I. Das Berliner Testament
Das sogenannte Berliner Testament ist ein gemeinschaftliches Testament, bei dem die Eheleute in erbrechtlicher Hinsicht wechselseitige Verfügungen von Todes wegen treffen. Die Ehegatten setzen sich gegenseitig als Alleinerben ein, wodurch das Vermögen des verstorbenen Ehegatten zuerst auf den noch lebenden Ehegatten und erst nach dessen Versterben auf einen bzw. auf mehrere gemeinsam benannte Dritte übergehen soll. Diese „Dritten“ sind dann die Schlusserben, bei welchen es sich typischerweise um die gemeinsamen Kinder der Erblasser handelt. Die Vorteile durch das gemeinsame Testament liegen zunächst auf der Hand – der überlebende Ehegatte wird durch das Vermögen des Verstorbenen in wirtschaftlicher Hinsicht abgesichert und es besteht Klarheit über den Übergang des Vermögens im Sterbefall. Zudem kann die gesetzliche Erbfolge durch das Berliner Testament verändert werden, so dass beispielsweise unliebsame Erben lediglich einen geringeren Erbteil oder sogar nur den Pflichtteil erhalten. Allerdings können beim Berliner Testament erhebliche erbschaftsteuerliche Nachteile entstehen, die die zuvor genannten Vorteile überwiegen können.
II. Abweichung von der gesetzlichen Erbfolge
Die gesetzliche Erbfolge sieht zunächst die Abkömmlinge als vorrangige Erben an. Neben ihnen steht dem überlebenden Ehegatten ein Viertel der Erbschaft zu. Zusätzlich wird der durch die Beendigung der Ehe durch den Tod des Ehegatten durchzuführende Zugewinnausgleich pauschal durch die Erhöhung der Erbquote um ein Viertel ausgeglichen. Damit einhergehende Pflichtteilsprobleme als zivilrechtliche Folgen sollen in diesem Steuer-Tipp nicht behandelt werden. Durch die Einsetzung der Ehegatten als Alleinerben, werden damit (zumindest vorerst) die Abkömmlinge und übrigen gesetzlichen Erben enterbt und erst mit dem Ableben des länger lebenden Ehegatten Erben.
III. Erbschaftsteuerliche Folgen des Berliner Testaments
Aus erbschaftsteuerlicher Sicht wird das gesamte Vermögen des Erblassers zunächst beim Übergang auf den überlebenden Ehegatten als Erwerb im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes erfasst. Dem länger lebenden Ehegatten steht ein Freibetrag i.H.v. € 500.000 und zudem ein besonderer Versorgungsfreibetrag i.H.v. € 256.000 zu. Daneben können unter Umständen auch weitere Steuerbefreiungen greifen. Nur sofern die Erbmasse diese Beiträge übersteigt, kommt es zu einer Erbschaftsbesteuerung. Da der Ehegatte Alleinerbe ist, können die Freibeträge der Kinder – € 400.000 pro Kind pro Erblasser – nicht ausgeschöpft werden, so dass u.U. erhebliche Steuererhöhungen in fünf bis sechsstelliger Höhe die Folgen sind.
Verstirbt der länger lebende Ehegatte, wir dessen (um die vorherige Erbschaft angereichertes) Vermögen auf die Abkömmlinge bzw. den oder die Schlusserben übertragen und hierbei erneut besteuert. Dieses Vermögen hat somit zum Teil schon vorher der Erbschaftsbesteuerung unterlegen. Bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise ergibt sich folglich teilweise eine Doppelbesteuerung des Vermögens der Ehegatten. Der Gesetzgeber mildert dies in wenigen Einzelfällen dadurch ab, in dem er für den mehrfachen Erwerb desselben Vermögens teilweise eine Ermäßigung vorsieht, sofern zwischen den beiden Erbfällen, die dasselbe Vermögen betreffen, nicht mehr als 10 Jahre liegen. Die Ermäßigung verringert sich aber, je mehr Jahre seit dem ersten Erbfall verstrichen sind.
Liegt der erste Erbfall beim Tode des länger lebenden Ehegatten weniger als ein Jahr zurück, so kann eine Ermäßigung des Steuerbetrags um 50% erfolgen, liegt der Erbfall mehr als 8 Jahre zurück, beträgt die Ermäßigung nur noch 10% des Steuerbetrags. Aus Sicht der Kinder der Erblasser gilt der letzte Erwerb als ein Erwerb vom letztverstorbenen Erblasser, so dass der oben genannte Freibetrag i.H.v. € 400.000 nur einmal in Ansatz gebracht werden kann. Freibeträge zu den Kindern gehen somit beim Berliner Testament verloren.
Wären schon beim ersten Erbfall neben dem Ehegatten auch die Kinder und gegebenenfalls Enkelkinder mit einem Teil des Vermögens bedacht worden, hätte dies zu einer deutlichen Steigerung des erbschaftsteuerlichen Freibetragsvolumens führen können. Dieses Freibetragsvolumen „verfällt“ beim Berliner Testament mangels weiterer Erben im ersten Erbfall. Das Ausloten von möglichen Modifizierungen des klassischen Berliner Testaments kann sich daher unter erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten lohnen. Nachfolgend sollen zwei Instrumente zur Verminderung von erbschaftsteuerlichen Nachteilen im Zusammenhang mit dem Berliner Testament dargestellt werden.
IV. Erbschaftsteuerliche Nachteile durch Gestaltungen beseitigen
1) Anordnung von Vermächtnissen
Das klassische Berliner Testament kann, ohne dass die Erbenstellung des länger lebenden Ehegatten angetastet wird, um Vermächtnisse ergänzt werden. Durch ein Vermächtnis kann jemand, der nicht Erbe ist, mit einem konkreten Vermögensgegenstand oder einer konkreten Geldsumme bedacht werden. Die Vermächtnisse sind dabei möglichst so anzuordnen, dass sie aus den liquiden Mitteln des Vermögens der Ehegatten aufgebracht werden können. Zudem sollte bei der Bestimmung der Höhe der Vermächtnisse die erbschaftsteuerlichen Freibeträge als Obergrenze herangezogen werden. Damit die Ansprüche aus Vermächtnissen nicht in Verbindung mit der etwaigen Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen der (vorerst) enterbten Kinder zu einer übermäßigen Belastung der Liquidität des länger lebenden Ehegatten führen und dessen angestrebte wirtschaftliche Absicherung gefährden, kann eine Pflichtteilsstrafklausel in das Testament aufgenommen werden. Diese Klausel sieht typischerweise vor, dass ein Abkömmling bei Einforderung des Pflichtteils beim ersten Erbfall seinen Anspruch auf das Erbe desjenigen Ehegatten verliert, welcher als letztes stirbt. Hierdurch besteht ein hoher Anreiz, den Pflichtteil nicht geltend zu machen, und entsprechend ein hoher Schutz für die Vermögenssubstanz des länger lebenden Ehegattens.
2) Lebzeitige Schenkungen unter Nießbrauch
Die lebzeitige Übertragung von Vermögensgegenständen unter Vorbehalt eines Nießbrauchrechts kann im Zusammenhang mit einem Berliner Testament erbschaftsteuerliche Nachteile im Vorfeld ausgleichen. Der Nießbrauch bezeichnet ein grundsätzlich nicht übertragbares, nicht vererbbares dingliches Recht, das den Rechtsinhaber dazu befugt, die Nutzungen aus dem belasteten Vermögen zu ziehen. Dieses Recht erlischt mit dem Tod des Nießbrauchberechtigten. Befindet sich in der Erbmasse beispielsweise eine vermietete Immobilie, so kann diese schon zu Lebzeiten gegen Gewährung eines Nießbrauchs schenkweise auf die späteren Schlusserben übertragen werden. Im Rahmen der Schenkung gegen Nießbrauch können erbschaft- bzw. schenkungsteuerliche Freibeträge ausgeschöpft werden. Der Wert des Nießbrauchs wird bei der Ermittlung des Wertes der Schenkung zudem in Abzug gebracht. Die Erträge aus der Vermietung stehen aber weiter den Nießbrauchberechtigten, d.h. den Ehegatten, zu. Die dann im Rahmen der Schlusserbschaft bei Ableben des länger lebenden Ehegatten zu übertragende Erbmasse ist bereits um die zuvor schenkweise übertragene Immobilie verringert, so dass die erbschaftsteuerlichen Freibeträge ausreichend sein können, um die Erbschaftsteuerbelastung gering zu halten.
Durch das Berliner Testament kann der andere Ehegatte in wirtschaftlicher Hinsicht abgesichert und die gesetzliche Erbfolge geändert werden. Gerade die wirtschaftliche Absicherung des länger lebenden Ehegattens steht bei diesem besonderen Testament im Vordergrund. Trotzdem sollten erbschaftsteuerliche Aspekte nicht komplett in den Hintergrund geraten. Diesbezüglich gilt es gegebenenfalls Vorkehrungen zu treffen, damit die Absicherung des Ehegattens nicht mit unnötig hoher Erbschaftsteuer für die Nachkommen erkauft werden muss. Je nach Struktur des Vermögens der Ehegatten und nach Volumen des Vermögens sollten Gestaltungen ausgelotet werden, um die Erbschaftsteuerbelastung gering zu halten.