Mit Umsetzung der europäischen Digitalisierungsrichtlinie (RL 2019/1151/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2019 zur Änderung der RL 2017/1132/EU im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht (ABl. L 186 vom 11.07.2019, S. 80)) soll die bisweilen langsam vorschreitende Digitalisierung in Deutschland – man möchte sagen, endlich – auch im Gesellschaftsrecht Fuß fassen. Das entsprechende Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) wird am 01.08.2022 in Kraft treten, und bereits bestehende Gesetze und Vorschriften ergänzen oder ändern. Am prominentesten dürfte dabei sein, dass es als Alternative zum traditionellen Präsenzverfahren vor dem Notar die Möglichkeit zur Eröffnung eines digitalen GmbH-Gründungsverfahrens, die sog. „Online-Gründung“, schafft.
II. Das Konzept der „Online-Gründung“ – was ist bald möglich?
Nach aktueller Rechtslage bedarf es aufgrund der erforderlichen Beurkundung für eine Gründung des physischen Erscheinens vor dem Notar gem. § 2 I GmbHG i.V.m. §§ 128 BGB, 6ff. BeurkG. Von erhöhter Relevanz ist hier insbesondere § 13 BeurkG, wonach die Beurkundung des Gesellschaftsvertrags in Gegenwart des Notars den Beteiligten vorgelesen und dann von ihnen genehmigt und unterschrieben wird. Die „Online-Gründung“ soll den Notar nicht etwa umgehen, sondern vielmehr die Digitalisierung notarieller Arbeitsschritte ermöglichen, unter „Beibehaltung der hohen Standards notarieller Beurkundungsverfahren“ – so das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz auf seiner Website.
Dabei stützt sich das DiRuG im Wesentlichen auf das Instrument der Videokommunikation, vgl. § 16a ff. BeurkG-RegE, die gänzlich neu in das BeurkG eingeführt werden. Die Videokommunikation soll insbesondere zur notariellen Beurkundung von Willenserklärungen dienen und somit erstmalig eine Fernbeurkundung möglich machen. Es entsteht in der Folge eine originär elektronische notarielle Urkunde (§ 16b BeurkG-RegE), die im Elektronischen Urkundenarchiv der Bundesnotarkammer verwahrt wird. Auch die Unterzeichnung findet nicht per Stift und Papier, sondern mittels qualifizierter elektronischer Signatur der Beteiligten statt (§ 16 IV BeurkG-RegE). Dafür reichen die bekannten Voraussetzungen für elektronische Signaturen aus, eine eigene Software für die Online-Gründung ist nicht vorgesehen.
Unter dem Online-Verfahren soll die Identifizierung bzw. Feststellung der Beteiligten nicht leiden. Dafür sieht § 16c BeurkG-RegE ein dem Notar elektronisch übermitteltes Lichtbild sowie zum Identitätsnachweis den sog. neuen Personalausweis (§ 18 PersonalausweisG-RegE) bzw. deren Äquivalente für EU/EWR-Ausländer und Drittstaatsangehörige vor. Alternativ ist nachträglich auch die Möglichkeit eines elektronischen Identitätsnachweises in das DiRuG aufgenommen worden. Die tatsächliche Identifikation mittels der Dokumente findet dann während der Videokommunikation durch den Notar statt.
Gewährleistet werden diese Möglichkeiten über ein eigens vorgesehenes und entwickeltes Online-Portal der Bundesnotarkammer, zu dessen Betreiben die Bundesnotarkammer gem. § 78p BnotO-RegE verpflichtet ist. Das Portal ermöglicht neben der sicheren (Video-)Kommunikation auch den sicheren Austausch von Dokumenten und ein Höchstmaß an Datensicherheit und hoheitlicher Autorität gewährleisten. Zu seiner Zugänglichkeit bedarf es lediglich eines internet- und videofähigen Geräts (etwa eines Laptops oder PCs) sowie eines NFC-fähigen Smartphones. Ein gesondertes Kartenlesegerät ist dafür nicht zwingend notwendig. Es muss insbesondere kein besonderes Programm heruntergeladen werden, da das Portal browserbasiert betrieben wird.
Neben dem somit rein digitalen Verfahren und der traditionellen Präsenzgründung wird schließlich auch die Option einer sog. gemischten Beurkundung eröffnet, bei welcher ein Präsenztermin beim Notar mit der Online-Zuschaltung einzelner Beteiligter kombiniert wird (§ 16e BeurkG-RegE). Darüber hinaus wird zudem die öffentliche Beglaubigung qualifizierter elektronischer Signaturen mittels Videokommunikation durch Notar: innen ermöglicht, sodass auch die Anmeldung von Einzelkaufleuten, GmbHs, AGs und KGaAs sowie Zweigniederlassungen zum Handelsregister (§§ 40a BeurkG-RegE, 12 I 2 HGB-RegE) vollständig online ablaufen können.
III. Grenzen des Verfahrens – was geht (noch) nicht?
Die bislang vorgesehenen und für den August kommenden Jahres angekündigten Änderungen beziehen sich ausschließlich auf die Bargründung einer GmbH oder UG (haftungsbeschränkt). Für die Sachgründung, die vom Gesetzgeber offenkundig als aufwendiger eingeschätzt wurde, sowie die Gründung von AG und KGaA gelten somit weiterhin nur die traditionellen Verfahren, inklusive persönlicher Vorsprache. Auch Kapitalerhöhungen oder Satzungsänderungen sollen nicht im Wege des Online-Verfahrens möglich werden. Das Online-Verfahren beschränkt sich auf den Gründungsvorgang per se. Zudem besteht auch keine Pflicht des Notars, nach Antrag die Online-Beurkundung durchzuführen: Wenn er bspw. an der Person eines Beteiligten bzw. an der Rechts- oder Geschäftsfähigkeit desselben zweifelt, ist eine Ablehnung sowie Verweisung auf das herkömmliche Präsenz-Verfahren nach § 16a II BeurkG-RegE möglich.
Zudem hebt die Online-Gründung die Bindung an den Amtsbereich des jeweiligen Notariats nicht auf. So besteht ohne entsprechenden Anknüpfungspunkt, und sofern es an besondere, berechtigten Interessen der Beteiligten fehlt, keine Möglichkeit des Gründers, ein Notariat an einem Ort seiner Wahl vorzusehen. Vielmehr muss sich im Rahmen der Urkundstätigkeit im jeweiligen Amtsbereich der Sitz bzw. die Hauptniederlassung der Gesellschaft, der Wohnsitz des Einzelkaufmanns, bei einer ausländischen Gesellschaft Sitz oder Zweigniederlassung oder der Wohnsitz oder Sitz eines Gesellschafters der betroffenen Gesellschaft befinden (§ 10a III BNotO-RegE).
IV. Unser Tipp
Das DiRuG enthält eine Vielzahl von Erleichterungen gerade für angehende Gründer und im Rahmen von Anmeldungen zum Handelsregister, die hier überblicksartig dargestellt wurden. Mit der „Vielzahl“ einher gehen jedoch, gerade zum jetzigen Zeitpunkt, eine schwer überschaubare Anzahl an Änderungen und weiterhin Einschränkungen der Digitalisierung für bestimmte Gesellschaftsformen und Vorgänge. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Erfahrungssätze mit dem DiRuG und seinen praktischen Auswirkungen ab dem Spätsommer 2022 den Grundstein für weitere Digitalisierungsprozesse in der Zukunft legen werden.
Ein möglicher Vorteil der Online-Gründung könnte sich für natürliche Personen ergeben (insbesondere deutsche Staatsbürger), die sich im Ausland befinden und aus dem Ausland heraus die GmbH gründen möchten. Hingegen bietet sich die Online-Gründung für im Ausland ansässige juristische Personen wohl nicht an, denn in der Regel wird die Vorlage von legalisierten bzw. mit einer Apostille versehenen Existenz- und Vertretungsnachweisen der im Ausland ansässigen juristischen Person notwendig sein. Dem Notar müssen diese weiterhin (im Original) in Papierform vorliegen.
Sofern Sie sich fragen, ob und wie Sie von den neuen Vorschriften profitieren können, grundsätzliche Nachfragen haben oder Hilfe bei Ihren individuellen Möglichkeiten und Prognosen benötigen, helfen wir Ihnen gerne weiter. Wir freuen uns, den Weg mit Ihnen und Ihrer (neuen) Gesellschaft gemeinsam gehen zu dürfen – ob analog oder digital.