I. Ausgangslage
Mit der Verabschiedung zweier Änderungsgesetze durch den Bundestag im Sommer 2021 kommt es zu nicht unerheblichen Änderungen im „neuen“ Kaufrecht. Die entsprechenden Gesetze sind am 01.01.2022 in Kraft getreten, was bedeutet, dass das „neue“ Kaufrecht auf Kauf- bzw. Verbrauchsgüterkaufverträge Anwendung findet, die ab dem 01.01.2022 geschlossen wurden. Die Änderungen betreffen dabei sowohl das allgemeine Kaufrecht als auch Neuerungen im Bereich des digitalen Kaufrechts, welche der Umsetzung der Digitalen-Inhalte-Richtlinie im Verbrauchsgüterkaufrecht geschuldet sind. Damit verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, für eine Harmonisierung innerhalb der Europäischen Union im Hinblick auf die weiter voranschreitende Digitalisierung zu sorgen. Die Neuregelungen betreffen insoweit insbesondere Produkte mit digitalen Funktionen, aber auch der für das Kauf- und Gewährleistungsrecht entscheidende Sachmangelbegriff wird durch die Neureglungen modifiziert.
II. Neue Rechtslage
Durch die Änderungen ergeben sich sowohl Neuregelungen im Bereich des allgemeinen Kaufrechts, insbesondere im Bereich des Sachmangelgewährleistungsrechts, als auch weitreichende Neuregelungen im Bereich des Verbrauchsgüterkaufrechts.
1. Änderungen im allgemeinen Kaufrecht
Eine erhebliche Neuregelung erhält das allgemeine Kaufrecht mit dem neuen Sachmangelbegriff in § 434 BGB, welcher grundsätzlich für sämtliche Kaufverträge inklusive des Verbrauchsgüterkaufs und des Handelskaufs Anwendung findet, soweit in diesen Bereichen nicht ausnahmsweise Sonderregelungen greifen. Durch die gesetzliche Definition des Sachmangelbegriffs wird bestimmt, wann eine Kaufsache frei von Sachmängeln ist. Eine Sache ist nach der Neuregelung nur dann frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen sowie den Montageanforderungen im Sinne der Vorschrift entspricht. Die wesentliche Veränderung des Sachmangelbegriffs liegt dabei darin, dass die Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen und die Sache selbst dann mangelhaft sein kann, wenn sie den subjektiven Anforderungen im Sinne des § 434 Abs. 2 BGB entspricht. Bisher waren die subjektiven Voraussetzungen nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt.
Neben der Neuregelung des Sachmangelbegriffs erfolgten auch einige Änderungen im Bereich des Nacherfüllungsanspruchs (§ 439 Abs. 3, 5 und 6 BGB) sowie in den Bereichen des Verkäuferregresses (§§ 445a, b BGB).
2. Verbrauchsgüterkaufrecht ("B2C")
Anknüpfungspunkt für das Verbrauchsgüterkaufrecht ist nach wie vor, dass ein Unternehmer mit einem Verbraucher einen Kaufvertrag abschließt. Allerding wird schon der Begriff des Kaufgegenstands für diesen Fall durch das neue Kaufrecht modifiziert.
a) Allgemeine Änderungen im Verbrauchsgüterkaufrecht
Der Begriff der „beweglichen Sache“ wird durch den Begriff der „Ware“ im Sinne von § 241a Abs. 1 BGB ersetzt. Das bedeutet z.B., dass Gegenstände, die aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verkauft werden, nicht von den Regelungen des Verbrauchsgüterkaufrechts erfasst werden. Zudem ist die Vorschrift des § 442 BGB, wonach die Rechte des Käufers ausgeschlossen sind, wenn er den Mangel bei Vertragsschluss kennt, auf Verbrauchsgüterkäufe nun unanwendbar (§ 475 Abs. 3 Satz 2 BGB). Eine wichtige Neuerung ist außerdem, dass bei der Geltendmachung von Schadensersatz und Rücktritt im Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufrechts das Erfordernis einer strikten Fristsetzung zur Nacherfüllung entfällt. Die Vorschrift des § 475 Abs. 5 Satz 1 BGB bestimmt nunmehr, dass der Unternehmer die Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat, und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchzuführen hat. Mit der Unterrichtung des Unternehmers über den Mangel durch den Verbraucher beginnt somit eine angemessene Frist zu laufen, wobei abzuwarten bleibt, wie die Gerichte auf die Neuregelung reagieren und wie die Angemessenheit dieser Frist im Einzelfall ausgestaltet sein wird.
Hinzu kommt, dass die Beweislastumkehr des § 477 BGB, wonach vermutet wird, dass die Ware bereits bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen ist, wenn sich innerhalb einer bestimmten Zeit ein Mangel zeigt, auf ein Jahr verlängert worden ist. Das bedeutet, dass sofern innerhalb eines Jahres nach Gefahrübergang der Ware ein Mangel auftritt, zugunsten des Verbrauchers vermutet wird, dass dieser Mangel von Anfang an vorgelegen hat. Zuvor lag dieser Zeitraum bei sechs Monaten.
b) Neue Vertragsart
Mit den §§ 327 ff. BGB entsteht eine neue Vertragsart, nämlich der „Verbrauchervertrag über digitale Produkte“. Der neue Begriff „digitale Produkte“ spielt hierbei eine zentrale Rolle. Digitale Produkte sind in digitaler Form erstellte und bereitgestellte Daten (sog. digitale Inhalte) sowie digitale Dienstleistungen. Digitale Inhalte können also z.B. Computerprogramme, aber auch Musik- oder Videodateien, elektronische Bücher etc. sein. Mit digitalen Dienstleistungen sind insbesondere Social-Media Dienste wie Facebook, Instagram oder TikTok, Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Plattformen und Datenbanken gemeint, die dem Verbraucher die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form und den Zugang oder die gemeinsame Nutzung solcher Daten ermöglichen.
Schwierigkeiten hierbei können sich insbesondere dann ergeben, wenn der Kaufgegenstand ein Film oder ein Computerspiel auf DVD oder CD ist. Handelt es sich nun um einen haptischen Kaufgegenstand im Sinne einer „Ware“ oder ein „digitales Produkt“ mit der Folge, dass der Verbrauchervertrag über digitale Produkte Anwendung findet? Eine Abgrenzung zwischen dem „allgemeinen“ Verbrauchsgüterkaufvertrag und dem über digitale Produkte kann dabei anhand der Vorschrift des § 475a BGB erfolgen. Soweit der Zweck des Datenträgers in Form der CD oder DVD ausschließlich darin besteht, als „Träger“ der sich darauf befindenden digitalen Inhalte zu fungieren, erklärt die Vorschrift des § 475a Abs. 1 BGB die §§ 327 ff. BGB für anwendbar und schließt die Anwendbarkeit einer Vielzahl von Regelungen des „allgemeinen“ Verbrauchsgüterkaufrechts aus.
Hingegen kommt es gemäß § 475a Abs. 2 BGB bei einem Verbrauchsgüterkauf über eine Ware, die in einer Weise digitale Produkte enthält oder mit digitalen Produkten verbunden ist, dass die Ware ihre Funktionen auch ohne diese digitalen Produkte erfüllen kann, zur Anwendbarkeit unterschiedlicher Gewährleistungsregelungen. Dieser Anwendungsbereich klingt erst einmal abstrakt, dürfte aber auf eine Reihe von Produkten Anwendung finden. Als Beispiel sei der Smart-Kühlschrank genannt, der neben seiner klassischen Funktion als Kühlschrank auch Entertainmentprogramme enthält oder Einkaufshinweise zur Verfügung stellt.
Bei solchen Produkten kommt es darauf an, ob es sich um einen Mangel der Ware selbst oder einen Mangel der darin enthaltenen oder damit verbundenen digitalen Produkte handelt. Im erstgenannten Fall würde die kaufrechtliche Gewährleistung, ggf. einschließlich der Regelungen über das Verbrauchsgüterkaufrecht greifen, im zweiten Fall wären die §§ 327 ff. BGB anwendbar. Häufig nicht ganz einfach abzugrenzen ist hierbei jedoch, ob das die Ware ihre Funktionen auch ohne Weiteres ohne die digitalen Produkte erfüllen kann oder nicht. Denn enthält eine Ware in einer Weise digitale Produkte oder ist mit diesen verbunden, dass sie ihre Funktion nicht ohne sie erfüllen kann, liegt ein Vertrag über digitale Produkte vor und die Vorschrift § 475b BGB ist im Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufvertrags und hinsichtlich der anzuwendenden Vorschriften zu beachten. Dies ist nicht zuletzt deshalb von Belang, weil für digitale Produkte und Waren mit digitalen Elementen Sonderbestimmungen für die Verjährung zu beachten sind (§ 327j BGB und § 475e BGB).
III. Unser Fazit
Die Neuregelungen sind umfangreich und die rechtlichen Fallstricke sowohl für Verbraucher als auch Unternehmer beachtlich. Aufgrund der teilweise erheblichen Erhöhung des Verbraucherschutzniveaus durch die Neuregelungen gilt insbesondere für Unternehmer Vorsicht walten zu lassen. Wir raten daher dazu, Produktangebote, Vertragsmuster und Allgemeine Geschäftsbedingungen zu überprüfen und an das neue Kaufrecht anzupassen. Hierbei stehen wir Ihnen mit Rat und Tat zur Seite und beantworten Ihre rechtlichen Fragenstellungen rund um das neue Kaufrecht.