Influencer und Content-Creator im Fokus: Finanzbehörde wertet Plattformdaten aus
Bereits in der Vergangenheit haben wir in unseren Beiträgen die steuerlichen und rechtlichen Aspekte rund um Influencer und Content-Creator beleuchtet. Nachdem die Finanzverwaltung einige Jahre den Schwerpunkt augenscheinlich nicht auf diese Steuerpflichtigen legte, ist aktuell eine deutliche Verschärfung seitens der Finanzämter zu beobachten: Von der Einrichtung von Sonder-Influencer-Teams bei den entsprechenden Behörden bis zur Zusammenarbeit mit den einschlägigen Online-Plattformen und der Initiierung neuer Ermittlungsmethoden: die Behörden gehen derzeit mit Nachdruck gegen Steuerhinterziehung im Bereich der Influencer und Content-Creator vor. So werden bereits jetzt Strafverfahren gegen in dieser Branche aktive Personen geführt. Gegenstand der Verfahren sind dabei im Durchschnitt steuerliche Fehlbeträge im hohen fünfstelligen Bereich, in Einzelfällen sogar in Millionenhöhe.
I. Die steuerlichen Fallstricke im Überblick
Die Wege, als Influencer und Content-Creator Einnahmen zu generieren, sind vielfältig, eine Einordnung daher oftmals unübersichtlich: Vergütungen für Klicks, Einnahmen aus Affiliate-Links oder Werbekooperationen, Abo-Zahlungen, „Trinkgelder“ für persönliche Fotos, Produktplatzierungen, Einnahmen aus der Teilnahme an TV-Formaten oder Preisgelder aus Gaming-Turnieren – und neue Konzepte keimen ständig auf, die laufend einer steuerlichen Einordnung bedürfen. Nicht alle Kreativen sind sich möglicherweise den steuerlichen Pflichten bewusst, die mit ihrer Tätigkeit verbunden sind. Dies führt teilweise zu immensen – teilweise sogar strafrechtlichen – Konsequenzen. Ob einkommen-, gewerbe-, umsatz- oder sogar schenkungsteuerlich – die steuerlichen Fallstricke sind vielschichtig.
Mittlerweile dürfte allseits bekannt sein, dass in aller Regel auf die erzielten Einnahmen Einkommen- und Gewerbesteuer zu entrichten ist. Wer in Deutschland seinen Wohnsitz hat oder sich hier gewöhnlich aufhält, ist mit seinen gesamten Einkünften steuerpflichtig. Doch was einkommensteuerpflichtige Einkünfte sind, bedarf oftmals einer Prüfung im Einzelfall. In der Regel wird durch die Tätigkeit als Influencer oder Content-Creator zudem ein Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuergesetzes begründet. Daraus resultiert sowohl eine Gewerbesteuerpflicht als auch weitere Verpflichtungen wie die Anmeldung bei dem zuständigen Gewerbeamt. Auch umsatzsteuerliche Pflichten sind nicht außer Acht zu lassen. Dabei kann bereits die Nichtangabe von Einkünften oder Umsätzen den Vorwurf der Steuerhinterziehung begründen.
Zuletzt gingen zudem immer wieder Schlagzeilen durch die Presse, dass auch Geldgeschenke in Höhe von mehreren zehntausenden oder sogar hunderttausenden Euros keine Seltenheit darstellen. Auch derartige freiwillige Leistungen von Fans oder Kunden ohne entsprechende Gegenleistungen sind nicht steuerfrei, sondern als Schenkungen, sofern sie die Freibetragsgrenze überschreiten, zu versteuern und auch als solche gegenüber den Finanzbehörden anzuzeigen.
II. Wegzug ins Ausland
Immer mehr Influencer und Content-Creator wollen aufgrund der steuerlichen Belastung Deutschland den Rücken kehren. Doch auch ein Wegzug ins Ausland entbindet nicht automatisch von steuerlichen Pflichten in Deutschland und sollte vorher gut durchdacht und geplant werden. Zum einen ist auch derjenige, der zwar keinen Wohnsitz (mehr) in Deutschland hat, aber hier Einkünfte erzielt, beschränkt auf diese Einkünfte weiterhin in Deutschland steuerpflichtig. Zum anderen greift die deutsche erweiterte beschränkte Steuerpflicht, wenn zwar der Wohnsitz bzw. der gewöhnliche Aufenthalt ins Ausland verlagert wird, aber wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland behalten werden. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, werden zwar vielfach internationale Abkommen herangezogen, doch gerade bei Zielstaaten mit niedriger oder überhaupt keiner Besteuerung bestehen hier oft Lücken. Eine frühzeitige steuerliche Planung ist daher unerlässlich.
Daneben droht durch den Wegzug aus Deutschland zudem eine zwar einmalige, aber hohe Steuerbelastung durch eine sog. Entstrickung von Wirtschaftsgütern. Besonders relevant sind dabei die sog. selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgüter. Darunter können u.a. bestehende Kundenbeziehungen, Social-Media Accounts mit entsprechender Reichweite oder auch Private-Label-Produkte fallen. Durch die Entstrickung wird der in Deutschland entstandene Wertzuwachs dieser Vermögenswerte aufgedeckt und in Deutschland steuerpflichtig.
III. Was tun bei Zweifeln, vermutetem Verstoß gegen steuerliche Pflichten oder geplantem Umzug?
Sollten Sie befürchten, dass Steuererklärungen unvollständig waren oder Steuern nicht korrekt abgeführt wurden, ist ein schnelles, aber auch wohl überlegtes Handeln entscheidend. Die Möglichkeit einer Selbstanzeige bietet hier einen Weg, bestehende Steuerverstöße strafbefreiend zu bereinigen – vorausgesetzt, sie wird ordnungsgemäß und vollständig durchgeführt. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten: Eine fehlerhafte oder unvollständige Selbstanzeige kann die Vorteile zunichte und stattdessen das Finanzamt auf den Verstoß aufmerksam machen. Dies kann erhebliche, insbesondere auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Ähnlich verhält es sich bei einem geplanten Umzug ins Ausland. Ein solcher erfordert eine gründliche Planung und möglicherweise Anpassung der Geschäftsstrukturen. Eine vorgelagerte Steuerplanung, vor allem im Hinblick auf immaterielle Werte, ist dabei unumgänglich, um potenzielle Steuerfallen zu vermeiden. Es empfiehlt sich daher, frühzeitig eine steuerliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten.
IV. Fazit
Die steuerlichen Fallstricke für Influencer und Content-Creator sind vielschichtig. Behördliche Kontrollen der steuerrelevanten Verhältnisse nehmen zudem zu. Eine vorausschauende und fundierte steuerliche Beratung ist unerlässlich, um Fallstricke zu vermeiden und auf der sicheren Seite zu bleiben. Haben Sie Zweifel oder vermuten Sie sogar bereits steuerliche Probleme, so sollten Sie nicht zögern und frühzeitig professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen.
Gerne stehen wir Ihnen mit zur Seite – sowohl bei der präventiven Planung als auch bei der Begleitung von Selbstanzeigen oder sonstigen steuerlichen Fragestellungen rund um Ihre Tätigkeit. Füllen Sie gerne unser
Kontaktformular
aus.
Autoren:
Dr. Eric Hoeveler und
Melissa Maas

Ein nach dem 20. Juli 2025 verbleibender Hinweis auf die Streitbeilegungsplattform der Europäischen Union (EU) im Impressum einer Website ist irreführend und kann Anlass für Abmahnungen sein. I. Aktueller Handlungsbedarf: Hinweis entfernen Viele Unternehmen verweisen auf ihrer Website auf die EU-Streitbeilegungsplattform. Dieser Hinweis befindet sich zumeist im Impressum einer Homepage oder in E-Mail-Signaturen. Die Plattform wurde jedoch zum 20. Juli 2025 endgültig abgeschaltet. Ein entsprechender Hinweis ist damit nicht nur überholt, sondern kann auch rechtliche Risiken nach sich ziehen. II. Hintergrund zur EU-Streitbeilegungsplattform Die Europäische Plattform für Online-Streitbeilegung sollte Verbraucher und Unternehmen bei der außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten unterstützen. Unternehmen mit Sitz in der EU waren bisher verpflichtet, den Link zur Plattform auf ihrer Website zu platzieren – dies erfolgte in der Regel im Impressum. Als Folge der Nichtbeachtung dieser Pflicht konnten Abmahnungen durch Mitbewerber oder Verbraucherverbände ausgesprochen werden. Mit Aufhebung der Verordnung über Online-Streitbeilegung wurde auch die EU-Plattform abgeschaltet, sodass die entsprechende Hinweispflicht für Unternehmen entfällt. III. Rechtliche Risiken durch veraltete Angaben Trotz ihrer Abschaltung zum 20. Juli 2025 finden sich auf vielen Websites noch Hinweise und Links zur EU-Streitbeilegungsplattform. Diese Informationen sind nicht nur überflüssig, sondern können als irreführende geschäftliche Handlung gewertet und infolgedessen mit Abmahnungen geahndet werden. IV. Empfohlene Maßnahmen Ein noch vorhandener Hinweis auf die EU-Streitbeilegungsplattform sollte daher umgehend aus dem Impressum der Website eines Unternehmens entfernt werden. Auch andere Stellen, etwa E-Mail-Signaturen oder vorgefertigte Textbausteine, sind auf entsprechende Verweise zu prüfen. Wichtig: Der allgemeine Hinweis auf die Teilnahme oder Nichtteilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle bleibt weiterhin erforderlich. V. Fazit Die EU-Streitbeilegungsplattform wurde abgeschafft, sodass die Hinweispflicht entfällt. Ein verbliebener Hinweis auf der Website kann zu Abmahnungen führen und sollte daher schnellstmöglich entfernt werden. Eine zeitnahe Überarbeitung des Impressums und weiterer betroffener Stellen schützt vor rechtlichen Konsequenzen. Bei Fragen hierzu können Sie gerne unser Kontaktformular ausfüllen oder sich an Frau Elena Beeretz wenden. Wir unterstützen Sie gerne.

I. Einleitung Seit dem 1. Januar 2025 gelten für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG neue Grenzen, die einer laufenden Überwachung bedürfen. Mussten Kleinunternehmer bisher bei Überschreiten der Umsatzgrenzen im laufenden Kalenderjahr erst ab dem folgenden Kalenderjahr Umsatzsteuer in ihren Rechnungen ausweisen, muss nun bereits mit dem Umsatz, der die Grenzen überschreitet, unterjährig Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden. Außerdem sind ab Überschreiten der Kleinunternehmergrenzen regelmäßige Voranmeldungen an das Finanzamt zu übermitteln. II. Die Einzelheiten im Überblick 1. Grundsätze zur Kleinunternehmerregelung Unternehmer, die im vorangegangenen Kalenderjahr die Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG bis zum Betrag von € 25.000 (bisher: € 22.000) erzielen und im laufenden Kalenderjahr die Umsatzgrenze von € 100.000 (bisher: € 50.000) nicht überschreiten, sind Kleinunternehmer. Ihre Umsätze sind von der Umsatzsteuer befreit. Sie dürfen aber im Gegenzug auch keinen Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen in Anspruch nehmen. 2. Steuerfreiheit der Umsätze Die Umsätze im Rahmen der neuen Kleinunternehmerregelung ab 2025 gelten als steuerfrei und nicht mehr lediglich als „nicht erhoben“ im Sinne der bisherigen Rechtslage. Diese rechtliche Einordnung hat bedeutsame umsatzsteuerliche Konsequenzen. Ein auf der Rechnung gesondert ausgewiesener Umsatzsteuerbetrag stellt nunmehr einen unrichtigen Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs. 1 UStG dar und nicht mehr, wie bisher, einen unberechtigten Steuerausweis gemäß § 14c Abs. 2 UStG. Dies bedeutet, dass der Unternehmer die falsch ausgewiesene Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt schuldet. Darüber hinaus entfällt der Vorsteuerabzug – wie auch in der bisherigen Regelung – für Eingangsleistungen, die der Unternehmer zur Ausführung dieser steuerfreien Umsätze verwendet. Dies ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wonach der Vorsteuerabzug bei Lieferungen und sonstige Leistungen, die für steuerfreie Umsätze verwendet werden, grundsätzlich ausgeschlossen ist. 3. Vereinfachte Rechnungsstellung ab dem 1. Januar 2025 Ab dem 1. Januar 2025 gelten neue Regelungen bezüglich der Rechnungsstellung für Kleinunternehmer. Diese können nun gemäß § 34a UStDV sogenannte vereinfachte Rechnungen ausstellen. In diesen Rechnungen dürfen bestimmte Pflichtangaben (wie zum Beispiel die Rechnungsnummer oder das Leistungsdatum) entfallen. Darüber hinaus sind Kleinunternehmer nicht verpflichtet, elektronische Rechnungen im Sinne der neuen E-Rechnungspflicht auszustellen. Unabhängig von der gewählten Form der Rechnung ist jedoch zwingend ein Hinweis auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung gem. § 19 UStG erforderlich. 4. Auswirkungen bei Überschreiten der Umsatzgrenzen ab dem 1. Januar 2025 Wird die Umsatzgrenze von € 100.000 im laufenden Jahr überschritten, entfällt die Steuerbefreiung unmittelbar. Der Umsatz, mit dem die Grenze erstmals überschritten wird, unterliegt der Regelbesteuerung. Alle bis zu diesem Zeitpunkt ausgeführten Umsätze bleiben weiterhin steuerfrei. Ab Überschreiten der Grenze gelten für alle weiteren Umsätze die allgemeinen umsatzsteuerlichen Vorschriften, insbesondere hinsichtlich der Rechnungsstellung nach § 14 UStG, des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG sowie der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen nach § 18 UStG. 5. Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung ab dem 1. Januar 2025 Auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung kann verzichtet werden. Dann darf die Vorsteuer aus den Eingangsrechnungen abgezogen werden, gleichzeitig müssen jedoch Rechnungen mit Umsatzsteuer gestellt werden. Zudem kommen weitere Aufgaben, wie die Erstellung von monatlichen oder quartalsweisen Umsatzsteuervoranmeldungen und jährlichen Umsatzsteuererklärungen auf den Unternehmer zu. Die Erklärung auf den Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung (§ 19 Abs. 3 S. 1 UStG) gegenüber dem zuständigen Finanzamt kann formlos erfolgen. Dieser Verzicht ist bis spätestens zum Ablauf des Monats Februar des zweiten auf den betreffenden Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres möglich. Die Verzichtserklärung bindet den Unternehmer gem. § 19 Abs. 3 S. 3 UStG für einen Zeitraum von fünf Kalenderjahren an die Regelbesteuerung. Nach Ablauf dieser Frist bleibt die Regelbesteuerung weiterhin anwendbar, bis der Unternehmer den Verzicht ausdrücklich widerruft. Ein solcher Widerruf ist frühestens nach Ablauf der Fünfjahresfrist zulässig. III. Fazit Für Sie als Unternehmer, der die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nimmt, ist daher Folgendes in der Praxis zu beachten: Erstellen Sie bereits laufend unterjährig eine Übersicht über die in Rechnung gestellten Umsätze. Der Umsatz, der die Grenze von € 100.000 überschreitet, ist umsatzsteuerpflichtig und Sie müssen eine Rechnung mit allen Pflichtangaben und unter Ausweis des richtigen Steuersatzes erstellen. Eine laufende Umsatzüberwachung mithilfe einer monatlichen Buchführung kann hierfür sinnvoll sein. Achten Sie stets darauf, dass Sie bei Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung keine Umsatzsteuer auf Ihren Rechnungen ausweisen, da Sie einerseits nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, Sie andererseits aber durch diese falsche Angabe dazu verpflichtet wären, die Umsatzsteuer an das Finanzamt zu entrichten. Sie sind dazu verpflichtet in Ihren Rechnungen auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung hinzuweisen. Eine einfache Formulierung („steuerfreier Kleinunternehmer“) reicht hierbei aus. Beachten Sie, dass Sie als Kleinunternehmer in der Lage sein müssen, E-Rechnungen zu empfangen. Das Ausstellen von E-Rechnungen durch den Kleinunternehmer ist hingegen ein Wahlrecht. Bei Fragen zur Überwachung der Umsatzgrenzen, Fragen zur Rechnungsstellung oder Fragen zur Möglichkeit des Verzichts auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung können Sie sich gerne an Ihren Pelka-Berater oder Frau Marie-Christine Schröder wenden. Wir unterstützen Sie gerne.

I. Einleitung Der Bundesrat hat am 11.07.2025 dem vom Bundestag am 04.06.2025 beschlossenen „Gesetzesentwurf für ein steuerliches Investitionsprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ zugestimmt. Ziel des Gesetzes ist es, den Wirtschaftsstandort Deutschland nach zwei Jahren ohne Wirtschaftswachstum wieder attraktiver zu machen. Aufgrund des Förderprogramms sind Mindereinnahmen bei Bund, Ländern und Kommunen in Höhe von bis zu 48 Milliarden Euro zu erwarten. Die voraussichtlichen Steuerausfälle werden bis einschließlich 2029 in voller Höhe vom Bund übernommen. Darüber hinaus investiert der Bund zur Entlastung der Länder zwischen 2026 und 2029 zusätzlich acht Milliarden Euro in Kitas, andere Bildungseinrichtungen sowie Krankenhäuser. Insgesamt rechnet der Bund jedoch damit, dass die Steuereinnahmen durch Investitionen insgesamt steigen werden. Nachfolgend möchten wir Ihnen einen kurzen Überblick über die wichtigsten Regelungen des Gesetzes, das auch „Wachstums- oder Innovations-Booster“ genannt wird, verschaffen: II. Die Einzelheiten im Überblick 1. “Investitions-Booster“ durch degressive Abschreibungen Unternehmen haben wieder die Möglichkeit, höhere Abschreibungen für die Anschaffung oder Herstellung beweglicher, abnutzbarer Wirtschaftsgüter in Anspruch zu nehmen. Die erhöhte Abschreibung ist auf bewegliche Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum vom 01.07.2025 bis 31.12.2027 angeschafft bzw. hergestellt werden, begrenzt. Sie gilt nicht für unbewegliche und immaterielle Wirtschaftsgüter. Ein bewegliches Wirtschaftsgut, wie z. B. eine Maschine, kann aufgrund der Neuregelung mit bis zum Dreifachen der jeweiligen jährlichen linearen AfA, maximal bis zu 30% der Anschaffungskosten abgeschrieben werden. In den Folgejahren können jeweils bis zu 30% des jeweiligen Restbuchwertes abgeschrieben werden. Die Möglichkeit der höheren Abschreibung soll die Unternehmen in der unmittelbaren Phase nach einer Investition entlasten und so weitere Neuinvestitionen fördern. 2. Steuerliche Entlastung für Unternehmen 2.1 Senkung der Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften Die Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften wird gesenkt. So verringert sich die Körperschaftsteuer ab dem Jahr 2028 jährlich um jeweils 1% von aktuell 15% auf 10% im Jahr 2032. Diese Maßnahme soll den Unternehmen vor allem mehr Planungssicherheit geben. Darüber hinaus wird mit der Senkung der durchschnittlichen Gesamtsteuerbelastung (Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer) von derzeit rd. 30% auf rd. 25% die Liquidität der Unternehmen gesteigert. 2.2 Senkung der Steuerbelastung für Einzelunternehmer und Personengesellschaften: Soweit Gewinne nicht entnommen wurden, konnten diese bislang wahlweise mit dem persönlichen Steuersatz besteuert oder – auf Antrag – mit dem ermäßigten Steuersatz von 28,25% besteuert werden (Thesaurierungsbesteuerung für Gewinne aus Gewerbebetrieb oder aus selbständigen Einkünften). Aufgrund der sukzessiven Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 15% auf 10% wird der Steuersatz für die Thesaurierungsbesteuerung ebenfalls gesenkt und zwar für die Jahre 2028 und 2029 auf 27%, 2030 und 2031 auf 26% und ab 2032 auf 25%. Hier weisen wir auf die Nachversteuerung späterer Entnahmen hin; diese sollen jedoch nicht mit dem Spitzensteuersatz versteuert werden. 3. Investitions-Booster für E-Mobilität bei Unternehmen 3.1 Degressive Abschreibung mit fallenden Staffelsätzen: Im Jahr der Anschaffung rein elektrisch betriebener Fahrzeuge, die zum Anlagevermögen gehören, können nun bis zu 75 % der Anschaffungskosten abgeschrieben werden. In den Folgejahren sinkt der jeweiligen Abschreibungssatz auf 10% im zweiten Jahr, auf 5% im dritten und vierten Jahr, auf 3% im fünften Jahr und auf 2% im sechsten Jahr. Diese Neuregelung gilt nicht nur für Pkw, sondern auch für sämtliche Nutzfahrzeuge, soweit sie rein elektrisch betrieben werden. Darüber hinaus kann die degressive Abschreibung mit fallenden Staffelsätzen für Anschaffungen ab dem 01.07.2025 bis zum 31.12.2027 in Anspruch genommen werden. 3.2 Erhöhung der Bruttolistenpreisgrenze für E-Dienstwagen Die Obergrenze für die Bemessungsgrundlage von Elektrofahrzeugen, die mit 0,25% statt 1,0% des Listenpreises zu versteuern sind, wird von EUR 70.000,00 auf EUR 100.000,00 erhöht. 4. Begünstigungen der steuerlichen Forschungszulage Die steuerliche Forschungszulage wurde erstmalig mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung vom 14.12.2019 eingeführt. Sie soll den Investitionsstandort Deutschland stärken und die Forschungsaktivitäten v. a. kleiner und mittlerer Unternehmen fördern. Gefördert werden insbesondere Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, soweit sie einer oder mehreren Kategorien der Grundlagenforschung, industriellen Forschung oder experimentellen Entwicklung zuzuordnen sind. Die Höhe der Forschungszulage richtet sich nach den jeweils förderfähigen Aufwendungen. Die Obergrenze der förderfähigen Bemessungsgrundlage von bisher 10 Mio. EUR wird ab dem Jahr 2026 auf 12 Mio. EUR pro Jahr erhöht. Darüber hinaus wurden die förderfähigen Aufwendungen erweitert. Künftig können Gemein- und Betriebskosten mit 20% der förderfähigen Personalkosten berücksichtigt werden. Zudem beträgt der förderfähige Stundensatz für erbrachte Eigenleistungen künftig 100 EUR statt bisher 70 EUR. Diese Maßnahmen sollen insbesondere Investitionsanreize in Forschung und Innovation bieten. III. Fazit Ein „Gesetz für ein steuerliches Investitionsprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ war vor dem Hintergrund ausbleibenden Wirtschaftswachstums sicherlich längst überfällig. Nach der nun erfolgten Zustimmung des Bundesrats kann das Gesetz ausgefertigt und verkündet werden. Es tritt am Tag der Verkündung in Kraft. Die Änderungen des Forschungszulagengesetzes treten ab 01.01.2026 in Kraft. Unternehmen haben mit der in Kürze zu erwartenden Verkündung des Gesetzes - zumindest für die nächsten Jahre - mehr Planungssicherheit für Investitionen. Inwieweit die Maßnahmen tatsächlich zum erhofften „Investitions-Booster“ und damit zur Stärkung der Attraktivität sowie der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland führen, hängt sicherlich nicht nur von innenpolitischen, sondern auch von außenpolitischen Faktoren ab und bleibt daher abzuwarten. Wenn Sie Fragen zu den einzelnen „Booster-Maßnahmen“ haben oder wie sich diese konkret in Ihrem Unternehmen umsetzen lassen, setzen Sie sich mit Ihrem Pelka-Berater oder Herrn Robin Schuh in Verbindung. Gerne können Sie auch unser Kontaktformular ausfüllen.

I. Einleitung Erbschaften und Schenkungen unterliegen in Deutschland grundsätzlich der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer. Was unter einer Erbschaft bzw. einem „Erwerb von Todes wegen“ zu verstehen ist, ist dabei den meisten Steuerpflichtigen geläufig. Was alles als steuerrechtliche Schenkung anzusehen ist, kann hingegen schwieriger zu bestimmen sein. So drängt es sich beispielsweise nicht sogleich auf, dass auch die im Alltag unter Verwandten nicht selten anzutreffende zinslose oder verbilligte Gewährung eines Darlehens einen schenkungsteuerlich relevanten Vorgang bilden kann. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in diesem Zusammenhang jüngst zur Bemessung der Schenkungsteuer bei niedrig verzinsten Darlehen geurteilt. Nachfolgend sollen die steuerrechtlichen Hintergründe kurz erläutert werden. II. Hintergrund: Schenkungsteuer bei vorteilhaften Darlehen 1. Zinslose/zu niedrig verzinste Darlehen als freigebige Zuwendungen Schenkungen unterliegen grundsätzlich der Schenkungsteuer. Das Gesetz definiert in § 7 ErbStG, was alles unter den steuerrechtlichen Begriff der Schenkung fällt. Ausgangspunkt ist dabei nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Darunter fallen seit jeher auch zinslose oder zu niedrig verzinste Darlehen, auch wenn eine Rückzahlung erfolgen muss. Gegenstand dieses Geschenks ist das Recht, das als Darlehen gewährte Kapital zu einem niedrigen Zinssatz als marktüblich/zinslos zu nutzen. Der Wert dieses Nutzungsvorteils bemisst sich daher in solchen Fällen nach dem Zinsvorteil, der sich aus der Differenz des vereinbarten Zinssatzes mit dem sich aus § 15 Abs. 1 BewG ergebenden Zinssatz ergibt. Danach ist, wenn kein anderer Wert feststeht, grundsätzlich von dem gemeinen Wert der Nutzung i.H.v. 5,5% auszugehen. Wird eine Geldsumme auf unbestimmte Zeit zinslos bzw. verbilligt überlassen, so wird der Geldbetrag mit dem gesetzlich vorgegebenen Zinssatz i.H.v. 5,5% und dem gesetzlichen Faktor 9,3 multipliziert. Beispiel: Großmutter G gewährt ihrem Enkel E für den Erwerb von Grundbesitz ein Darlehen i.H.v. € 500.000. Es wird vereinbart, dass die Summe nicht zu verzinsen ist und die Rückzahlung dann erfolgen solle, „wenn es gerade passt“. Ein marktüblicher Zinssatz kann nicht ermittelt werden. Im Jahr der Gewährung des Darlehens ergibt sich nach den oben genannten Grundsätzen eine anzeigepflichtige Schenkung i.H.v. € 255.750 (€ 500.000 * 5,5% * 9,3). Das Finanzamt würde nach Anzeige des Erwerbs und unter Berücksichtigung des alle zehn Jahre zur Verfügung stehenden Freibetrags und der gesetzlich vorgesehenen Abrundung des Betrags auf volle Hundert Schenkungsteuer i.H.v. € 3.899 ((€ 255.700 – Freibetrag € 200.000) * Steuersatz 7%) festsetzen. 2. Steuernachforderung auch nach Jahrzehnten vom Finanzamt möglich Für die Schenkungsteuer gibt es Besonderheiten bei der Festsetzungsverjährung. Die Festsetzungsverjährung hat Einfluss darauf, bis wann das Finanzamt spätestens nachträglich Schenkungsteuer festsetzen kann. Je nach Sachverhalt beträgt diese Frist vier, fünf oder zehn Jahre. Für die Schenkungsteuer beginnt diese Frist aber erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Schenker gestorben oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat. Dies kann je nach Sachverhalt dazu führen, dass die Festsetzungsfrist erst sehr spät in Gang gesetzt wird, sodass das Finanzamt mitunter auch bei Schenkungen, die bereits Jahrzehnte zurückliegen, noch nachträglich Schenkungsteuer festsetzen kann, sollte eine gesetzlich vorgesehene Anzeige der Schenkung wissentlich oder unwissentlich unterblieben sein. III. Urteil des Bundesfinanzhofs 1. Sachverhalt Mit Darlehensvertrag vom 03.11.2016 erhielt der spätere Kläger von seiner Schwester ein Darlehen i.H.v. € 1.875.768,05 ausgezahlt. Es wurde eine jährliche Verzinsung von 1% vereinbart. Die Darlehensvereinbarung sah zudem vor, dass das Darlehen auf unbestimmte Zeit gewährt wird und mit einer Frist von zwölf Monaten erstmals zum 31.12.2019 gekündigt werden kann. Das Finanzamt setzte Schenkungsteuer i.H.v. € 229.500 fest. Es ermittelte diesen Wert, indem es den schenkungsteuerpflichtigen Erwerb i.H.v. € 785.008 ansetzte. Der schenkungsteuerliche Erwerb ist das Produkt aus der überlassenen Geldsumme und der Zinsdifferenz aus dem vorgegebenen Zinssatz von 5,5% und dem tatsächlichen Zinssatz von 1% und dem gesetzlichen Vervielfältiger für eine unbestimmte Laufzeit von 9,3: € 1.875.768,05 * 4,5% * 9,3 = € 785.008. Der Kläger legte hiergegen u.a. mit der Begründung Einspruch ein, dass für seinen Fall ein marktüblicher Zinssatz von 2,67% bis 2,81% zur Bestimmung der Zinsdifferenz feststehe und daher anzusetzen sei. Entsprechend sei eine Zinsdifferenz von 1,67% bis 1,81% (2,67/2,81% abzüglich vereinbarte Verzinsung von 1%) zur Ermittlung des schenkungsteuerpflichtigen Erwerbs anzusetzen. Das Finanzamt und später das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern folgten dieser Argumentation nicht, da zwar ein durchschnittlicher Zinssatz von 2,81% für wirtschaftlich Selbständige feststehe, es aber nicht erkennbar sei, dass der Kläger auf dem Kapitalmarkt eine vergleichbare Finanzierung zu einem niedrigeren Zinssatz habe erhalten können. 2. Entscheidungsgründe Der BFH hingegen stützte mit seinem Urteil die Ansicht des Klägers (BFH-Urteil v. 31.07.2024, Az. II R 20/22). Es sei widersprüchlich von Finanzamt und Finanzgericht gewesen, auf der einen Seite festzustellen, dass im maßgeblichen Zeitraum der durchschnittliche Zinssatz für vergleichbare Personen (wirtschaftlich Selbständige) effektiv bei 2,81% gelegen habe, auf der anderen Seite, dass ein niedriger als der in § 15 Abs. 1 BewG festgelegte Zinssatz nicht feststehe. Das Gesetz sehe in § 15 Abs. 1 BewG lediglich vor, dass 5,5% anzusetzen sind, wenn kein anderer Wert feststeht. Die Feststellung eines anderen Werts kann dabei auf verschiedene Art erfolgen, es ist nicht zwingend erforderlich, dass der Steuerpflichtige den anderen Zinssatz nachweisen müsse. Dies stehe auch nicht im Widerspruch zu vorheriger BFH-Rechtsprechung, denn die bisherige BFH-Rechtsprechung hat lediglich betont, dass kein allgemeiner marktüblicher Zinssatz herangezogen werden könne, bei dem nicht bekannt sei, ob die zugrundeliegenden Darlehen zu vergleichbaren Bedingungen abgeschlossen wurden wie das tatsächlich vereinbarte Darlehen. Dadurch werde aber nicht ausgeschlossen, dass ein marktüblicher Zinssatz heranzuziehen ist, wenn das Finanzgericht diesen bei Vergleichbarkeit der dem Darlehen zugrundeliegenden Bedingungen festgestellt hat. Daher kann auf der Grundlage des festgestellten Zinssatzes von 2,81% für einen Fall wie dem streitgegenständlichen ein Nutzungsvorteil durch die Zinsdifferenz von 1,81% (2,81% abzüglich der vereinbarten 1%) pro Jahr angesetzt werden. Der Wert der Bereicherung war daher mit € 315.748,02 (€ 1.875.768,05 * 1,81% * 9,3) zu ermitteln, unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Falls waren entsprechend € 59.140 Schenkungsteuer festzusetzen. IV. Fazit Dass insbesondere zwischen Verwandten Darlehen vergünstigt oder zinsfrei gewährt werden, ist keine Ausnahmeerscheinung. Sollte in diesem Zusammenhang eine Anzeige an das Finanzamt versehentlich unterblieben sein, kann aufgrund des sehr späten Beginns der Festsetzungsverjährung die „Sache nicht ausgesessen werden“. Das BFH-Urteil ermöglicht es indes nun durch Nachweis eines niedrigeren marktüblichen Zinssatzes den Wert der Schenkung und damit die Höhe der etwaigen Schenkungsteuer spürbar zu reduzieren. Insbesondere vor dem Hintergrund der zurückliegenden langen Niedrigzinsphase ist die Entscheidung des BFH zu begrüßen.

In der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt verarbeiten Unternehmen große Mengen sensibler Daten, insbesondere im Personalwesen. Diese Daten unterliegen besonderen Schutzanforderungen, um Missbrauch vorzubeugen. Die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) verpflichtet dazu, Daten nur so lange zu speichern, wie es für den jeweiligen Zweck erforderlich ist. Ein strukturiertes Löschkonzept für Personaldokumente ist deshalb ein unverzichtbarer Bestandteil moderner Datenschutzstrategien. Ein Löschkonzept ist eine Planaufstellung, die den spezifischen Datenkategorien individuelle, auf das verantwortliche Unternehmen zugeschnittene Speicherfristen zuweist und so Transparenz und Rechtssicherheit schafft. I. Rechtlicher Rahmen Nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO haben betroffene Personen das Recht, die unverzügliche Löschung ihrer personenbezogenen Daten zu verlangen, wenn einer der in der Norm genannten Gründe vorliegt. Besonders relevant ist der Fall, dass der Zweck für die Erhebung oder Verarbeitung der Daten nach Art. 17 Abs. 1 a) DS-GVO entfallen und eine weitere Speicherung nicht mehr erforderlich ist. Dieses sogenannte „Recht auf Vergessenwerden“ verpflichtet Unternehmen dazu, Daten aktiv zu löschen, sobald sie nicht mehr benötigt werden. Dem gegenüber steht das Bedürfnis, Daten für gewisse Zeiträume zu bewahren. Solche Aufbewahrungsfristen ergeben sich insbesondere aus dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), der Abgabenordnung (AO) und dem Handelsgesetzbuch (HGB). Aus diesen Gesetzen lassen sich Mindestaufbewahrungszeiten ableiten, die durch Unternehmen zwingend einzuhalten sind, woraus wiederum auf den Zeitpunkt der Löschung geschlossen werden kann. Darüber hinaus können sich Fristen auch mittelbar aus anderen gesetzlichen Regelungen ergeben. II. Risiken ohne Löschkonzept Unternehmen, die kein systematisches Löschkonzept implementiert haben, setzen sich dem Risiko aus, gegen datenschutzrechtliche Vorgaben zu verstoßen, indem sie die Daten zu früh löschen oder zu lange aufbewahren. In der Folge können Datenschutzaufsichtsbehörden Bußgelder verhängen. Bereits bei geringfügigen Verfehlungen sind Sanktionen möglich; bei schwerwiegenden Verstößen drohen Bußgelder, die bis zu 20 Millionen Euro oder vier Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens betragen können. Betroffene Personen haben außerdem Anspruch auf Schadensersatz, wenn ihnen durch die unzulässige Datenverarbeitung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist. Insbesondere bei einer hohen Anzahl Betroffener kann dies zu beträchtlichen finanziellen Belastungen führen. Sogar strafrechtliche Konsequenzen sind denkbar: Wird der Verstoß mit Bereicherungsabsicht begangen, kann dies mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Auch praktische Auswirkungen sind nicht zu unterschätzen: Überlang gespeicherte Datenmengen können IT-Systeme belasten, Speicherplatz blockieren und Arbeitsprozesse verlangsamen – etwa, wenn die Suche nach relevanten Informationen unverhältnismäßig viel Zeit in Anspruch nimmt. III. Vorteile eines Löschkonzeptes Ein strukturiertes Löschkonzept dokumentiert nicht nur die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, sondern signalisiert auch Problembewusstsein gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde. Sollte es dennoch zu Verstößen gegen datenschutzrechtliche Lösch- und Aufbewahrungsfristen kommen, ist mit milderen Sanktionen zu rechnen, da das Verschulden des Verantwortlichen und ergriffene Präventivmaßnahmen im Rahmen des behördlichen Ermessens gemäß Art. 83 Abs. 2 Satz 2 DS-GVO berücksichtigt werden. Zudem bietet ein Löschkonzept mit klaren Handlungsanweisungen Transparenz und Rechtssicherheit für Betroffene sowie für die zur Löschung verantwortlichen Personen. Es stellt sicher, dass sowohl die Rechte betroffener Personen als auch die rechtlichen Interessen des Unternehmens gewahrt werden. IV. Umsetzung eines Löschkonzepts Die Nutzung eines allgemeingültigen Musters als Löschkonzept ist nicht zweckmäßig, da die Fristen individuell auf die Prozesse und Datenstrukturen des jeweiligen Unternehmens angepasst werden müssen. Die Konzeptentwicklung sollte die folgenden Schritte umfassen. 1. Bestandsaufnahme Zunächst müssen alle im Unternehmen vorhandenen personenbezogenen Daten identifiziert und kategorisiert werden. Die Klassifizierung ist insbesondere nach Art und Sensibilität der Daten vorzunehmen. 2. Aufbewahrungs- und Löschfristen Nach Erfassung der gesetzlich vorgegebenen Aufbewahrungs- und Löschfristen sind auf das Unternehmen abgestimmte interne Fristen festzulegen. Diese sollten zum einen dem Bedürfnis auf Aufbewahrung – zum Beispiel für eine spätere rechtliche Auseinandersetzung – und zum anderen dem Recht der betroffenen Person auf rechtzeitige Löschung ihrer Daten gerecht werden. 3. Form der Aufbewahrung Je nach Dokumentenart gelten unterschiedliche Anforderungen an die Form der Aufbewahrung, welche im Konzept benannt werden sollten. So ist beispielsweise ein Kündigungsschreiben nach § 623 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Schriftform aufzubewahren, während eine Abmahnung auch in elektronischer Form gespeichert werden kann. 4. Verantwortlichkeit Darüber hinaus sollten klare Zuständigkeiten zur Überwachung der Fristen und Ausführung der Löschvorgänge festgelegt werden. 5. Dokumentation Damit im Bedarfsfall die erforderlichen Nachweise erbracht werden können, sollten sämtliche Löschvorgänge nachvollziehbar protokolliert werden. 6. Schulung der Mitarbeiter Verantwortliche Personen, insbesondere Mitarbeitende der Personalabteilung und der IT sowie Führungskräfte, sollten regelmäßig geschult und in ihrem datenschutzrechtlichen Bewusstsein sensibilisiert werden. V. Aufbewahrung von Personaldokumenten. Im Bereich des Personalwesens gelten für verschiedene Dokumente stark voneinander abweichende Speicherfristen. Da der Zweck der Aufbewahrung nur für einen kurzen Zeitraum besteht, sind etwa Bewerbungsunterlagen grundsätzlich nur für eine Dauer von drei bis sechs Monaten aufzubewahren, sofern keine Einstellung erfolgt. Dies ergibt sich unter anderem aus der zweimonatigen Frist zur Geltendmachung von Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüchen aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Demgegenüber sollten Dokumente, die Leistungsansprüche aus der betrieblichen Altersvorsorge begründen, bis zu 30 Jahre aufbewahrt werden, da derartige Ansprüche gemäß § 18a Satz 1 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) erst nach Ablauf dieser Zeitspanne verjähren. Eine ebenfalls lange Frist gilt beispielsweise für die Archivierung von Lohnunterlagen mit Bezug zu der betrieblichen Gewinnermittlung, welche nach den Vorgaben der Abgabenordnung für bis zu zehn Jahre aufzubewahren sind. VI. Abmahnungen in der Personalakte Insbesondere die Aufbewahrung und Vernichtung von Abmahnungen bereitet Unklarheiten, wenn kein konkretes Konzept besteht. Hier besteht keine gesetzliche Vorgabe zur Speicherung oder Löschung und eine analoge Anwendung vergleichbarer Regelungen kommt ebenso wenig in Betracht. Fest steht, dass eine Abmahnung dann aus der Personalakte zu löschen ist, wenn auf der einen Seite ihre Warnfunktion verwirkt ist und auf der anderen Seite kein länger andauernder Speicherzweck besteht. Die Warnfunktion der Abmahnung besteht nicht unendlich, da insbesondere leichte Pflichtverletzungen im menschlichen Zusammenleben hinzunehmen sind. Sämtliche Zwecke zur Speicherung entfallen, wenn die Abmahnung für die Beendigung oder Durchführung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erforderlich ist. Nach der Rechtsprechung ist die Dauer der Verwirkung abhängig von der Schwere eines Verstoßes. Während die Abmahnung wegen einer einfachen Pflichtverletzung bereits nach 16 Monaten verwirken kann, beträgt diese Frist bei sehr schweren Pflichtverletzungen im Einzelfall zehn Jahre oder länger. Indiz für die Dauer ist insbesondere die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie das Bestehen von vorherigen, gleichartigen Pflichtverletzungen. In Anbetracht dieser vielfältigen Zeitspannen ist es wichtig, individuelle Regelungen im Unternehmen zu erarbeiten. VII. Fazit Mit dem am 01.01.2025 in Kraft getretenen Bürokratieentlastungsgesetz wurden einige Aufbewahrungsfristen verkürzt. Da die gesetzlichen Vorgaben sich im ständigen Wandel befinden, neue Datenarten entwickelt werden und zusätzliche Cyber-Bedrohungen entstehen, sollte auch ein Konzept zur Datenlöschung regelmäßig überprüft und angepasst werden. Ein durchdachtes Löschkonzept für Personaldokumente bietet Rechtsklarheit, Effizienz und Datensicherheit. Unternehmen sollten daher frühzeitig handeln und Löschprozesse in ihre Personal- und IT-Systeme integrieren. Wir unterstützen Sie gerne bei der Erarbeitung eines Löschkonzeptes für Ihr Unternehmen. Füllen Sie hierzu gerne unser Kontaktformular aus.

Mit Urteil vom 28.01.2025 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Az: 9 AZR 48/24) entschieden, dass Arbeitgeber Entgeltabrechnungen wirksam erteilen können, indem sie diese in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellen. Das BAG stellte klar, dass auf diese Weise der gesetzlich vorgeschriebenen Textform im Sinne des § 126b BGB Genüge getan werde. Die Einrichtung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs entspreche auch den Anforderungen des § 108 GewO. Es bestehe kein Anspruch auf Erteilung von Abrechnungen in Papierform. Vielmehr begründe der gesetzliche Anspruch auf Erteilung einer Entgeltabrechnung eine Holschuld, die der Arbeitgeber grundsätzlich dadurch erfüllen könne, dass er die Abrechnung in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstelle. I. Sachverhalt und Hintergründe Im dem Verfahren, das dem BAG-Urteil zugrunde liegt, hatte sich eine Arbeitnehmerin dagegen gewehrt, dass ihre Abrechnung nur digital in ihr Postfach eingestellt wurde. Sie vertrat die Auffassung, ihr Anspruch auf Erteilung von Entgeltabrechnungen sei durch die Bereitstellung elektronischer Entgeltabrechnungen in einem digitalen Mitarbeiterpostfach nicht erfüllt worden. Aus § 108 Abs. 1 GewO folge die Notwendigkeit der postalischen Übermittlung. Außerdem hätte sie der Verwendung eines Mitarbeiterpostfaches vor dessen Inbetriebnahme zustimmen müssen. Dem stehe allerdings ihr ausdrücklich erklärter Widerspruch entgegen. Die Klägerin beantragte, ihr auch weiterhin ihre Abrechnungen postalisch zu übermitteln. Die Beklagte begründet ihren Klageabweisungsantrag damit, dass § 108 Abs. 1 GewO kein Zugangserfordernis im Sinne des § 130 Abs. 1 BGB vorgebe. Es sei daher ausreichend, wenn dem Mitarbeiter die Möglichkeit gegeben werde, über ein digitales Postfach auf seine Entgeltabrechnungen zuzugreifen. Das im vorliegenden Fall verwendete Programm stelle eine ausreichende Empfangsvorrichtung dar, die mit einem Briefkasten im Machtbereich des Mitarbeiters vergleichbar sei. Nachdem erstinstanzlich beim Arbeitsgericht zuungunsten der Klägerin entschieden worden war, gab das Landesarbeitsgericht Niedersachsen der Klage der Klägerin statt. Das BAG sah die Revision der Beklagten als begründet an und hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf. Das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte den Anspruch der Klägerin aus § 108 Abs. 1 GewO auf Erteilung der Entgeltabrechnungen nicht durch die Einstellung in das digitale Mitarbeiterpostfach erfüllt habe. Es bestehe kein Anspruch auf Erteilung von Abrechnungen in Papierform. II. Erteilung von Entgeltabrechnungen unter Berücksichtigung von § 108 GewO, § 126b BGB und § 130 BGB Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO ist dem Arbeitnehmer bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Nach Satz 2 muss eine solche Abrechnung mindestens Angaben zu Abrechnungszeitraum und Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthalten. Nach Auffassung des BAG setzt § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO aber nicht voraus, dass die Lohnabrechnung dem Arbeitnehmer entsprechend § 130 Abs. 1 BGB zugehen müsse. Bei Entgeltabrechnungen handele es sich um Wissenserklärungen, auf die § 130 Abs. 1 BGB keine Anwendung finde. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO sei die Lohnabrechnung „zu erteilen“. Dies lasse sich als „zuteilwerden lassen“, „zukommen lassen“ lesen und enthalte demzufolge nicht das Erfordernis des Zugangs. Mit der Einstellung der Abrechnungen in ein digitales Postfach lasse der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Abrechnung zukommen, sodass die Voraussetzung des § 108 Abs. 1 GewO erfüllt sei. Der Arbeitgeber komme seiner Verpflichtung aus § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO nach, indem er die Abrechnungen in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstelle. Auf einen Zugang gem. § 130 Abs. 1 BGB komme es nicht an. Ferner sei es irrelevant, ob der Verwendung eines Mitarbeiterpostfachs zugestimmt werde. Soweit durch Gesetz Textform vorgeben sei, werde diese gem. § 126b BGB dadurch gewahrt, dass auf einem dauerhaften Datenträger eine lesbare Erklärung abgegeben werde, in der die Person des Erklärenden genannt sei. Ein dauerhafter Datenträger sei jedes Medium, das es dem Empfänger ermögliche, eine sich auf diesem befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärungen so aufzubewahren oder zu speichern, dass er darauf zugreifen und die gespeicherte Erklärung unverändert wiedergeben könne. Diese Voraussetzungen seien durch ein digitales Mitarbeiterpostfach erfüllt. Aufgrund datenschutzrechtlicher Mechanismen wie Benutzernamen und Passwörtern, erhielten die Mitarbeiter einen sicheren Speicherbereich für die Entgeltabrechnungen, den der Arbeitgeber nicht nachträglich abändern könne. Durch die Einstellung in ein digitales Postfach werde dem Mitarbeiter auch ausreichend transparent mitgeteilt, warum gerade der genannte Betrag ausgezahlt werde. Darüber hinaus erfülle die digitale Einstellung von Lohnabrechnungen auch in örtlicher Hinsicht die Voraussetzungen des § 108 GewO. Beim Anspruch auf Erteilung einer Lohnabrechnung nach § 108 Abs. 1 GewO handele es sich um eine Holschuld, bei der Leistungshandlung und -erfolg in der Sphäre des Arbeitgebers liegen würden. Demnach seien Arbeitspapiere vom Arbeitnehmer grundsätzlich in der Niederlassung des Arbeitgebers abzuholen. Dies betreffe alle Dokumente, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer über das Arbeitsverhältnis zu erteilen habe. Der Arbeitgeber sei somit von seiner Leistungspflicht befreit, wenn er die Leistung bereitstelle. Dafür genüge auch das digitale Mitarbeiterpostfach. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Abrechnungen dem Mitarbeiter auch tatsächlich zugehen. Allerdings habe der Arbeitgeber die Pflicht, solchen Beschäftigten, die keine eigene Möglichkeit zum digitalen Abruf haben, die Möglichkeiten zu gewähren, den Abruf z.B. im Betrieb vorzunehmen. III. Fazit Das Urteil führt zu einer deutlichen Erleichterung für den Arbeitgeber bzw. die lohnabrechnende Stelle. Der Arbeitgeber ist nicht mehr verpflichtet, alle Abrechnungen auszudrucken und per Post an seine Arbeitnehmer zu versenden. Auch wenn viele Arbeitgeber in den letzten Jahren bereits auf digitale Abrechnungen umgestellt haben, wird diese Praxis doch erst durch das Urteil des BAG rechtssicher. Die digitale Abrechnung ist nur ein Beispiel dafür, dass die Digitalisierung in der Lohnabrechnung schon lange Einzug gehalten hat. Gerade der Bereich der Lohnbuchhaltung erfordert aber auch einen rechtssicheren und effizienten Prozess, der für beide Seiten hinreichend nachvollziehbar ist. Wenn Sie sich mit digitalen Entgeltabrechnungen beschäftigen oder darüber nachdenken, wie sich Ihre Entgeltabrechnung effizienter gestalten lässt, helfen wir Ihnen gerne weiter. Unser „Team Lohn“, das aus sieben hochqualifizierten Mitarbeitern besteht, berät Sie zuverlässig, transparent und rechtssicher im Bereich der Lohnbuchhaltung und hilft Ihnen bei allen Fragen, die sich in diesem Zusammenhang ergeben können, gerne weiter. Füllen Sie hierzu gerne unser Kontaktformular aus.

Mit seinem Urteil vom 09.01.2025 (C 394/23) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) neue Aspekte der Diskussion um den Datenschutz im digitalen Raum beleuchtet. Gegenstand des Verfahrens war die Wahl einer binären Anrede beim Online-Ticketkauf, die Kunden verpflichtete, zwischen den Optionen „Herr“ oder „Frau“ zu wählen – ohne Möglichkeit, das Feld offen zu lassen oder alternative Bezeichnungen auszuwählen. Das Urteil befasst sich mit den Anforderungen an die Datenverarbeitung nach der Datenschutz-Grundverordnung (DS GVO) und der inklusiven Gestaltung digitaler Geschäftsprozesse. I. Ausgangslage: Binäre Anrede beim Online-Ticketkauf Im zugrundeliegenden Fall ging es um den Online-Verkauf von Bahnfahrten, bei welchem die Nutzer im Rahmen ihrer Buchung zwingend eine geschlechtsspezifische Anrede angeben mussten. Anders als bei vielen Online-Formularen, die alternative Optionen wie „divers“ oder „keine Angabe“ zur Verfügung stellen, wurde hier ausschließlich die Auswahl zwischen „Herr“ und „Frau“ angeboten. Der EuGH hinterfragte, ob die Datenverarbeitung – in diesem Fall die Angabe einer Anrede – für den Abschluss des Vertrags erforderlich ist. Auslegung der DS-GVO Die zuvor befasste französische Datenschutzbehörde lehnte den Antrag auf Überprüfung der binären Anrede ab. Sie war der Ansicht, Online-Ticketverkäufe seien Teil des geschäftlichen Alltags, sodass weite Maßstäbe anzulegen seien. Der EuGH hingegen vertrat eine wesentlich restriktivere Auslegung der DS GVO und lehnte im vorliegenden Fall letztendlich die datenschutzrechtliche Zulässigkeit einer binären Anrede ab. In seinem Urteil überprüfte er die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 lit. a), b) und f) DS-GVO. II. Datenverarbeitung zur Erfüllung des Vertrages Nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) DS-GVO kann die Verarbeitung von Daten zur Erfüllung des Vertrags erforderlich sein. Der EuGH hat hierzu mehrfach klargestellt, dass die Datenverarbeitung zur Vertragserfüllung objektiv unerlässlich sein und die verantwortliche Person nachweisen muss, dass der Vertrag ausschließlich durch die entsprechende Verarbeitung erfüllt werden kann. Die bloße Erleichterung der Vertragsabwicklung reicht nicht aus. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die vertraglichen Dienstleistungen so beschaffen sein müssten, dass sie sich nur an eine bestimmte Geschlechtsidentität richten – ein Kriterium, das in den seltensten Buchungsszenarien gegeben sein dürfte. Die Gegenseite brachte vor, dass die Verarbeitung in Form der binären Anrede unerlässlich sei, um den Bedürfnissen der Reisenden gerecht zu werden, beispielsweise bei Platzreservierungen für Frauen in Nachtzügen. Weiter entspräche die Anrede mit „Herr“ oder „Frau“ der gängigen Verkehrssitte. Nach dem EuGH fehlt es an dieser Notwendigkeit. Zum einen beträfen nicht alle Ticketbuchungen Nachtzüge und zum anderen gäbe es neben der binären Anrede andere Möglichkeiten der Ansprache. Demnach ließe sich die vorliegende Datenverarbeitung nicht auf Art. 6 Abs. 1 lit. b) DS-GVO stützen. III. Datenverarbeitung zur Wahrung berechtigter Interessen Die Zulässigkeit der Verarbeitung könnte sich aber aus der Wahrung berechtigter Interessen nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO ergeben. Dazu müsste die verantwortliche Person nachweisen, dass ihrerseits berechtigte Interessen bestehen, die die Datenverarbeitung erforderlich machen und sich in einer Interessenabwägung im konkreten Einzelfall keine überwiegenden Interessen der betroffenen Personen ergeben. Das berechtigte Interesse ist weit zu fassen und umfasst grundsätzlich alle anerkannten, nicht rechtswidrigen Belange der Verantwortlichen. Marketingzwecke oder geschäftliche Konventionen können also derartige Interessen darstellen. Ein Erfordernis der Datenverarbeitung ist allerdings nur dann zu bejahen, wenn das berechtigte Interesse nicht ebenso wirksam mit anderen, weniger eingriffsintensiven Mitteln in zumutbarer Weise erreicht werden kann. Alternativ zur Verwendung der binären Anrede könnte im vorliegenden Fall eine allgemeine Ansprache gewählt oder ein Freitextfeld zur Verfügung gestellt werden. Jedenfalls überwiegen aber die Interessen der betroffenen Personen, sodass die Interessenabwägung – in welcher auf Seiten der Betroffenen insbesondere das Recht auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten zu berücksichtigen sind – gegen eine Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO spricht. Personen mit einer nicht binären Geschlechtsidentität sind nach dem BVerfG in der Gesellschaft besonders schützenswert (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16). IV. Datenverarbeitung nach Einwilligung Das Gericht beleuchtete auch die Möglichkeit einer Einwilligung in die Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) DS-GVO. Deren Zulässigkeit im konkreten Fall ließ der EuGH in seiner Entscheidung offen, verwies aber auf die praktischen Schwierigkeiten einer Einwilligung in die Datenverarbeitung im Rahmen des Buchungsprozesses. Im Hinblick auf den Grundsatz der Datenminimierung aus Art. 5 Abs. 1 lit. c) DS-GVO könnten nutzerfreundliche Abläufe gefährdet werden. Darüber hinaus könnte eine Einwilligung in die Datenverarbeitung durch die betroffene Person jederzeit widerrufen werden, sodass es sich hierbei um eine wenig praktikable Lösung handele. V. Verbandsinitiative und Vorabentscheidungsverfahren Eine Besonderheit des Falles bestand darin, dass die Initiative zur Einleitung des Ausgangsverfahrens nicht von einer betroffenen natürlichen Person, sondern von einem französischen Verband ausging, welcher sich gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung einsetzt. Nach Art. 80 DS-GVO können die Mitgliedsstaaten bei der Verletzung von Datenschutzrechten auch Klagen und Beschwerden von Verbänden zulassen, was sowohl im französischen als auch im deutschen Recht umgesetzt wurde. Das nationale Gericht ersuchte sodann den EuGH um Auslegung der DS-GVO im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV. VI. Sanktionen und Bußgelder bis zu 20 Millionen Euro Die zuständige Aufsichtsbehörde kann bei Verstößen gegen Art. 6 DS-GVO weitreichende Maßnahmen ergreifen. Neben der Verwarnung des Unternehmens oder der Anweisung zur Berichtigung und Löschung der Daten können nach Art. 83 DS-GVO Bußgelder in Höhe von bis zu 20 Millionen Euro oder 4 Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens verhängt werden. Darüber hinaus können betroffene Personen gemäß Art. 82 DS-GVO Ersatz für die Schäden verlangen, die ihnen durch die ungerechtfertigte Verarbeitung ihrer Daten entstanden sind. Auch die öffentliche Wahrnehmung spielt eine entscheidende Rolle: Die Bekanntmachung eines Verstoßes kann zu einem erheblichen Reputationsverlust für das Unternehmen führen und das Vertrauen der Kunden nachhaltig erschüttern. VII. Auswirkungen auf den Online-Handel Das Urteil des EuGH könnte wesentliche Auswirkungen auf den Online-Handel haben. Unternehmen sind dazu angehalten, ihre Formulare und Datenverarbeitungsprozesse anzupassen, um deren datenschutzrechtliche Zulässigkeit und gesellschaftliche Inklusivität zu gewährleisten und teure Bußgelder sowie Imageschäden zu vermeiden. Dies gilt nicht nur für den Online-Ticketverkauf, sondern lässt sich auch auf andere Geschäftsmodelle, bei denen personenbezogene Daten erhoben werden, erweitern. Zur Umsetzung der Vorgaben des EuGH könnte die Frage nach der Geschlechtsidentität entfernt und durch neutrale Anredeformen – zum Beispiel „Guten Tag“ – ersetzt werden. Alternativ könnte das im Rahmen einer Buchung auftretende Feld zur Anrede insoweit umgestaltet werden, dass Unternehmen den Nutzern ein Freitextfeld zur Verfügung oder weitere Optionen – beispielsweise „divers“ oder „keine Angabe“ – zur Auswahl stellen. VIII. Fazit Der EuGH stellt in seinem Urteil klar, dass die verpflichtende Auswahl einer binären Anrede nicht mit den Prinzipien der DS-GVO vereinbar ist, sofern keine unerlässliche Notwendigkeit einer solchen Ansprache für die Erfüllung und Durchführung des Vertrages besteht. Die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 DS-GVO sind demnach eng auszulegen. Unternehmen sollten daher ihre Datenverarbeitungsprozesse kontrollieren und unklare oder pauschale Abfragen nicht ohne vorherige datenschutzrechtliche Prüfung einsetzen. Schließlich öffnet das Urteil Raum für weiterführende Diskussionen zur zukünftigen Ausrichtung der Verarbeitung personenbezogener Daten und verdeutlicht, dass zur Gewährung von Datenschutz im digitalen Zeitalter Anpassungsfähigkeit gefordert wird. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Nehmen Sie gerne z.B. über unser Kontaktformular Kontakt mit uns auf.

Mit dem Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ haben die Regierungsparteien (CDU, CSU und SPD) ihre steuerpolitische Agenda für die kommende Legislaturperiode vorgestellt. Neben Reformen im Unternehmenssteuerrecht setzt der Vertrag auch auf finanzielle Entlastungen für Privatpersonen, die Förderung von Investitionen und Digitalisierung sowie erste Schritte in Richtung Bürokratieabbau. Dieser Beitrag fasst die wichtigsten Vorhaben im Steuerbereich verständlich zusammen. I. Änderungen im Unternehmenssteuerrecht Ein zentrales Anliegen der neuen Koalition ist die Anpassung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen, die Regierung plant in diesem Bereich: a) Senkung der Körperschaftsteuer: Ab 2028 soll der Körperschaftsteuersatz – also die Steuer, die Kapitalgesellschaften auf ihre Gewinne zahlen – in fünf Schritten jährlich um einen Prozentpunkt gesenkt werden. Bis 2032 würde der Satz somit von 15% auf 10 % fallen. b) Einheitliche Besteuerung von Neugründungen: Geprüft werden soll außerdem, ob ab 2027 alle neu gegründeten Unternehmen – unabhängig von ihrer Rechtsform – pauschal der Körperschaftsteuer unterliegen können. Dann würde für alle jungen Betriebe zunächst das gleiche Steuerregime gelten, egal ob sie als GmbH, Einzelunternehmen oder Personengesellschaft starten. c) Investitions-Booster: Für die Jahre 2025 bis 2027 ist eine degressive Abschreibung in Höhe von 30 Prozent auf Ausrüstungsinvestitionen geplant – etwa für die Anschaffung von Maschinen oder technischen Geräten. Unternehmen können so einen größeren Teil der Anschaffungskosten direkt im ersten Jahr steuerlich geltend machen. Die Koalition möchte so Investitionen ankurbeln. d) Anhebung des Mindesthebesatzes bei der Gewerbesteuer: Um innerdeutsche „Steueroasen“ zu vermeiden, soll der Mindesthebesatz der Gewerbesteuer von 200 % auf 280 % steigen. Damit sollen alle Kommunen verpflichtet werden, ein gewisses Mindestmaß an Gewerbesteuer zu erheben – das sorgt für fairere Wettbewerbsbedingungen zwischen den Städten und Gemeinden. Für Unternehmen bedeutet dies jedoch unter Umständen eine höhere Gewerbesteuer. e) Modernisierung der Besteuerung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen: Auch bei der Besteuerung von Personengesellschaften – also zum Beispiel bei einer GbR, OHG oder KG – und Einzelunternehmen kündigt die Koalition Verbesserungen an. Konkret geht es um steuerliche Sonderregelungen, namentlich um die sogenannte Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG, bei der eine Verschiebung der Besteuerung in die Zukunft möglich wird, sowie das sogenannte Optionsmodell nach § 1a KStG, bei dem insbesondere Personengesellschaften freiwillig wie Kapitalgesellschaften besteuert werden können. Was genau verbessert werden soll, bleibt im Koalitionsvertrag allerdings unklar. f) Einfuhrumsatzsteuer Verrechnungsmodell: Die Koalition plant, die bisherige Vorauszahlung der Einfuhrumsatzsteuer abzuschaffen. Stattdessen soll ein Verrechnungsmodell eingeführt werden. Es ist geplant, dass das Unternehmen statt Geld an den Zoll zu überweisen und später über das Finanzamt zurückzuerhalten, die fällige Einfuhrumsatzsteuer einfach mit der regulären Umsatzsteuerschuld verrechnet wird. Das könnte Unternehmen Liquidität und Zeit sparen. II. Steuerpläne für Privatpersonen Auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Rentnerinnen und Rentner sieht der Koalitionsvertrag steuerliche Entlastungen vor: a) Einkommensteuer: Für kleine und mittlere Einkommen plant die Regierung eine Senkung der Einkommensteuer – allerdings erst in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode. Wann genau und in welchem Umfang diese Entlastung kommen soll, bleibt im Koalitionsvertrag allerdings offen. b) Steuerfreie Überstundenzuschläge: Zuschläge für Überstunden, die über die reguläre vertraglich oder tariflich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, sollen künftig steuerfrei sein. Damit will die Regierung Anreize für zusätzliche Arbeitsleistung schaffen. c) Anreize für längeres Arbeiten im Alter: Wer über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus arbeitet, soll bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei verdienen dürfen. Damit sollen ältere Arbeitnehmer ermutigt werden, freiwillig länger im Berufsleben zu bleiben. d) Teilzeit auf Vollzeit: Prämien, die Arbeitgeber zahlen, wenn Beschäftigte von Teilzeit in Vollzeit wechseln, sollen steuerlich begünstigt werden – vorausgesetzt ist aber wohl, dass die neue Vollzeitstelle sich an geltenden Tarifverträgen orientiert. So soll mehr Arbeitskraft aktiviert und dem Fachkräftemangel begegnet werden. e) Arbeitstagepauschale: Geplant ist zudem die Einführung einer Arbeitstagepauschale, mit der Werbungskosten für Arbeitnehmer pauschal erfasst werden sollen. Wie diese neue Pauschale konkret ausgestaltet wird und welche bisherigen Abzugsmöglichkeiten dadurch möglicherweise entfallen, ist derzeit ebenfalls unklar. III. Digitalisierung und Bürokratieabbau Die neue Regierung setzt auf Vereinfachung und Digitalisierung im Steuerrecht: a) Selbstveranlagung für Unternehmen: Körperschaften und Personengesellschaften sollen künftig ihre Steuererklärungen eigenverantwortlich erstellen und einreichen – die sogenannte Selbstveranlagung soll schrittweise eingeführt werden. b) Mehr digitale Steuererklärungen: Die elektronische Abgabe von Steuererklärungen soll zur Regel werden. Für einfache Fälle sind zudem automatisierte und vorausgefüllte Steuererklärungen geplant – ein Schritt hin zu weniger Aufwand für Steuerpflichtige. IV. Umsatzsteuersatz für Speisen Der Umsatzsteuersatz für Speisen in der Gastronomie soll ab Januar 2026 dauerhaft auf 7% reduziert werden. Mit dieser Maßnahme will die Regierung die wirtschaftliche Stabilität der Gastronomiebetriebe sichern und Arbeitsplätze in der Branche erhalten. Die Absenkung war ursprünglich als Krisenmaßnahme eingeführt worden – nun soll sie als strukturelle Unterstützung dauerhaft bestehen bleiben. V. Mitarbeiterkapitalbeteiligung Beschäftigte sollen künftig stärker am Unternehmenserfolg beteiligt werden können. Die Regierung plant, die sogenannten Mitarbeiterkapitalbeteiligungen durch einfachere steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Regelungen attraktiver zu machen. Konkrete Maßnahmen sind im Koalitionsvertrag allerdings noch nicht genannt. VI. Stromsteuer Zur kurzfristigen Entlastung der Bürgerinnen und Bürger plant die Koalition eine Senkung der Stromsteuer für Unternehmen und Verbraucher auf das europarechtlich zulässige Mindestmaß. Ziel ist eine Reduzierung des Strompreises um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde. VII. Förderung von E-Mobilität und Mobilität allgemein a) E-Mobilität: Die steuerliche Förderung von Elektro-Dienstwagen soll ausgeweitet werden. Dazu soll die Preisgrenze für begünstigte Fahrzeuge auf 100.000 Euro angehoben werden. Außerdem sind eine Sonderabschreibung für Elektrofahrzeuge sowie eine Kfz-Steuerbefreiung bis 2035 vorgesehen. b) Pendlerpauschale: Ab dem Jahr 2026 soll die Pendlerpauschale auf 38 Cent pro Kilometer ab dem ersten Kilometer erhöht werden. VIII. Solidaritätszuschlag Der Solidaritätszuschlag soll weiterhin bestehen bleiben – daran ändert sich auch mit dem neuen Koalitionsvertrag nichts. Diese Entscheidung steht im Einklang mit einem aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26.03.2025. Das Gericht hat klargestellt, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, den „Soli“ vollständig abzuschaffen. Die Bundesregierung sieht insofern keinen Handlungsbedarf. Eine Änderung an der bestehenden Regelung wird es nicht geben. Fazit: Viel Ankündigungen – Wenig Konkretes Der Koalitionsvertrag 2025 enthält zahlreiche steuerpolitische Vorhaben, darunter Entlastungen, Investitionsanreize und Digitalisierungsschritte. Allerdings bleiben viele dieser Vorhaben bislang auf der Ebene von Absichtserklärungen. Wie und ob sie konkret umgesetzt werden, ist offen und wird sich erst im Laufe der Legislaturperiode zeigen. Steuerpflichtige – ob privat oder unternehmerisch – sollten daher aufmerksam bleiben und die weitere Entwicklung genau verfolgen. Sollten Sie zu den steuerlichen Themen Fragen haben oder eine individuelle Beratung wünschen, stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. Nehmen Sie hierzu Kontakt zu unserem Kollegen Nils Pinzke auf oder f üllen Sie das Kontaktformular aus. Wir danken unserem Rechtsreferendar Jan Haupt für die tatkräftige Unterstützung zu diesem Beitrag.

Im Koalitionsvertrag "Verantwortung für Deutschland" haben CDU/CSU und SPD auch für das Mietrecht zentrale Weichenstellungen im Hinblick auf ihren Politikwechsel vorgenommen. Einige mietrechtliche Aspekte bleiben unverändert, während andere umfassend angepasst werden. Als Ihre steuerlichen und juristischen Ansprechpartner möchten wir Ihnen in diesem Beitrag die wichtigsten Neuerungen kurz und übersichtlich darstellen und erste Einschätzungen zu praxisrelevanten Auswirkungen geben. I. Verlängerung der Mietpreisbremse Die aktuell bis zum 31.12.2025 befristete Mietpreisbremse soll nach dem Willen der Koalitionäre bis zum 31.12.2029 bestehen bleiben. Damit ist weiterhin Vorsicht bei der Neuvermietung von Wohnungen geboten, die in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegen, für das eine Mieterschutzverordnung besteht. In NRW sind gegenwärtig 57 Städte und Gemeinden von der Mietpreisbremse betroffen. Der Koalitionsvertrag sieht zwar keine direkte Verschärfung der Mietpreisbremse vor, geplant ist jedoch, dass bis Ende 2026 eine Expertengruppe Vorschläge für Bußgelder bei Verstößen gegen die Mietpreisbremse erarbeiten soll. Bisher sieht das Gesetz eine solche Sanktionierung nicht vor. Derzeit sind Vermieter allein dem Risiko ausgesetzt, dass Mieter eine Anpassung für die Zukunft sowie eine Rückzahlung überzahlter Mieten von bis zu 30 Monaten fordern können, wovon de facto jedoch in der Vergangenheit nur wenige Mieter Gebrauch machten. Für Vermieter ergibt sich demnach auch in Zukunft eine erhöhte Sorgfaltspflicht bei der Zusammensetzung der Miete und insbesondere bei der Dokumentation von Ausnahmen von der Mietpreisbremse bei Vertragsschluss. Es besteht die Möglichkeit, dass das einschlägige gesetzliche Privileg ungewollt beeinträchtigt wird, wenn die Dokumentation gegenüber dem Mieter nicht ausreichend erfolgt. II. Weitergehende Mietenregulierungen Mit dem Koalitionsvertrag kündigen die Koalitionäre weiter die stärkere Regulierung von Wohnraumindexmieten, der möblierten Vermietung und von Kurzzeitvermietungen an. Konkrete gesetzgeberische Schritte sieht der Koalitionsvertrag zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht vor. Eine Möglichkeit wäre, die Indexmieten zu deckeln. Dadurch könnten sie in Zeiten hoher Inflation gegenüber der Staffelmiete an Attraktivität verlieren. Die Regulierung der Vermietung von möblierten Wohnungen durch gesetzliche Vorgaben, wie etwa die Begrenzung von Mietaufschlägen anhand des tatsächlichen Wertes der Möblierung oder durch die Einführung von absoluten Obergrenzen für den Anteil der auf die Möbel entfallenden Miete, ist derzeit noch in Diskussion. Für die im Rahmen der Kurzzeitvermietungen problematisierte Abgrenzung von Wohn- und gewerblicher Nutzung gibt es bereits bewährte rechtliche Maßstäbe, die aus der Rechtsprechung übernommen werden könnten. Es bleibt daher abzuwarten, ob die bisherigen Ausnahmen von der weitreichenden Regulierung des Wohnungsmarktes in Bezug auf die Miethöhe weiter eingeschränkt oder sogar gänzlich ausgeschlossen werden. Erfreulich ist jedenfalls, dass der Koalitionsvertrag keine Vereinbarungen zu einem generellen Mietenstopp oder einer Mietendeckelung enthält, die im Wahlkampf noch zu befürchten waren. III. Modernisierungs- und Nebenkosten Im Rahmen von Gebäudemodernisierungen soll die Grenze für vereinfachte Umlagen der Kosten auf die Mieten (sog. Kleinmodernisierungen) von EUR 10.000,00 auf EUR 20.000,00 angehoben werden, um Anreize für Investitionen den Wohnungsbestand zu setzen. Wie dieses Vorhaben, welches im Zielkonflikt mit der ebenso beabsichtigten Gewährleistung der besseren Bezahlbarkeit der Miete steht, hiermit in Einklang gebracht werden soll, offenbart der Koalitionsvertrag zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Die Koalitionäre haben ebenfalls die Intention, die Nebenkostenabrechnungen transparenter zu gestalten. Auch hierzu liegen derzeit noch keine konkreten Umsetzungshinweise vor. Ob auch die Umlagefähigkeit einzelner Nebenkosten eingeschränkt wird, ist derzeit noch offen. In der jüngsten Vergangenheit wurde an dieser Stelle ausführlich über den Wegfall der Umlagemöglichkeit der Grundsteuer diskutiert. IV. Beendigungsmöglichkeiten Aus Sicht des Rechtsanwenders ist bemerkenswert, dass zur Vermeidung von Obdachlosigkeit künftig eine Schonfristzahlung des Mieters auch eine ordentliche Kündigung abwenden können soll. Gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung ist dies bislang nur in Bezug auf eine außerordentliche Kündigung möglich, die in der Praxis häufig mit einer ordentlichen Kündigung verbunden ist, wenn der Mieter seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Bereits im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung angekündigt, wurde diese Maßnahme jedoch nie umgesetzt. Der Handlungsspielraum der Vermieter bei der Beendigung von Mietverhältnissen soll mit Blick auf die Zahlungsmoral der Mieter zukünftig hierdurch deutlich eingeschränkt werden. Diese Forderung wird nicht nur von Mieterverbänden seit Jahren aufgestellt, sondern auch aus großen Kreisen der Richterschaft unterstützt. Ob dies zum Rechtsfrieden beiträgt und Anreizwirkung zur Schaffung neuen Wohnraums hat, ist jedoch zu bezweifeln. V. Steuerliche Erleichterung für Vermieter Positiv hervorzuheben, wenn auch zum jetzigen Zeitpunkt völlig unkonkret, ist die geplante steuerliche Förderung für Vermieter, die Wohnungen zu günstigen Mieten anbieten. Wann eine Miete als "günstig" gilt und wie genau die steuerliche Begünstigung ausgestaltet wird, bleibt abzuwarten. Aus der Gesamtschau des Koalitionsvertrags lässt sich jedoch vermuten, dass diese Erleichterung, wie anderorts im Koalitionsvertrag gefordert, möglicherweise bei Mieten in angespannten Wohnungsmärkten unter EUR 15,00/qm gelten soll. Die steuerliche Umsetzung bleibt hingegen völlig offen. VI. Unser Fazit Gemäß seiner unverbindlichen Natur bleibt der Koalitionsvertrag - Verantwortung für Deutschland - in vielen Punkten vage, so dass abzuwarten bleibt, inwieweit die Koalitionäre ihrer Verantwortung für die Neubau- und Wohnungsknappheit in Deutschland gerecht werden. Die konkrete Ausgestaltung der vereinbarten Punkte wird entscheidend dafür sein, ob der Immobilienmarkt aus seinem anhaltenden Dornröschenschlaf geweckt werden kann. Ob dabei zusätzliche bürokratische Hürden wie neue Transparenzpflichten und angedachte Bußgelder marktbelebend wirken, darf bezweifelt werden. Die geplanten, wenn auch noch unkonkreten steuerlichen Anreize sind hingegen zu begrüßen. Vermietern und Investoren empfehlen wir, die Umsetzung des Koalitionsvertrages aufmerksam zu verfolgen. Für eine individuelle steuerliche und rechtliche Beratung stehen wir Ihnen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung. Füllen Sie gerne hierzu unser Kontaktformular aus.

Dieser Beitrag setzt den ersten Teil unseres Specials fort. In einer aktuellen Entscheidung vom 09.02.2024 (Az: II ZR 220/22) hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit drei Rechtsfragen auseinandergesetzt, die für die Unternehmenspraxis – insbesondere in der Immobilienwirtschaft – von großer Bedeutung sind. Im Fokus standen erstens das Selbsthilferecht eines Gesellschafters einer GmbH hinsichtlich der Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund bei Mängeln der Gesellschafterversammlung, zweitens die Frage der Kenntnis und des Vertrauensschutzes im Zusammenhang mit der positiven und negativen Publizität des Handelsregisters (§ 15 HGB) und drittens die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht, insbesondere in Bezug auf deren parallele Anwendung zu den Regelungen der negativen Publizität des Handelsregisters. Diese Fragestellungen, die zunächst eher förmliche Aspekte betreffen und dem Praktiker auf den ersten Blick vielleicht nicht ins Auge fallen, entscheiden letztlich aber über die Wirksamkeit wesentlicher Rechtsgeschäfte und können schwerwiegende Folgen nach sich ziehen, so dass sich ein näherer Blick lohnt. Der erste Teil dieses Specials beschäftigte sich mit dem Selbsthilferecht des Gesellschafters bei der Einberufung der Gesellschafterversammlung und dem Vertrauen auf das Handelsregisters trotz Kenntnis entgegenstehender Umstände. Der zweite Teil setzt sich nun mit den Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht auseinander, gibt eine Übersicht über noch offene Fragen und enthält einzelne Thesen für die praktische Anwendung. V. Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht Obwohl im Grundsatz Vertrauensschutz auf die Eintragung im Handelsregister bestehe, so der BGH im gegenständlichen Streitfall (vgl. zum Sachverhalt: Teil I des Specials ), liege aber ein Missbrauch der Vertretungsmacht vor, dessen Grundsätze auch im Anwendungsbereich des Rechtsscheintatbestands des § 15 Abs. 1 HGB gelten würden. Der Geschäftsführer habe zwar mit dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags ohne Gesellschafterbeschluss die im Innenverhältnis bestehenden Grenzen seiner Vertretungsmacht missachtet. Das Risiko einer missbräuchlichen Verwendung der Vertretungsmacht habe aber grundsätzlich die vertretene Gesellschaft zu tragen, so dass die Beklagte als Käuferin aus dem Verstoß des Geschäftsführers im Innenverhältnis keine Nachteile träfen und sie sich auf den Kauf verlasse könne. Aus Rechtsscheingrundsätzen können indes keine weitergehenden Rechte hergeleitet werden, als sie bestünden, wenn der Rechtsschein zuträfe. Das bedeutet, dass die Beklagte über § 15 Abs. 1 HGB zwar weiterhin auf die eingetragene Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers vertrauen durfte. Dies gilt jedoch nur in dem Maße, wie eine solche Vertretungsbefugnis gesetzlich überhaupt gewährt wird. Denn aus § 49 Abs. 2 GmbHG folge, dass ein Geschäftsführer bei besonders bedeutsamen Geschäften angehalten sei, die Zustimmung der Gesellschafterversammlung von sich aus einzuholen. Seine Vertretungsmacht ist dann aus rechtlichen Gründen bereits begrenzt und diese Grenzen werden nicht durch das Vertrauen auf das Handelsregister überwunden. Die Verpflichtung zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens einer GmbH sei ein solchermaßen besonders bedeutsames Geschäft. Dies gelte aber auch dann, wenn – wie vorliegend – das übertragene Gesellschaftsvermögen im Wesentlichen aus einem Grundstück besteht und der Gegenstand des Unternehmens den Verkauf von Grundstücken umfasst. Ob ein Grundstück das nahezu gesamte Vermögen einer Gesellschaft darstellt, mag ein Vertragspartner im Regelfall nicht erkennen können, so dass er ohne diese positive Kenntnis im Regelfall schutzwürdig wäre. Allerdings ist das Vertrauen des Geschäftspartners in den Bestand des Geschäfts nicht schutzwürdig, wenn er weiß oder wenn es sich ihm geradezu aufdrängen muss, dass der Vertreter seine Vertretungsmacht missbraucht. Solchen Missbrauch nimmt der BGH an, wenn von der Vertretungsmacht in „ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht wird, so dass beim Vertragspartner begründete Zweifel bestehen mussten, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliege.“ Notwendig sei dabei „eine massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs“. Der Verstoß müsse sich dem Vertragspartner „geradezu aufdrängen“. Solche objektive Evidenz nimmt der BGH im konkreten Fall an, wenn bereits die Firma der Gesellschaft, wie im Streitfall, in nach außen offensichtlicher Weise darauf hinweist, dass die Immobilie ihr alleiniger oder zumindest wesentlicher Vermögensgegenstand ist. Beispiel : Die ‚Hauptstraße 17 GmbH‘ verkauft das Grundstück an der Adresse Hauptstraße 17. Einem verständigen Vertragspartner müsse in einem solchen Fall nämlich grundsätzlich klar sein, dass der Geschäftsführer die GmbH nicht ohne Zustimmung der Gesellschafter unternehmenslos stellen könne. Aber auch wenn mit einer Immobilie nur ein einzelner Vermögensgegenstand übertragen werden soll, könne es sich nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen, dass der Geschäftsführer das Geschäft wegen seiner Bedeutung für die Gesellschaft nicht ohne Rückversicherung bei den Gesellschaftern vornehmen könne, also ein zustimmender Gesellschafterbeschluss erforderlich gewesen sei. Eine solche Beschlussnotwendigkeit hätte im zu entscheidenden Fall angesichts der evidenten Veräußerung des wesentlichen Vermögensgegenstands nach Ansicht des BGH auch für einen juristischen Laien auf der Hand gelegen. Eine denkbare Rückausnahme wiederum, dass ein Sich-Aufdrängen der auf der Hand liegenden Zustimmungsnotwendigkeit trotz dieser Indizien abzulehnen wäre, hätte es daher eines „gegenläufigen“ (rechtsirrigen) Rechtsrats durch eine juristische Vertrauensperson bedurft. Das Vertrauen in den Rechtsrat der Vertrauensperson würde nämlich umgekehrt wiederum einen rechtlich relevanten Rechtsirrtum der Käuferin darstellen, der dann dazu führen würde, dass die Käuferin trotz der Indizwirkung der Firma der GmbH doch schutzwürdiges Vertrauen in die Vertretungsmacht des Geschäftsführers hätte haben dürfen. Ein solcher Rechtsrat war vorliegend jedoch nicht nachgewiesen, so dass es bei dem Ausschluss des guten Glaubens der Beklagten aufgrund der Indizwirkung der Firmierung blieb. Soweit die Beklagte im Vertrauen auf § 15 Abs. 1 HGB handelte, hilft dies nur insoweit, dass der Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen und somit als vertretungsberechtigter Geschäftsführer gilt. Der Umstand dass auch ein vertretungsberechtigter Geschäftsführer die Gesellschafter über den Verkauf des (nahezu) gesamten Vermögens hätten entscheiden lassen müssen, wird dadurch aber nicht berührt. § 15 Abs. 1 HGB sichert nur das Vertrauen in die allgemeine Vertretungsmacht. Soweit das geltende Recht der GmbH die Vertretungsmacht aber auch für eingetragene Geschäftsführer limitiert, gibt § 15 Abs. 1 HGB keinen darüber hinaus gehenden Vertrauensschutz. Die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht greifen dann ein, wenn im Außenverhältnis Vertretungsmacht (oder ein Rechtsscheintatbestand) besteht, der Geschäftsführer im Innverhältnis aber seine Vertretungsmacht überschreitet und der Vertragspartner dies positiv weiß und keine weiteren Umstände hinzutreten, die dieses Wissen des Vertragspartners wiederum erschüttern könnten. VI. Zusammenfassung Die finalen Thesen aus dem in den beiden Teilen des Specials behandelten BGH-Urteil lassen sich so zusammenfassen: Wird eine Gesellschafterversammlung vom Geschäftsführer nicht wirksam einberufen, so kann ein Gesellschafter mit mindestens 10% des Stammkapitals die Einberufung aufgrund seines Selbsthilferechts selbst durchführen, ohne sein Verlangen erneut an die Geschäftsführung richten zu müssen. Des Weiteren sichert § 15 Abs. 1 HGB dem Käufer trotz (ggfs. bekanntem aber bestrittenem) Abberufungsbeschluss das Vertrauen in die Vertretungsmacht eines Geschäftsführers, wenn dieser weiterhin im Handelsregister eingetragen ist. Schädlich wäre nur positive und nicht durch weitere Umstände erschütterte Kenntnis im Hinblick auf die Unrichtigkeit der Eintragung. Eine Einschränkung der Publizitätswirkung muss im Interesse der Rechtssicherheit jedenfalls streng begrenzt sein. Soweit das GmbHG der Vertretungsmacht aber Grenzen zieht, weil z.B. Grundlagengeschäfte immer der Entscheidung durch die Gesellschafter bedürfen, gewährt § 15 Abs. 1 HGB keinen Vertrauensschutz gegen solche gesetzlichen Grenzen der Vertretungsmacht. Wenn aus der objektiven Benennung der Firma einer Gesellschaft erkennbar ist, dass das nahezu gesamte Vermögen verkauft wird, muss auch ein juristischer Laie wissen, dass erstens, das gesamte Vermögen verkauft wird und zweitens, dass der Geschäftsführer ein solches Geschäfts nicht ohne Zustimmung der Gesellschafter durchführen darf. Ein juristischer Irrtum im Hinblick auf ein solches Beschlusserfordernis ist in dieser konkreten Konstellation irrelevant, es sei denn, der juristische Laie hätte einen „gegenläufigen“ (wenn auch rechtsirrigen) Rechtsrat durch eine juristische Vertrauensperson erhalten. Ein solcher (falscher) Rat durch einen vertrauten Rechtsanwalt oder Notar würde wiederum die durch die Firmierung geschaffene objektive Evidenz erschüttern und schließlich dennoch schutzwürdiges Vertrauen schaffen. VII. Offene Fragen Noch offen und hoch relevant für die Praxis ist daher, ob diese Grundsätze auf weitere Fallgestaltungen übertragbar sein können, insbesondere mit der Folge ob und inwiefern individuelle Fragestellungen bzgl. der Vertretungsmacht und bzgl. schutzwürdigem Vertrauen wesentliche Geschäfte in der Praxis gefährden könnten. Außerdem bereiten die subjektiven Voraussetzungen der objektiv evidenten Überschreitung der Vertretungsmacht erhebliche Beweisschwierigkeiten. Insoweit lässt sich kein allgemeiner Rechtssatz formulieren, der alle denkbaren individuellen Fragestellungen abhandelt. Das Beschlusserfordernis bei Verkauf des gesamten Vermögens, das aus § 49 Abs. 2 GmbHG folgt, ist allerdings nicht neu. Wesentliche Fragestellungen bleiben den Gesellschaftern vorbehalten und was wesentlich ist entscheidet im Ergebnis die Rechtsprechung. Das war schon immer so. Vorliegend hat der BGH aber recht deutlich klargestellt, dass eine objektive Evidenz des Missbrauchs vorliegen müssen, die sich aufdrängen müsse und hat gerade darauf abgestellt, dass dies für einen juristischen Laien erkennbar sein müsse. Ein vergleichbarer Fall müsste daher eine für Laien offensichtliche, ähnlich starke Evidenz haben wie eine Firmenbezeichnung, die einem Vertragspartner in jedem Fall zur Kenntnis gelangt. Beispiel : Der Verkauf wesentlicher Produktionsmittel ist für einen Vertragspartner wohl nicht so einfach erkennbar. Zentrales Element laut BGH war die Erkennbarkeit bereits aus der Firma. Dass durch die bloße Firmenbezeichnung andere Betriebsmittel bereits als einziges Vermögen identifiziert werden könnten, dürfte außer im Immobilienbereich kaum vorkommen. Auch eine mögliche Auswertung der Aktiva einer Bilanz dürfte für den juristischen Laien nicht dieselbe Evidenzwirkung haben wie die Straßenadresse in einer Unternehmensbezeichnung. Die Hürde für die Anwendung der Rechtsprechung auf ähnliche Fälle dürfte daher recht hoch liegen. Nicht auszuschließen ist aber weitere Rechtsfortbildung, nach der möglicherweise eine ähnliche objektive Evidenz aus anderen Umständen des Einzelfalles geschlussfolgert werden könnte. Diese müsste sich aber weiterhin auch dem juristischen Laien aufdrängen und eine ähnliche Strahlwirkung haben wie eine Firmenbezeichnung. Eine grundsätzliche Ausuferung der Rechtssprechungsgrundsätze auf anders gelagerte Fälle ist also eher nicht zu erwarten. Für den Praktiker bleibt es jedoch in jedem Fall ratsam, im Hinblick auf die konkreten Umstände wachsam zu sein. VIII. Fazit All diese Erwägungen zeigen, dass die Fragen nach Eintragung und Abberufung von Geschäftsführern, dem Missbrauch der Vertretungsmacht und der Bewertung einzelner Aspekte von Vertrauensschutz zu höchst komplizierten und selbst für geübte Praktiker nur schwer überschaubaren rechtlichen Fragestellungen führen. Es gibt allgemeine Rechtsgrundsätze dazu, Ausnahmen und wiederum Rückausnahmen, deren Ergebnis nicht in jedem Fall sicher zu prognostizieren ist. Das in der Praxis oft stiefmütterlich behandelte Thema von Vertretungsmacht kann aber schwerwiegende Folgen haben. Vorliegend ging es um die Frage, ob der Verkauf des gesamten Vermögens durch eine nicht mehr und/oder nicht so weitgehend vertretungsberechtigte Person wirksam oder unwirksam ist. Was kann die Praxis nun tun, um Rechtssicherheit für ihre Geschäfte zu erlangen? Der Geschäftsführer selbst kann bei Zweifel an der eigenen Vertretungsmacht die Gesellschafter fragen und entscheiden lassen. Der Vertragspartner kann bei Zweifeln an der Vertretungsmacht der anderen Vertragsseite, einen eben solchen Gesellschafterbeschluss des Vertragspartners verlangen. Im vorliegenden Fall hätte sogar ein falscher Rat eines Rechtsberaters auf Seite der beklagten Käuferin Vertrauensschutz herstellen können. Umgekehrt hätte man auf einen richtigen, d.h. warnenden Rat eines Rechtsberaters hingegen angemessen reagiert und nicht blind unterschrieben, respektive notariell beurkundet. Die Empfehlung für die Praxis ist aber keineswegs, sich auf Rechtscheinaspekte aus Fallgruppen zu berufen und zu hoffen, dass der BGH diese als schutzwürdig ansieht. Es empfiehlt sich in der Praxis Vertretungsmacht durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen. Schon das Vertrauen auf das Handelsregister trotz vorliegendem Abberufungsbeschluss stellt ‚bedenklichen Mut‘ dar, wenn ein großer Immobiliendeal davon abhängt. Ob dieser Mut im vorliegenden Fall möglicherweise darauf beruhte, dass man das Geschäft unbedingt wollte und das Risiko daher sehenden Auges in Kauf nahm, lässt sich nicht aufklären. Solche Risiken sollte man in der Praxis nicht eingehen. Wer die Praxis der Immobilienbranche kennt, weiß, dass vor einem Verkauf von Gewerbeimmobilen umfassende Nachforschungen vor allem durch technische Due Diligence durchgeführt werden, die aber nur die bauliche Qualität der Immobilie betreffen. Wir empfehlen auch beim Asset Deal in der Immobilienbranche, mithin dem Verkauf einer einzelnen Immobilie, ein Mindestmaß an rechtlicher Due Diligence nicht zu vernachlässigen, da die Konsequenzen aus fehlender Information drastisch sein können. In der Branche ist es üblich, dass eine einzelne Gesellschaft nur eine Gewerbeimmobilie hält und tatsächlich mit deren Adresse firmiert. Die kursorische Prüfung der gesellschaftsrechtlichen Strukturen dürften solche Themen im Regelfall sichtbar machen. Dann bieten sich Rückfragen an den Verkäufer an, der den Sachverhalt aufklären kann. Auch wenn der BGH in gewissen Konstellationen eine Pflicht zur Nachforschung verneint, helfen freiwillige Nachfragen um Rechtsicherheit zu erlangen. Diese sind typischerweise Gegenstand sorgfältiger Due Diligence. Ist das Thema identifiziert, sind auch Lösungen zu finden. Einen allgemeinen Rat, wie alle Vertretungsfälle in den Griff zu bekommen sind, kann es nicht geben. Unsere Empfehlung ist aber, Vertretungsfälle sorgfältig zu prüfen, im Zweifelsfall durch einen spezialisierten Berater. Und zwar besser vor Beurkundung, als wie in vorliegendem Fall nachträglich durch die Gerichte. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Nehmen Sie gerne z.B. über unser Kontaktformular Kontakt mit uns auf.