vergleichbare Finanzierung zu einem niedrigeren Zinssatz habe erhalten können. 2. Entscheidungsgründe Der BFH hingegen stützte mit seinem Urteil die Ansicht des Klägers (BFH-Urteil v. 31.07.2024, Az. II R 20/22). Es sei widersprüchlich von Finanzamt und Finanzgericht gewesen, auf der einen Seite festzustellen, dass im maßgeblichen Zeitraum der durchschnittliche Zinssatz für vergleichbare Personen (wirtschaftlich Selbständige) effektiv bei 2,81% gelegen habe, auf der anderen Seite, dass ein niedriger als der in § 15 Abs. 1 BewG festgelegte Zinssatz nicht feststehe. Das Gesetz sehe in § 15 Abs. 1 BewG lediglich vor, dass 5,5% anzusetzen sind, wenn kein anderer Wert feststeht. Die Feststellung eines anderen Werts kann dabei auf verschiedene Art erfolgen, es ist nicht zwingend erforderlich, dass der Steuerpflichtige den anderen Zinssatz nachweisen müsse. Dies stehe auch nicht im Widerspruch zu vorheriger BFH-Rechtsprechung, denn die bisherige BFH-Rechtsprechung hat lediglich betont, dass kein allgemeiner marktüblicher Zinssatz herangezogen werden könne, bei dem nicht bekannt sei, ob die zugrundeliegenden Darlehen zu vergleichbaren Bedingungen abgeschlossen wurden wie das tatsächlich vereinbarte Darlehen. Dadurch werde aber nicht ausgeschlossen, dass ein marktüblicher Zinssatz heranzuziehen ist, wenn das Finanzgericht diesen bei Vergleichbarkeit der dem Darlehen zugrundeliegenden Bedingungen festgestellt hat. Daher kann auf der Grundlage des festgestellten Zinssatzes von 2,81% für einen Fall wie dem streitgegenständlichen ein Nutzungsvorteil durch die Zinsdifferenz von 1,81% (2,81% abzüglich der vereinbarten 1%) pro Jahr angesetzt werden. Der Wert der Bereicherung war daher mit € 315.748,02 (€ 1.875.768,05 * 1,81% * 9,3) zu ermitteln, unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Falls waren entsprechend € 59.140 Schenkungsteuer festzusetzen. IV. Fazit Dass insbesondere zwischen Verwandten Darlehen vergünstigt oder zinsfrei gewährt werden, ist keine Ausnahmeerscheinung. Sollte in diesem Zusammenhang eine Anzeige an das Finanzamt versehentlich unterblieben sein, kann aufgrund des sehr späten Beginns der Festsetzungsverjährung die „Sache nicht ausgesessen werden“. Das BFH-Urteil ermöglicht es indes nun durch Nachweis eines niedrigeren marktüblichen Zinssatzes den Wert der Schenkung und damit die Höhe der etwaigen Schenkungsteuer spürbar zu reduzieren. Insbesondere vor dem Hintergrund der zurückliegenden langen Niedrigzinsphase ist die Entscheidung des BFH zu begrüßen.

In der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt verarbeiten Unternehmen große Mengen sensibler Daten, insbesondere im Personalwesen. Diese Daten unterliegen besonderen Schutzanforderungen, um Missbrauch vorzubeugen. Die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) verpflichtet dazu, Daten nur so lange zu speichern, wie es für den jeweiligen Zweck erforderlich ist. Ein strukturiertes Löschkonzept für Personaldokumente ist deshalb ein unverzichtbarer Bestandteil moderner Datenschutzstrategien. Ein Löschkonzept ist eine Planaufstellung, die den spezifischen Datenkategorien individuelle, auf das verantwortliche Unternehmen zugeschnittene Speicherfristen zuweist und so Transparenz und Rechtssicherheit schafft. I. Rechtlicher Rahmen Nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO haben betroffene Personen das Recht, die unverzügliche Löschung ihrer personenbezogenen Daten zu verlangen, wenn einer der in der Norm genannten Gründe vorliegt. Besonders relevant ist der Fall, dass der Zweck für die Erhebung oder Verarbeitung der Daten nach Art. 17 Abs. 1 a) DS-GVO entfallen und eine weitere Speicherung nicht mehr erforderlich ist. Dieses sogenannte „Recht auf Vergessenwerden“ verpflichtet Unternehmen dazu, Daten aktiv zu löschen, sobald sie nicht mehr benötigt werden. Dem gegenüber steht das Bedürfnis, Daten für gewisse Zeiträume zu bewahren. Solche Aufbewahrungsfristen ergeben sich insbesondere aus dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), der Abgabenordnung (AO) und dem Handelsgesetzbuch (HGB). Aus diesen Gesetzen lassen sich Mindestaufbewahrungszeiten ableiten, die durch Unternehmen zwingend einzuhalten sind, woraus wiederum auf den Zeitpunkt der Löschung geschlossen werden kann. Darüber hinaus können sich Fristen auch mittelbar aus anderen gesetzlichen Regelungen ergeben. II. Risiken ohne Löschkonzept Unternehmen, die kein systematisches Löschkonzept implementiert haben, setzen sich dem Risiko aus, gegen datenschutzrechtliche Vorgaben zu verstoßen, indem sie die Daten zu früh löschen oder zu lange aufbewahren. In der Folge können Datenschutzaufsichtsbehörden Bußgelder verhängen. Bereits bei geringfügigen Verfehlungen sind Sanktionen möglich; bei schwerwiegenden Verstößen drohen Bußgelder, die bis zu 20 Millionen Euro oder vier Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens betragen können. Betroffene Personen haben außerdem Anspruch auf Schadensersatz, wenn ihnen durch die unzulässige Datenverarbeitung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist. Insbesondere bei einer hohen Anzahl Betroffener kann dies zu beträchtlichen finanziellen Belastungen führen. Sogar strafrechtliche Konsequenzen sind denkbar: Wird der Verstoß mit Bereicherungsabsicht begangen, kann dies mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Auch praktische Auswirkungen sind nicht zu unterschätzen: Überlang gespeicherte Datenmengen können IT-Systeme belasten, Speicherplatz blockieren und Arbeitsprozesse verlangsamen – etwa, wenn die Suche nach relevanten Informationen unverhältnismäßig viel Zeit in Anspruch nimmt. III. Vorteile eines Löschkonzeptes Ein strukturiertes Löschkonzept dokumentiert nicht nur die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, sondern signalisiert auch Problembewusstsein gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde. Sollte es dennoch zu Verstößen gegen datenschutzrechtliche Lösch- und Aufbewahrungsfristen kommen, ist mit milderen Sanktionen zu rechnen, da das Verschulden des Verantwortlichen und ergriffene Präventivmaßnahmen im Rahmen des behördlichen Ermessens gemäß Art. 83 Abs. 2 Satz 2 DS-GVO berücksichtigt werden. Zudem bietet ein Löschkonzept mit klaren Handlungsanweisungen Transparenz und Rechtssicherheit für Betroffene sowie für die zur Löschung verantwortlichen Personen. Es stellt sicher, dass sowohl die Rechte betroffener Personen als auch die rechtlichen Interessen des Unternehmens gewahrt werden. IV. Umsetzung eines Löschkonzepts Die Nutzung eines allgemeingültigen Musters als Löschkonzept ist nicht zweckmäßig, da die Fristen individuell auf die Prozesse und Datenstrukturen des jeweiligen Unternehmens angepasst werden müssen. Die Konzeptentwicklung sollte die folgenden Schritte umfassen. 1. Bestandsaufnahme Zunächst müssen alle im Unternehmen vorhandenen personenbezogenen Daten identifiziert und kategorisiert werden. Die Klassifizierung ist insbesondere nach Art und Sensibilität der Daten vorzunehmen. 2. Aufbewahrungs- und Löschfristen Nach Erfassung der gesetzlich vorgegebenen Aufbewahrungs- und Löschfristen sind auf das Unternehmen abgestimmte interne Fristen festzulegen. Diese sollten zum einen dem Bedürfnis auf Aufbewahrung – zum Beispiel für eine spätere rechtliche Auseinandersetzung – und zum anderen dem Recht der betroffenen Person auf rechtzeitige Löschung ihrer Daten gerecht werden. 3. Form der Aufbewahrung Je nach Dokumentenart gelten unterschiedliche Anforderungen an die Form der Aufbewahrung, welche im Konzept benannt werden sollten. So ist beispielsweise ein Kündigungsschreiben nach § 623 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Schriftform aufzubewahren, während eine Abmahnung auch in elektronischer Form gespeichert werden kann. 4. Verantwortlichkeit Darüber hinaus sollten klare Zuständigkeiten zur Überwachung der Fristen und Ausführung der Löschvorgänge festgelegt werden. 5. Dokumentation Damit im Bedarfsfall die erforderlichen Nachweise erbracht werden können, sollten sämtliche Löschvorgänge nachvollziehbar protokolliert werden. 6. Schulung der Mitarbeiter Verantwortliche Personen, insbesondere Mitarbeitende der Personalabteilung und der IT sowie Führungskräfte, sollten regelmäßig geschult und in ihrem datenschutzrechtlichen Bewusstsein sensibilisiert werden. V. Aufbewahrung von Personaldokumenten. Im Bereich des Personalwesens gelten für verschiedene Dokumente stark voneinander abweichende Speicherfristen. Da der Zweck der Aufbewahrung nur für einen kurzen Zeitraum besteht, sind etwa Bewerbungsunterlagen grundsätzlich nur für eine Dauer von drei bis sechs Monaten aufzubewahren, sofern keine Einstellung erfolgt. Dies ergibt sich unter anderem aus der zweimonatigen Frist zur Geltendmachung von Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüchen aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Demgegenüber sollten Dokumente, die Leistungsansprüche aus der betrieblichen Altersvorsorge begründen, bis zu 30 Jahre aufbewahrt werden, da derartige Ansprüche gemäß § 18a Satz 1 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) erst nach Ablauf dieser Zeitspanne verjähren. Eine ebenfalls lange Frist gilt beispielsweise für die Archivierung von Lohnunterlagen mit Bezug zu der betrieblichen Gewinnermittlung, welche nach den Vorgaben der Abgabenordnung für bis zu zehn Jahre aufzubewahren sind. VI. Abmahnungen in der Personalakte Insbesondere die Aufbewahrung und Vernichtung von Abmahnungen bereitet Unklarheiten, wenn kein konkretes Konzept besteht. Hier besteht keine gesetzliche Vorgabe zur Speicherung oder Löschung und eine analoge Anwendung vergleichbarer Regelungen kommt ebenso wenig in Betracht. Fest steht, dass eine Abmahnung dann aus der Personalakte zu löschen ist, wenn auf der einen Seite ihre Warnfunktion verwirkt ist und auf der anderen Seite kein länger andauernder Speicherzweck besteht. Die Warnfunktion der Abmahnung besteht nicht unendlich, da insbesondere leichte Pflichtverletzungen im menschlichen Zusammenleben hinzunehmen sind. Sämtliche Zwecke zur Speicherung entfallen, wenn die Abmahnung für die Beendigung oder Durchführung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erforderlich ist. Nach der Rechtsprechung ist die Dauer der Verwirkung abhängig von der Schwere eines Verstoßes. Während die Abmahnung wegen einer einfachen Pflichtverletzung bereits nach 16 Monaten verwirken kann, beträgt diese Frist bei sehr schweren Pflichtverletzungen im Einzelfall zehn Jahre oder länger. Indiz für die Dauer ist insbesondere die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie das Bestehen von vorherigen, gleichartigen Pflichtverletzungen. In Anbetracht dieser vielfältigen Zeitspannen ist es wichtig, individuelle Regelungen im Unternehmen zu erarbeiten. VII. Fazit Mit dem am 01.01.2025 in Kraft getretenen Bürokratieentlastungsgesetz wurden einige Aufbewahrungsfristen verkürzt. Da die gesetzlichen Vorgaben sich im ständigen Wandel befinden, neue Datenarten entwickelt werden und zusätzliche Cyber-Bedrohungen entstehen, sollte auch ein Konzept zur Datenlöschung regelmäßig überprüft und angepasst werden. Ein durchdachtes Löschkonzept für Personaldokumente bietet Rechtsklarheit, Effizienz und Datensicherheit. Unternehmen sollten daher frühzeitig handeln und Löschprozesse in ihre Personal- und IT-Systeme integrieren. Wir unterstützen Sie gerne bei der Erarbeitung eines Löschkonzeptes für Ihr Unternehmen. Füllen Sie hierzu gerne unser Kontaktformular aus.

Mit Urteil vom 28.01.2025 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Az: 9 AZR 48/24) entschieden, dass Arbeitgeber Entgeltabrechnungen wirksam erteilen können, indem sie diese in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellen. Das BAG stellte klar, dass auf diese Weise der gesetzlich vorgeschriebenen Textform im Sinne des § 126b BGB Genüge getan werde. Die Einrichtung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs entspreche auch den Anforderungen des § 108 GewO. Es bestehe kein Anspruch auf Erteilung von Abrechnungen in Papierform. Vielmehr begründe der gesetzliche Anspruch auf Erteilung einer Entgeltabrechnung eine Holschuld, die der Arbeitgeber grundsätzlich dadurch erfüllen könne, dass er die Abrechnung in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstelle. I. Sachverhalt und Hintergründe Im dem Verfahren, das dem BAG-Urteil zugrunde liegt, hatte sich eine Arbeitnehmerin dagegen gewehrt, dass ihre Abrechnung nur digital in ihr Postfach eingestellt wurde. Sie vertrat die Auffassung, ihr Anspruch auf Erteilung von Entgeltabrechnungen sei durch die Bereitstellung elektronischer Entgeltabrechnungen in einem digitalen Mitarbeiterpostfach nicht erfüllt worden. Aus § 108 Abs. 1 GewO folge die Notwendigkeit der postalischen Übermittlung. Außerdem hätte sie der Verwendung eines Mitarbeiterpostfaches vor dessen Inbetriebnahme zustimmen müssen. Dem stehe allerdings ihr ausdrücklich erklärter Widerspruch entgegen. Die Klägerin beantragte, ihr auch weiterhin ihre Abrechnungen postalisch zu übermitteln. Die Beklagte begründet ihren Klageabweisungsantrag damit, dass § 108 Abs. 1 GewO kein Zugangserfordernis im Sinne des § 130 Abs. 1 BGB vorgebe. Es sei daher ausreichend, wenn dem Mitarbeiter die Möglichkeit gegeben werde, über ein digitales Postfach auf seine Entgeltabrechnungen zuzugreifen. Das im vorliegenden Fall verwendete Programm stelle eine ausreichende Empfangsvorrichtung dar, die mit einem Briefkasten im Machtbereich des Mitarbeiters vergleichbar sei. Nachdem erstinstanzlich beim Arbeitsgericht zuungunsten der Klägerin entschieden worden war, gab das Landesarbeitsgericht Niedersachsen der Klage der Klägerin statt. Das BAG sah die Revision der Beklagten als begründet an und hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf. Das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte den Anspruch der Klägerin aus § 108 Abs. 1 GewO auf Erteilung der Entgeltabrechnungen nicht durch die Einstellung in das digitale Mitarbeiterpostfach erfüllt habe. Es bestehe kein Anspruch auf Erteilung von Abrechnungen in Papierform. II. Erteilung von Entgeltabrechnungen unter Berücksichtigung von § 108 GewO, § 126b BGB und § 130 BGB Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO ist dem Arbeitnehmer bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Nach Satz 2 muss eine solche Abrechnung mindestens Angaben zu Abrechnungszeitraum und Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthalten. Nach Auffassung des BAG setzt § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO aber nicht voraus, dass die Lohnabrechnung dem Arbeitnehmer entsprechend § 130 Abs. 1 BGB zugehen müsse. Bei Entgeltabrechnungen handele es sich um Wissenserklärungen, auf die § 130 Abs. 1 BGB keine Anwendung finde. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO sei die Lohnabrechnung „zu erteilen“. Dies lasse sich als „zuteilwerden lassen“, „zukommen lassen“ lesen und enthalte demzufolge nicht das Erfordernis des Zugangs. Mit der Einstellung der Abrechnungen in ein digitales Postfach lasse der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Abrechnung zukommen, sodass die Voraussetzung des § 108 Abs. 1 GewO erfüllt sei. Der Arbeitgeber komme seiner Verpflichtung aus § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO nach, indem er die Abrechnungen in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstelle. Auf einen Zugang gem. § 130 Abs. 1 BGB komme es nicht an. Ferner sei es irrelevant, ob der Verwendung eines Mitarbeiterpostfachs zugestimmt werde. Soweit durch Gesetz Textform vorgeben sei, werde diese gem. § 126b BGB dadurch gewahrt, dass auf einem dauerhaften Datenträger eine lesbare Erklärung abgegeben werde, in der die Person des Erklärenden genannt sei. Ein dauerhafter Datenträger sei jedes Medium, das es dem Empfänger ermögliche, eine sich auf diesem befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärungen so aufzubewahren oder zu speichern, dass er darauf zugreifen und die gespeicherte Erklärung unverändert wiedergeben könne. Diese Voraussetzungen seien durch ein digitales Mitarbeiterpostfach erfüllt. Aufgrund datenschutzrechtlicher Mechanismen wie Benutzernamen und Passwörtern, erhielten die Mitarbeiter einen sicheren Speicherbereich für die Entgeltabrechnungen, den der Arbeitgeber nicht nachträglich abändern könne. Durch die Einstellung in ein digitales Postfach werde dem Mitarbeiter auch ausreichend transparent mitgeteilt, warum gerade der genannte Betrag ausgezahlt werde. Darüber hinaus erfülle die digitale Einstellung von Lohnabrechnungen auch in örtlicher Hinsicht die Voraussetzungen des § 108 GewO. Beim Anspruch auf Erteilung einer Lohnabrechnung nach § 108 Abs. 1 GewO handele es sich um eine Holschuld, bei der Leistungshandlung und -erfolg in der Sphäre des Arbeitgebers liegen würden. Demnach seien Arbeitspapiere vom Arbeitnehmer grundsätzlich in der Niederlassung des Arbeitgebers abzuholen. Dies betreffe alle Dokumente, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer über das Arbeitsverhältnis zu erteilen habe. Der Arbeitgeber sei somit von seiner Leistungspflicht befreit, wenn er die Leistung bereitstelle. Dafür genüge auch das digitale Mitarbeiterpostfach. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Abrechnungen dem Mitarbeiter auch tatsächlich zugehen. Allerdings habe der Arbeitgeber die Pflicht, solchen Beschäftigten, die keine eigene Möglichkeit zum digitalen Abruf haben, die Möglichkeiten zu gewähren, den Abruf z.B. im Betrieb vorzunehmen. III. Fazit Das Urteil führt zu einer deutlichen Erleichterung für den Arbeitgeber bzw. die lohnabrechnende Stelle. Der Arbeitgeber ist nicht mehr verpflichtet, alle Abrechnungen auszudrucken und per Post an seine Arbeitnehmer zu versenden. Auch wenn viele Arbeitgeber in den letzten Jahren bereits auf digitale Abrechnungen umgestellt haben, wird diese Praxis doch erst durch das Urteil des BAG rechtssicher. Die digitale Abrechnung ist nur ein Beispiel dafür, dass die Digitalisierung in der Lohnabrechnung schon lange Einzug gehalten hat. Gerade der Bereich der Lohnbuchhaltung erfordert aber auch einen rechtssicheren und effizienten Prozess, der für beide Seiten hinreichend nachvollziehbar ist. Wenn Sie sich mit digitalen Entgeltabrechnungen beschäftigen oder darüber nachdenken, wie sich Ihre Entgeltabrechnung effizienter gestalten lässt, helfen wir Ihnen gerne weiter. Unser „Team Lohn“, das aus sieben hochqualifizierten Mitarbeitern besteht, berät Sie zuverlässig, transparent und rechtssicher im Bereich der Lohnbuchhaltung und hilft Ihnen bei allen Fragen, die sich in diesem Zusammenhang ergeben können, gerne weiter. Füllen Sie hierzu gerne unser Kontaktformular aus.

Mit seinem Urteil vom 09.01.2025 (C 394/23) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) neue Aspekte der Diskussion um den Datenschutz im digitalen Raum beleuchtet. Gegenstand des Verfahrens war die Wahl einer binären Anrede beim Online-Ticketkauf, die Kunden verpflichtete, zwischen den Optionen „Herr“ oder „Frau“ zu wählen – ohne Möglichkeit, das Feld offen zu lassen oder alternative Bezeichnungen auszuwählen. Das Urteil befasst sich mit den Anforderungen an die Datenverarbeitung nach der Datenschutz-Grundverordnung (DS GVO) und der inklusiven Gestaltung digitaler Geschäftsprozesse. I. Ausgangslage: Binäre Anrede beim Online-Ticketkauf Im zugrundeliegenden Fall ging es um den Online-Verkauf von Bahnfahrten, bei welchem die Nutzer im Rahmen ihrer Buchung zwingend eine geschlechtsspezifische Anrede angeben mussten. Anders als bei vielen Online-Formularen, die alternative Optionen wie „divers“ oder „keine Angabe“ zur Verfügung stellen, wurde hier ausschließlich die Auswahl zwischen „Herr“ und „Frau“ angeboten. Der EuGH hinterfragte, ob die Datenverarbeitung – in diesem Fall die Angabe einer Anrede – für den Abschluss des Vertrags erforderlich ist. Auslegung der DS-GVO Die zuvor befasste französische Datenschutzbehörde lehnte den Antrag auf Überprüfung der binären Anrede ab. Sie war der Ansicht, Online-Ticketverkäufe seien Teil des geschäftlichen Alltags, sodass weite Maßstäbe anzulegen seien. Der EuGH hingegen vertrat eine wesentlich restriktivere Auslegung der DS GVO und lehnte im vorliegenden Fall letztendlich die datenschutzrechtliche Zulässigkeit einer binären Anrede ab. In seinem Urteil überprüfte er die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 lit. a), b) und f) DS-GVO. II. Datenverarbeitung zur Erfüllung des Vertrages Nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) DS-GVO kann die Verarbeitung von Daten zur Erfüllung des Vertrags erforderlich sein. Der EuGH hat hierzu mehrfach klargestellt, dass die Datenverarbeitung zur Vertragserfüllung objektiv unerlässlich sein und die verantwortliche Person nachweisen muss, dass der Vertrag ausschließlich durch die entsprechende Verarbeitung erfüllt werden kann. Die bloße Erleichterung der Vertragsabwicklung reicht nicht aus. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die vertraglichen Dienstleistungen so beschaffen sein müssten, dass sie sich nur an eine bestimmte Geschlechtsidentität richten – ein Kriterium, das in den seltensten Buchungsszenarien gegeben sein dürfte. Die Gegenseite brachte vor, dass die Verarbeitung in Form der binären Anrede unerlässlich sei, um den Bedürfnissen der Reisenden gerecht zu werden, beispielsweise bei Platzreservierungen für Frauen in Nachtzügen. Weiter entspräche die Anrede mit „Herr“ oder „Frau“ der gängigen Verkehrssitte. Nach dem EuGH fehlt es an dieser Notwendigkeit. Zum einen beträfen nicht alle Ticketbuchungen Nachtzüge und zum anderen gäbe es neben der binären Anrede andere Möglichkeiten der Ansprache. Demnach ließe sich die vorliegende Datenverarbeitung nicht auf Art. 6 Abs. 1 lit. b) DS-GVO stützen. III. Datenverarbeitung zur Wahrung berechtigter Interessen Die Zulässigkeit der Verarbeitung könnte sich aber aus der Wahrung berechtigter Interessen nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO ergeben. Dazu müsste die verantwortliche Person nachweisen, dass ihrerseits berechtigte Interessen bestehen, die die Datenverarbeitung erforderlich machen und sich in einer Interessenabwägung im konkreten Einzelfall keine überwiegenden Interessen der betroffenen Personen ergeben. Das berechtigte Interesse ist weit zu fassen und umfasst grundsätzlich alle anerkannten, nicht rechtswidrigen Belange der Verantwortlichen. Marketingzwecke oder geschäftliche Konventionen können also derartige Interessen darstellen. Ein Erfordernis der Datenverarbeitung ist allerdings nur dann zu bejahen, wenn das berechtigte Interesse nicht ebenso wirksam mit anderen, weniger eingriffsintensiven Mitteln in zumutbarer Weise erreicht werden kann. Alternativ zur Verwendung der binären Anrede könnte im vorliegenden Fall eine allgemeine Ansprache gewählt oder ein Freitextfeld zur Verfügung gestellt werden. Jedenfalls überwiegen aber die Interessen der betroffenen Personen, sodass die Interessenabwägung – in welcher auf Seiten der Betroffenen insbesondere das Recht auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten zu berücksichtigen sind – gegen eine Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO spricht. Personen mit einer nicht binären Geschlechtsidentität sind nach dem BVerfG in der Gesellschaft besonders schützenswert (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16). IV. Datenverarbeitung nach Einwilligung Das Gericht beleuchtete auch die Möglichkeit einer Einwilligung in die Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) DS-GVO. Deren Zulässigkeit im konkreten Fall ließ der EuGH in seiner Entscheidung offen, verwies aber auf die praktischen Schwierigkeiten einer Einwilligung in die Datenverarbeitung im Rahmen des Buchungsprozesses. Im Hinblick auf den Grundsatz der Datenminimierung aus Art. 5 Abs. 1 lit. c) DS-GVO könnten nutzerfreundliche Abläufe gefährdet werden. Darüber hinaus könnte eine Einwilligung in die Datenverarbeitung durch die betroffene Person jederzeit widerrufen werden, sodass es sich hierbei um eine wenig praktikable Lösung handele. V. Verbandsinitiative und Vorabentscheidungsverfahren Eine Besonderheit des Falles bestand darin, dass die Initiative zur Einleitung des Ausgangsverfahrens nicht von einer betroffenen natürlichen Person, sondern von einem französischen Verband ausging, welcher sich gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung einsetzt. Nach Art. 80 DS-GVO können die Mitgliedsstaaten bei der Verletzung von Datenschutzrechten auch Klagen und Beschwerden von Verbänden zulassen, was sowohl im französischen als auch im deutschen Recht umgesetzt wurde. Das nationale Gericht ersuchte sodann den EuGH um Auslegung der DS-GVO im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV. VI. Sanktionen und Bußgelder bis zu 20 Millionen Euro Die zuständige Aufsichtsbehörde kann bei Verstößen gegen Art. 6 DS-GVO weitreichende Maßnahmen ergreifen. Neben der Verwarnung des Unternehmens oder der Anweisung zur Berichtigung und Löschung der Daten können nach Art. 83 DS-GVO Bußgelder in Höhe von bis zu 20 Millionen Euro oder 4 Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens verhängt werden. Darüber hinaus können betroffene Personen gemäß Art. 82 DS-GVO Ersatz für die Schäden verlangen, die ihnen durch die ungerechtfertigte Verarbeitung ihrer Daten entstanden sind. Auch die öffentliche Wahrnehmung spielt eine entscheidende Rolle: Die Bekanntmachung eines Verstoßes kann zu einem erheblichen Reputationsverlust für das Unternehmen führen und das Vertrauen der Kunden nachhaltig erschüttern. VII. Auswirkungen auf den Online-Handel Das Urteil des EuGH könnte wesentliche Auswirkungen auf den Online-Handel haben. Unternehmen sind dazu angehalten, ihre Formulare und Datenverarbeitungsprozesse anzupassen, um deren datenschutzrechtliche Zulässigkeit und gesellschaftliche Inklusivität zu gewährleisten und teure Bußgelder sowie Imageschäden zu vermeiden. Dies gilt nicht nur für den Online-Ticketverkauf, sondern lässt sich auch auf andere Geschäftsmodelle, bei denen personenbezogene Daten erhoben werden, erweitern. Zur Umsetzung der Vorgaben des EuGH könnte die Frage nach der Geschlechtsidentität entfernt und durch neutrale Anredeformen – zum Beispiel „Guten Tag“ – ersetzt werden. Alternativ könnte das im Rahmen einer Buchung auftretende Feld zur Anrede insoweit umgestaltet werden, dass Unternehmen den Nutzern ein Freitextfeld zur Verfügung oder weitere Optionen – beispielsweise „divers“ oder „keine Angabe“ – zur Auswahl stellen. VIII. Fazit Der EuGH stellt in seinem Urteil klar, dass die verpflichtende Auswahl einer binären Anrede nicht mit den Prinzipien der DS-GVO vereinbar ist, sofern keine unerlässliche Notwendigkeit einer solchen Ansprache für die Erfüllung und Durchführung des Vertrages besteht. Die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 DS-GVO sind demnach eng auszulegen. Unternehmen sollten daher ihre Datenverarbeitungsprozesse kontrollieren und unklare oder pauschale Abfragen nicht ohne vorherige datenschutzrechtliche Prüfung einsetzen. Schließlich öffnet das Urteil Raum für weiterführende Diskussionen zur zukünftigen Ausrichtung der Verarbeitung personenbezogener Daten und verdeutlicht, dass zur Gewährung von Datenschutz im digitalen Zeitalter Anpassungsfähigkeit gefordert wird. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Nehmen Sie gerne z.B. über unser Kontaktformular Kontakt mit uns auf.

Mit dem Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ haben die Regierungsparteien (CDU, CSU und SPD) ihre steuerpolitische Agenda für die kommende Legislaturperiode vorgestellt. Neben Reformen im Unternehmenssteuerrecht setzt der Vertrag auch auf finanzielle Entlastungen für Privatpersonen, die Förderung von Investitionen und Digitalisierung sowie erste Schritte in Richtung Bürokratieabbau. Dieser Beitrag fasst die wichtigsten Vorhaben im Steuerbereich verständlich zusammen. I. Änderungen im Unternehmenssteuerrecht Ein zentrales Anliegen der neuen Koalition ist die Anpassung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen, die Regierung plant in diesem Bereich: a) Senkung der Körperschaftsteuer: Ab 2028 soll der Körperschaftsteuersatz – also die Steuer, die Kapitalgesellschaften auf ihre Gewinne zahlen – in fünf Schritten jährlich um einen Prozentpunkt gesenkt werden. Bis 2032 würde der Satz somit von 15% auf 10 % fallen. b) Einheitliche Besteuerung von Neugründungen: Geprüft werden soll außerdem, ob ab 2027 alle neu gegründeten Unternehmen – unabhängig von ihrer Rechtsform – pauschal der Körperschaftsteuer unterliegen können. Dann würde für alle jungen Betriebe zunächst das gleiche Steuerregime gelten, egal ob sie als GmbH, Einzelunternehmen oder Personengesellschaft starten. c) Investitions-Booster: Für die Jahre 2025 bis 2027 ist eine degressive Abschreibung in Höhe von 30 Prozent auf Ausrüstungsinvestitionen geplant – etwa für die Anschaffung von Maschinen oder technischen Geräten. Unternehmen können so einen größeren Teil der Anschaffungskosten direkt im ersten Jahr steuerlich geltend machen. Die Koalition möchte so Investitionen ankurbeln. d) Anhebung des Mindesthebesatzes bei der Gewerbesteuer: Um innerdeutsche „Steueroasen“ zu vermeiden, soll der Mindesthebesatz der Gewerbesteuer von 200 % auf 280 % steigen. Damit sollen alle Kommunen verpflichtet werden, ein gewisses Mindestmaß an Gewerbesteuer zu erheben – das sorgt für fairere Wettbewerbsbedingungen zwischen den Städten und Gemeinden. Für Unternehmen bedeutet dies jedoch unter Umständen eine höhere Gewerbesteuer. e) Modernisierung der Besteuerung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen: Auch bei der Besteuerung von Personengesellschaften – also zum Beispiel bei einer GbR, OHG oder KG – und Einzelunternehmen kündigt die Koalition Verbesserungen an. Konkret geht es um steuerliche Sonderregelungen, namentlich um die sogenannte Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG, bei der eine Verschiebung der Besteuerung in die Zukunft möglich wird, sowie das sogenannte Optionsmodell nach § 1a KStG, bei dem insbesondere Personengesellschaften freiwillig wie Kapitalgesellschaften besteuert werden können. Was genau verbessert werden soll, bleibt im Koalitionsvertrag allerdings unklar. f) Einfuhrumsatzsteuer Verrechnungsmodell: Die Koalition plant, die bisherige Vorauszahlung der Einfuhrumsatzsteuer abzuschaffen. Stattdessen soll ein Verrechnungsmodell eingeführt werden. Es ist geplant, dass das Unternehmen statt Geld an den Zoll zu überweisen und später über das Finanzamt zurückzuerhalten, die fällige Einfuhrumsatzsteuer einfach mit der regulären Umsatzsteuerschuld verrechnet wird. Das könnte Unternehmen Liquidität und Zeit sparen. II. Steuerpläne für Privatpersonen Auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Rentnerinnen und Rentner sieht der Koalitionsvertrag steuerliche Entlastungen vor: a) Einkommensteuer: Für kleine und mittlere Einkommen plant die Regierung eine Senkung der Einkommensteuer – allerdings erst in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode. Wann genau und in welchem Umfang diese Entlastung kommen soll, bleibt im Koalitionsvertrag allerdings offen. b) Steuerfreie Überstundenzuschläge: Zuschläge für Überstunden, die über die reguläre vertraglich oder tariflich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, sollen künftig steuerfrei sein. Damit will die Regierung Anreize für zusätzliche Arbeitsleistung schaffen. c) Anreize für längeres Arbeiten im Alter: Wer über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus arbeitet, soll bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei verdienen dürfen. Damit sollen ältere Arbeitnehmer ermutigt werden, freiwillig länger im Berufsleben zu bleiben. d) Teilzeit auf Vollzeit: Prämien, die Arbeitgeber zahlen, wenn Beschäftigte von Teilzeit in Vollzeit wechseln, sollen steuerlich begünstigt werden – vorausgesetzt ist aber wohl, dass die neue Vollzeitstelle sich an geltenden Tarifverträgen orientiert. So soll mehr Arbeitskraft aktiviert und dem Fachkräftemangel begegnet werden. e) Arbeitstagepauschale: Geplant ist zudem die Einführung einer Arbeitstagepauschale, mit der Werbungskosten für Arbeitnehmer pauschal erfasst werden sollen. Wie diese neue Pauschale konkret ausgestaltet wird und welche bisherigen Abzugsmöglichkeiten dadurch möglicherweise entfallen, ist derzeit ebenfalls unklar. III. Digitalisierung und Bürokratieabbau Die neue Regierung setzt auf Vereinfachung und Digitalisierung im Steuerrecht: a) Selbstveranlagung für Unternehmen: Körperschaften und Personengesellschaften sollen künftig ihre Steuererklärungen eigenverantwortlich erstellen und einreichen – die sogenannte Selbstveranlagung soll schrittweise eingeführt werden. b) Mehr digitale Steuererklärungen: Die elektronische Abgabe von Steuererklärungen soll zur Regel werden. Für einfache Fälle sind zudem automatisierte und vorausgefüllte Steuererklärungen geplant – ein Schritt hin zu weniger Aufwand für Steuerpflichtige. IV. Umsatzsteuersatz für Speisen Der Umsatzsteuersatz für Speisen in der Gastronomie soll ab Januar 2026 dauerhaft auf 7% reduziert werden. Mit dieser Maßnahme will die Regierung die wirtschaftliche Stabilität der Gastronomiebetriebe sichern und Arbeitsplätze in der Branche erhalten. Die Absenkung war ursprünglich als Krisenmaßnahme eingeführt worden – nun soll sie als strukturelle Unterstützung dauerhaft bestehen bleiben. V. Mitarbeiterkapitalbeteiligung Beschäftigte sollen künftig stärker am Unternehmenserfolg beteiligt werden können. Die Regierung plant, die sogenannten Mitarbeiterkapitalbeteiligungen durch einfachere steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Regelungen attraktiver zu machen. Konkrete Maßnahmen sind im Koalitionsvertrag allerdings noch nicht genannt. VI. Stromsteuer Zur kurzfristigen Entlastung der Bürgerinnen und Bürger plant die Koalition eine Senkung der Stromsteuer für Unternehmen und Verbraucher auf das europarechtlich zulässige Mindestmaß. Ziel ist eine Reduzierung des Strompreises um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde. VII. Förderung von E-Mobilität und Mobilität allgemein a) E-Mobilität: Die steuerliche Förderung von Elektro-Dienstwagen soll ausgeweitet werden. Dazu soll die Preisgrenze für begünstigte Fahrzeuge auf 100.000 Euro angehoben werden. Außerdem sind eine Sonderabschreibung für Elektrofahrzeuge sowie eine Kfz-Steuerbefreiung bis 2035 vorgesehen. b) Pendlerpauschale: Ab dem Jahr 2026 soll die Pendlerpauschale auf 38 Cent pro Kilometer ab dem ersten Kilometer erhöht werden. VIII. Solidaritätszuschlag Der Solidaritätszuschlag soll weiterhin bestehen bleiben – daran ändert sich auch mit dem neuen Koalitionsvertrag nichts. Diese Entscheidung steht im Einklang mit einem aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26.03.2025. Das Gericht hat klargestellt, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, den „Soli“ vollständig abzuschaffen. Die Bundesregierung sieht insofern keinen Handlungsbedarf. Eine Änderung an der bestehenden Regelung wird es nicht geben. Fazit: Viel Ankündigungen – Wenig Konkretes Der Koalitionsvertrag 2025 enthält zahlreiche steuerpolitische Vorhaben, darunter Entlastungen, Investitionsanreize und Digitalisierungsschritte. Allerdings bleiben viele dieser Vorhaben bislang auf der Ebene von Absichtserklärungen. Wie und ob sie konkret umgesetzt werden, ist offen und wird sich erst im Laufe der Legislaturperiode zeigen. Steuerpflichtige – ob privat oder unternehmerisch – sollten daher aufmerksam bleiben und die weitere Entwicklung genau verfolgen. Sollten Sie zu den steuerlichen Themen Fragen haben oder eine individuelle Beratung wünschen, stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. Nehmen Sie hierzu Kontakt zu unserem Kollegen Nils Pinzke auf oder f üllen Sie das Kontaktformular aus. Wir danken unserem Rechtsreferendar Jan Haupt für die tatkräftige Unterstützung zu diesem Beitrag.