Reform des Stiftungsrechts – Die zentralen Punkte der gesetzlichen Neuregelungen und ihre Bedeutung für Stiftungen 

Mit Verabschiedung des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes durch den Bundestag und Bundesrat am 24. und 25.6.2021 und dessen Verkündung am 22.7.2021 (BGBl. I S. 2947), schafft der Gesetzgeber im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nun bundeseinheitliche Rechtsvorschriften für rechtsfähige Stiftungen. Bisher wurde das Stiftungsrecht im Vergleich dazu partiell im BGB, weitestgehend aber in teilweise sehr unterschiedlichen Landesstiftungsgesetzen geregelt. Die Stiftungsrechtsreform führt nun einerseits zu einer Rechtsvereinheitlichung und wird andererseits Unterschiede zwischen den Bundesländern im Hinblick auf die Ausübung der Stiftungsaufsicht abbauen. Die neuen Vorschriften sind zwar erstmalig am 1.7.2023 anwendbar, entfalten aber gleichwohl bereits jetzt eine Art Vorwirkung und können die Anpassung von Satzungen bereits bestehender Stiftungen erforderlich machen. Betroffen von der Reform sind ca. 23.000 Stiftungen, wovon mehr als 90% gemeinnützige Zwecke verfolgen. Der nachfolgende Beitrag fasst die wesentlichen Eckpunkte der Reform zusammen.

I. Hintergrund

Das Stiftungszivilrecht, welches die Entstehung und die Verfassung einer rechtsfähigen Stiftung regelt, wird bisher einerseits noch in den §§ 80 ff. BGB a.F. und anderseits in den Stiftungsgesetzen der Bundesländer geregelt. Aufgrund dieser Aufspaltung traten bisweilen unterschiedliche Streitfragen und Rechtsunsicherheiten auf. So war bspw. in Teilen unklar, welche Vorgaben in den Landesstiftungsgesetzen durch eine bereits vorhandene bundesgesetzliche Regelung im BGB suspendiert werden. Zudem wichen die Vorschiften zwischen den Landesstiftungsgesetzen selbst voneinander ab. Darüber hinaus waren auch Unterschiede hinsichtlich der Praxis der jeweiligen Aufsichtsbehörden in der Rechtsauslegung und -anwendung erkennbar. 

Mit der Neufassung der §§ 80 ff. BGB soll jedenfalls den bisher bestehenden Unterschieden entgegengewirkt werden, indem das Stiftungszivilrecht künftig auf Bundesebene im BGB vereinheitlicht wird. Aus bislang neun Paragraphen des BGB werden nunmehr 36. Darunter fallen sowohl die Neufassung bereits bestehender als auch die Einführung gänzlich neuer Bestimmungen. Die neuen Vorschriften geben dabei der bereits gelebten Praxis ein gesetzliches Fundament und werden das Stiftungsrecht konkretisieren oder erweitern. Der Gesetzgeber geht ausweislich der Gesetzesmaterialien selbst davon aus, dass die neuen Regelungen das größtenteils schon heute geltende Stiftungszivilrecht wiedergeben und bekunden.

Zwar tritt das neue Gesetz erst mit Wirkung ab dem 1.7.2023 in Kraft. Die neuen Vorschriften enthalten aber in Teilen Vorgaben, die es zum einen notwendig werden lassen, Satzungen bereits bestehender Stiftungen auf Anpassungsbedarf hin zu überprüfen. Ein Augenmerk sollte insbesondere darauf gelegt werden, inwieweit Satzungen Regelungen zu
  • Satzungsänderungen, 
  • Vorgaben zum Erhalt und zur Verwaltung des Stiftungsvermögens,
  • neben dem Vorstand bestehenden Organen sowie
  • der Fassung von Beschlüssen 
enthalten. Hierzu ergeben sich ab 01.07.2023 erhebliche Änderungen, auf die sich nicht früh genug eingestellt werden kann und sollte. 

Zum anderen spiegeln die neuen Regelungen in Teilen bereits geltendes oder jedenfalls praktiziertes Recht wider, weshalb deren Sinn und Zweck, wie sie in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommt, bereits heute für die Auslegung der zurzeit noch geltenden Vorschriften herangezogen werden können.
  
II. Inkrafttreten des neuen Rechts

Um den bestehenden Stiftungen ausreichend Zeit zu geben, etwaige erforderliche Angleichungen ihrer Satzungen vorzunehmen, und den Bundesländern eine Überarbeitung ihrer Landesstiftungsgesetze vor dem Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung im BGB zu gewähren, tritt das neue Stiftungsrecht erst zum 1.7.2023 in Kraft. Bereits bestehende Stiftungen sollten dennoch zeitnah eine Prüfung des Änderungsbedarfes vornehmen, da Satzungsanpassungen grundsätzlich die Genehmigung der zuständigen Stiftungsbehörde erfordern und unter den gegebenen Umständen mit einer längeren Bearbeitungsdauer zu rechnen ist. 

Das Reformgesetz sieht für bereits bestehende Stiftungen keine Übergangsregelungen vor. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass Satzungen, die von den ab dem 1.7.2023 geltenden Regelungen abweichen, nicht nichtig werden, sondern Bestandsschutz genießen. Stiftungsbehörden sollten Stiftungsorganen in diesen Fällen die Möglichkeit zu Satzungsänderungen – unter den dann geltenden Bestimmungen – einräumen. Zu empfehlen ist allerdings, Satzungen jetzt zu überprüfen und in Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden eine Überarbeitung zeitnah, ggf. noch vor dem 1.7.2023, anzustreben. Denn Anpassungen sind einerseits nach dem 1.7.2023 nur noch unter den Voraussetzungen der §§ 85, 85a BGB n.F. möglich. Andererseits enthalten die neuen Bestimmungen in Teilen die Möglichkeit, durch anderslautende Satzungsregelungen von gesetzlichen Vorgaben zulässigerweise abzuweichen (sog. Öffnungsklauseln). Die Inanspruchnahme einer Öffnungsklausel ist aber z.B. bezogen auf die Ausgestaltung einer Hybridstiftung (siehe IV. 1.) nur im Rahmen des sog. Stiftungsgeschäfts, demnach bei Errichtung der Stiftung, möglich. Möchten Bestandsstiftungen von jenen Öffnungsklauseln Gebrauch machen, hätten sie hierzu theoretisch nicht mehr die Möglichkeit, da ihr Stiftungsgeschäft längst vollzogen wurde. Aber auch hier wird die Auffassung vertreten, auf Basis der noch geltenden Landesstiftungsgesetze und in Abstimmung mit den Behörden auch diesbezüglich Satzungsanpassungen durchführen zu können, nolens volens aber nur noch bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts. 

Bestandsstiftungen sollten daher 
  1. die bisherigen den neuen Regelungen gegenüberstellen und Abweichungen ermitteln sowie
  2. prüfen, ob daraus zwingende oder (empfehlenswerte) freiwillige Änderungen der Stiftungssatzung erforderlich werden oder geboten erscheinen.
Eine notwendige Ergänzung der Satzung könnte bspw. daraus folgen, dass ausgewählte Geschäftsführungsaufgaben einem anderen Gremium als dem Vorstand übertragen wurden, dies aber bisher in der Satzung nicht verankert worden ist, künftig aber einer Aufnahme in die Satzung nach § 84 Abs. 3 BGB n.F. bedarf (hierzu V.1.). Daneben könnte es empfehlenswert sein, für den Vorstand oder einen Stiftungsrat in der Satzung eine Ermächtigungsgrundlage für künftige Satzungsänderungen aufzunehmen, die von den engen Vorgaben des § 85 Abs. 1 bis 3 BGB n.F. abweichen (hierzu VI.1.), oder die Haftung für Pflichtverletzungen von Organmitgliedern, die ehrenamtlich tätig sind und unter § 31a BGB fallen, auszudehnen (hierzu V.2.).

III. Änderungen in der Stiftungsorganisation

1. Begriff der Stiftung
§ 80 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. nimmt eine Legaldefinition des Begriffs „Stiftung“ vor. Eine solche gab es bislang nicht. Diese Definition hat den Zweck, den Begriff der Stiftung sowohl für den Stifter selbst als auch für die Stiftungen als juristische Personen verständlicher zu machen. Danach ist eine Stiftung eine mit einem Vermögen zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung eines vom Stifter vorgegebenen Zwecks ausgestattete, mitgliederlose juristische Person. 

Eine Stiftung gehört somit nur sich selbst. Sie hat – im Vergleich zu einer Personen- oder Kapitalgesellschaft – weder Gesellschafter bzw. Anteilseigner noch – wie ein Verein – Mitglieder. Die Möglichkeit, Gewinne zu entnehmen oder auszuschütten, besteht nicht. Gleichwohl können Stiftungen Personen oder Personengruppen im Rahmen ihrer Zweckverfolgung Zuwendungen zukommen lassen. Der Kreis der begünstigten Personen wird Destinatäre genannt.

2. Stiftungsgeschäft
§ 81 Abs. 1 BGB n.F. enthält die Pflichtangaben zum sog. Stiftungsgeschäft. Bei dem Stiftungsgeschäft handelt es sich um die Willenserklärung des Stifters, eine Stiftung zu errichten und diese mit einem für die Erfüllung des Stiftungszwecks erforderlichen Vermögen auszustatten. Ausgestaltet werden kann eine Stiftung als sog. Ewigkeitsstiftung, die auf unbestimmte Zeit errichtet wird und den gesetzlichen Grundfall bildet, wie auch als sog. Verbrauchsstiftung, die auf bestimmte Zeit errichtet wird, innerhalb derer das Vermögen zur Erfüllung ihres Zwecks zu verbrauchen ist.

Das Stiftungsgeschäft fordert die Errichtung einer Stiftungssatzung. Die Satzung muss mindestens Angaben über den Zweck, den Namen, den Sitz und die Bildung des Vorstands enthalten. Weitergehende Regelungen, die über den gesetzlich geforderten Mindestinhalt hinausgehen, sind möglich. Hierdurch soll dem Stifter ausreichend Freiraum eingeräumt werden, seine Vorstellungen und Ideen über die Tätigkeit der Stiftung einfließen lassen zu können und seinen Stifterwillen in der gebotenen Ausführlichkeit zu bekunden (sog. Satzungsautonomie). 

Neben der Errichtung der Satzung muss der Stifter im Stiftungsgeschäft der Stiftung Vermögen zur Erfüllung des Stiftungszwecks widmen (gewidmetes Vermögen). Dieses Vermögen hat der Stifter nach Anerkennung der Stiftung durch die zuständige Stiftungsbehörde gemäß § 82a BGB n.F. auf die Stiftung zu übertragen. Es steht dem Stifter anschließend endgültig nicht mehr zur freien Verfügung und geht ins Eigentum der Stiftung über. 

Durch § 81 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB n.F. werden die gesetzlichen Anforderungen an eine Verbrauchsstiftung konkretisiert. Eine Verbrauchsstiftung ist im Vergleich zu einer Ewigkeitsstiftung nicht auf einen zeitlich unbegrenzten Fortbestand ausgerichtet. Für eine Verbrauchsstiftung ist die Zeit festzulegen, für die eine solche Stiftung errichtet werden soll (§ 81 Abs. 2 Nr. 1 BGB n.F.). Als Mindestdauer gelten nach § 82 Satz 2 BGB n.F. zehn Jahre. Die Satzung muss ferner Bestimmungen zur Verwendung des Stiftungsvermögens enthalten, die die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks und den vollständigen Verbrauch des Stiftungsvermögens innerhalb der Zeit, für welche die Stiftung errichtet wird, gesichert erscheinen lassen (§ 81 Abs. 2 Nr. 2 BGB n.F.). Es soll vermieden werden, dass der Zweck schon nach kurzer Zeit des Bestehens der Stiftung nicht mehr wirksam verfolgt werden kann, weil das Vermögen bereits kurze Zeit nach der Errichtung aufgebraucht wurde. Nach der Gesetzesbegründung erscheint eine nachhaltige Zweckerfüllung regelmäßig auch dann nicht gesichert, wenn der Großteil des Stiftungsvermögens erst kurz vor Ablauf der für die Stiftung vorgesehenen Lebensdauer für die Zweckerfüllung verbraucht wird.

Hinweis: Bei der Satzungsgestaltung einer Verbrauchsstiftung ist insbesondere ein Augenmerk auf die Darstellung des Zwecks und der hierfür im Zeitablauf benötigten und zu verbrauchenden Mittel zu legen. Der Prognose, ob das Vermögen zu Erfüllung des Stiftungszwecks während des gesamten Zeitraums ausreicht und verbraucht wird, kommt hier eine wesentliche Bedeutung zu. Eine positive Prognose ist Voraussetzung für die Anerkennung einer Stiftung durch die zuständige Stiftungsbehörde. 

§ 81 Abs. 3 BGB n.F. dient der Klarstellung hinsichtlich der formellen Anforderungen an das Stiftungsgeschäft. Dieses bedarf lediglich der schriftlichen Form. Strengere Anforderungen, z.B. die Formerfordernisse für Verträge über Grundstücke (§ 311b Abs. 1 BGB) oder die Übertragung von GmbH-Anteilen (§ 15 GmbHG), sollen grundsätzlich keine Anwendung finden. Eine notarielle Beurkundung ist somit – auch bei gewidmetem Vermögen in Gestalt von Grundbesitz oder GmbH-Anteilen – nicht zwingend erforderlich. Soll die Errichtung der Stiftung dagegen von Todes wegen – bspw. auf Basis eines öffentlichen Testaments – erfolgen oder ist die Übertragung eines Grundstücks auf die Stiftung im Stiftungsgeschäft vorgesehen, ist die Beteiligung eines Notars hingegen unerlässlich.

Hinweis: Auch künftig wird es nicht möglich sein, Stiftungen auf Zeit zu gründen, bei denen das Stiftungsvermögen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes wieder an den Stifter zurück- oder einen Dritten fällt. Aus Sicht des Gesetzgebers fehlt es bei diesen Stiftungen an der für die Stiftung typischen dauerhaften Verbindung zwischen Zweck und Vermögen, die die Schaffung des selbständigen Rechtssubjekts Stiftung und die Kosten für die staatliche Aufsicht zum Schutz der Stiftung rechtfertigen. Demgegenüber wird gleichwohl im Schrifttum die Ansicht vertreten, dass die Errichtung einer Stiftung für einen überschaubaren Zeitraum, bei dem die Zeitdauer von der Erreichung eines (zeitlich nicht im Vorfeld definierten) Zwecks abhängt, zulässig sei. Als Praxisbeispiel kommt die Errichtung einer Stiftung zur Sanierung eines Denkmals in Betracht, die mit Zweckerreichung aufzulösen ist.

3. Stifterwille
Mit § 83 Abs. 2 BGB n.F. wird die Maßgeblichkeit des ursprünglichen Stifterwillens statuiert und dessen Bedeutung deutlich hervorgehoben. Demnach haben sowohl die Stiftungsorgane als auch die Stiftungsaufsichtsbehörden den Willen des Stifters, oder hilfsweise den mutmaßlichen Stifterwillen, der bei der Errichtung der Stiftung zum Ausdruck gekommen ist, stets zu beachten. Der ursprüngliche und im Stiftungsgeschäft manifestierte Wille des Stifters als Maß aller Dinge wird somit nochmals klarstellend im Gesetz hervorgehoben und entspricht der bisherigen Rechtslage. Überlegungen, wonach einer Stifterin oder einem Stifter zu Lebzeiten noch eine autonome Einflussmöglichkeit auf die Stiftung und deren Zweck eingeräumt werden sollte, konnten sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen. Die Satzung bildet den Handlungsrahmen der Tätigkeit von Vorstand und daneben bestehenden Organen, in Form eines Stifterrats oder eines Kuratoriums o.ä. 

Hinweis: Die ausreichende Dokumentation des Stifterwillens bei der Errichtung einer Stiftung ist geboten, um späteren Unklarheiten vorzubeugen. Hierbei ist nicht zwingend erforderlich, ihn in der Satzung zu manifestieren. Eine Verankerung in neben der Satzung stehenden Dokumenten ist gleichfalls möglich. 

Die Maßgeblichkeit des ursprünglichen Stifterwillens bedeutet hingegen nicht, dass durch den Zeitlauf notwendig gewordene Anpassungen nicht vorgenommen werden können. Vielmehr geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Stifter zwar an seinem historischen Ausgangswillen festhalten will, notwendig gewordene Anpassungen zur Sicherstellung der Stiftungsexistenz auf Dauer aber im Regelfall von ihm gewünscht und erforderliche Korrekturen möglich sein sollen (hierzu näher unter V. 1.). 

IV. Änderungen beim Stiftungsvermögen

1. Unterscheidung von Grundstockvermögen und sonstigem Vermögen
Das Stiftungsvermögen wird von den §§ 80 ff. BGB a.F. bisher nur sehr knapp behandelt. Die jeweiligen Landesstiftungsgesetze formulieren zudem ebenfalls nur den stiftungsrechtlichen Grundsatz, nach dem das Stiftungsvermögen dauerhaft zu erhalten ist, ohne diesen jedoch weiter zu konkretisieren. Hilfreich und von Bedeutung wird daher künftig die grundlegende gesetzliche Ordnung des Stiftungsvermögens und dessen Verwaltung in § 83b und § 83c BGB n.F. sein. 

Unter dem Begriff des Stiftungsvermögens wird zunächst das gesamte Vermögen einer Stiftung verstanden. Es setzt sich aus verschiedenen Vermögensmassen zusammen. Begrifflich wird gem. § 83b Abs. 1 BGB n.F. zwischen den beiden Vermögensmassen „Grundstockvermögen“ und „sonstigem Vermögen“ unterschieden. Das Grundstockvermögen besteht aus denjenigen Vermögenswerten, die von der Stiftung nicht verbraucht werden dürfen. Es bildet somit das materielle Fundament der Stiftung und generiert Erträge, aus denen die Stiftungstätigkeit finanziert wird. Das Grundstockvermögen setzt sich nach § 83b Abs. 2 BGB n.F. aus dem der Stiftung bei Errichtung gewidmeten Vermögen, nachträglichen Zustiftungen (Übertragung von Vermögenswerten auf die Stiftung, zum Verbleib als Aufstockung des Grundstockvermögens) und von der Stiftung selbst dazu bestimmtem Vermögen zusammen. Im Vergleich dazu besteht das sonstige Vermögen hauptsächlich aus den laufenden Erträgen. Nach der Gesetzesbegründung ist bspw. für die Prognose, ob die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheint, nur das Grundstockvermögen der Stiftung maßgeblich.

Damit eine Stiftung ihren Zweck dauerhaft und nachhaltig erfüllen kann, ist das Grundstockvermögen dauerhaft und ungeschmälert zu erhalten. In welcher Form dies geschehen soll bzw. woran ein dauerhafter und ungeschmälerter Erhalt gemessen wird, wurde vom Gesetzgeber nicht weiter ausgeführt. In Betracht kommen ein gegenständlicher (bspw. bei Errichtung einer Stiftung unter Zuführung eines Grundstücks), ein nominaler oder ein realer Werterhalt. Der Gesetzgeber hat hier bewusst keine Vorgaben geschaffen. Maßgeblich ist vielmehr der Wille des Stifters, wie er zur Zeit der Stiftungserrichtung bestand und idealerweise in der Satzung der Stiftung oder einem Konzept zur Kapitalerhaltung niedergelegt ist. 

Hinweis: Das Verfassen eines Kapitalerhaltungskonzeptes ist einerseits sinnvoll, um späteren Schwierigkeiten beim Erforschen des Stifterwillens und daraus erwachsenden Diskussionen mit der Stiftungsaufsicht vorzubeugen. Andererseits wird hierdurch auch ein Rahmen für die Organe einer Stiftung geschaffen, die mit der Verwaltung des Grundstockvermögens befasst sind. Das Treffen von Anlageentscheidungen auf der Basis einer Grundlage ist in der aktuell noch immer andauernden Niedrigzinsphase umso bedeutender.

Ewigkeitsstiftungen können über Grundstockvermögen und sonstiges Vermögen verfügen. Demgegenüber besteht das Stiftungsvermögen einer Verbrauchsstiftung nur aus sonstigem Vermögen, welches nicht dazu verpflichtet, dauerhaft und ungeschmälert erhalten zu werden.

Erstmals räumt § 83b Abs. 3 BGB n.F. dem Stifter die Möglichkeit ein, im Stiftungsgeschäft einer Ewigkeitsstiftung einen Teil des Vermögens als (verbrauchbares) sonstiges Vermögen auszuweisen. Geschaffen wird hierdurch eine sog. Hybridstiftung, welche die Merkmale einer Ewigkeitsstiftung einerseits mit denen einer Verbrauchsstiftung andererseits kombiniert.

Hinweis: Für Stiftungen, die ihren Zweck nicht mehr nachhaltig verfolgen können, besteht die Möglichkeit, sich durch Satzungsänderung von einer Ewigkeits- zu einer Verbrauchsstiftung zu wandeln. Das dauerhaft und ungeschmälert zu erhaltende Grundstockvermögen wird in diesem Fall zu sonstigem (verbrauchbaren) Vermögen.

2. Umschichtungsgewinne
Gesetzlich verankert wird künftig die Behandlung von Umschichtungsgewinnen. Unter Umschichtungsgewinnen werden alle Gewinne verstanden, die aus der Veräußerung von Stiftungsvermögen stammen. Veräußert bspw. eine Stiftung Aktien des Grundstockvermögens zu einem höheren Preis als sie für deren Anschaffung ausgegeben hat, erzielt sie hiernach einen Umschichtungsgewinn. 

§ 83c Abs. 1 Satz 3 BGB n.F. stellt in diesem Zusammenhang nun klar, dass Gewinne aus der Umschichtung des Grundstockvermögens zur Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden dürfen, aber nicht müssen. Etwas anderes gilt hingegen im Falle einer anderslautenden Satzungsregelung. Es ist somit möglich, den Umgang mit Umschichtungsgewinnen durch eine Vorschrift in der Satzung vorzugeben. So könnte bspw. eine Formulierung derart ausgestaltet werden, dass nur ein positiver Saldo aus den Umschichtungsergebnissen für die Verwirklichung des Stiftungszwecks verwendet werden kann und eine Verwendung von Umschichtungsergebnissen für Satzungszwecke überhaupt nur zulässig ist, wenn Verluste früherer Jahre im Vorfeld ausgeglichen wurden. 

Hinweis: § 83c Abs. 1 Satz 3 BGB n.F. ist insbesondere im Lichte der steuerlichen Anforderungen gemeinnützig tätiger Stiftungen zu sehen. Nach den Vorgaben der Abgabenordnung (AO) unterliegen die erwirtschafteten Mittel einer steuerbegünstigten Stiftung dem sog. Gebot der zeitnahen Mittelverwendung (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO). Von diesem Gebot wurden unter steuerlichen Gesichtspunkten Umschichtungsgewinne ausgenommen (AEAO Nr. 32 zu § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO). § 83c Abs. 1 BGB entspricht somit der bereits gängigen steuerlichen Praxis, nach der ein Wahlrecht bestand, die Umschichtungsgewinne bspw. dem zu erhaltenden Grundstockvermögen zu widmen oder sie für (steuer-begünstigte) Zwecke zeitnah zu verausgaben. 

Weiter besteht nach § 83c Abs. 2 BGB n.F. die Möglichkeit, qua Satzung einen vorübergehenden und teilweisen Verbrauch des Grundstockvermögens zuzulassen und somit das Gebot des ungeschmälerten Erhalts des Grundstockvermögens partiell zu durchbrechen. Vorausgesetzt wird aber, dass der verbrauchte Teil zeitnah wieder dem Grundstockvermögen zugeführt wird. Eine solche Satzungsbestimmung soll es den Stiftungsorganen erlauben, zur Finanzierung größerer Projekte Grundstockvermögen zu verbrauchen, wenn es in den Folgejahren wieder aufgefüllt wird, was die Flexibilität der Stiftung bei derartigen Förderprojekten erheblich vergrößert.

Hinweis: Vorgaben in der Satzung für den Umgang mit Umschichtungsgewinnen oder die Eröffnung der Möglichkeit, einen Teil des Grundstockvermögens verbrauchen zu können, haben unbedingt unter Beachtung und Einbezug eines Kapitalerhaltungskonzeptes zu erfolgen. Andernfalls besteht das Risiko, inkongruente und nicht aufeinander abgestimmte Regelungen zu schaffen.

V. Änderungen auf Ebene der Stiftungsorgane

1. Weitere Organe neben dem Vorstand
Nach § 84 Abs. 1 BGB n.F. muss eine Stiftung zwingend einen Vorstand als obligatorisches Organ haben. Er führt die Geschäfte und vertritt die Stiftung im Rechtsverkehr (§ 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 BGB n.F.). Das Gesetz eröffnet aber ausdrücklich die Möglichkeit, weitere Organe neben dem Vorstand zu installieren (§ 84 Abs. 4 BGB n.F.). Dies stellt ebenfalls eine bislang nicht dagewesene Neuerung des Stiftungszivilrechts dar, obgleich die Schaffung weiterer Organe durch die Satzung in der Praxis auch bisher schon üblich und zulässig war. In Betracht kommt bspw. die Einrichtung eines Stiftungsrats. Die Bildung eines zusätzlichen Organs wie auch die Beschreibung seiner Aufgaben und Befugnisse müssen aber in der Stiftungssatzung niedergelegt sein. Als Aufgaben und Befugnisse kommen bspw. die Überwachung des Vorstands, die Bestellung und Abberufung von Mitgliedern des Vorstands, die Feststellung einer Jahresrechnung oder die Erteilung der Zustimmung zu bestimmten Geschäften in Betracht. Einem weiteren Organ könnten bspw. auch partielle Geschäftsführungsaufgaben übertragen und die Vertretungsmacht des Vorstands beschränkt werden (§ 84 Abs. 3 BGB n.F.)

Hinweis: Stiftungen, die neben dem Vorstand über weitere Organe verfügen, sollten ihre Satzungen auf Anpassungsbedarf hin überprüfen. Sofern entweder die über den Vorstand hinausgehenden Organe oder deren Aufgaben und Befugnisse in der Satzung nicht benannt oder nicht ausreichend sind, sind Ergänzungen vorzunehmen.

2. Haftung
Haftungsfragen sind vielschichtig. Nach § 31 BGB (einer Bestimmung aus dem Vereinsrecht) i.V.m. § 86 Satz 1 BGB a.F. bzw. § 84 Abs. 5 BGB n.F. haftet eine Stiftung für Schäden, die ihre Organe bzw. ein Mitglied ihres Organs einem Dritten zufügen. Daneben haften Mitglieder eines Organs, z.B. des Vorstands, im Weiteren gegenüber der Stiftung (sog. Binnenhaftung) sowie gegenüber Dritten (sog. Außenhaftung). 

Gegenüber der Stiftung haften Mitglieder eines Organs wegen Pflichtverletzungen grundsätzlich unbeschränkt. Gem. § 84a Abs. 1 BGB n.F. kann die Haftung in der Satzung – z.B. bereits bei Errichtung der Stiftung oder durch eine nachträgliche Satzungsänderung – aber beschränkt werden. Ein Haftungsausschluss kommt z.B. bei einfacher Fahrlässigkeit in Betracht.

Sind Organmitglieder unentgeltlich tätig oder liegt deren Vergütung nicht oberhalb von EUR 840 p.a., stellt § 84a Abs. 3 BGB n.F. im Weiteren eine gesetzliche Haftungserleichterung auf. Unter entsprechender Anwendung von § 31a BGB kommt in diesen Fällen grundsätzlich nur eine persönliche Haftung bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit in Betracht. Es besteht allerdings künftig die Möglichkeit, diese Haftungserleichterung in der Satzung durch eine abweichende Regelung zu beschränken oder auszuschließen (§ 84a Abs. 3 Satz 2 BGB). Diese Möglichkeit zur Abbedingung von § 31a BGB war bislang umstritten. Aus Sicht des Gesetzgebers kann der Ausschluss der Haftungserleichterung in den Fällen sinnvoll sein, in denen für Schäden, die durch Organe verursacht wurden, ein Versicherungsschutz (z.B. in Form einer D&O-Versicherung o.ä.) besteht. Die Stiftung kann sich dann durch Inanspruchnahme der Versicherung schadlos halten. Die Einschränkung oder der Ausschluss des Haftungsfreistellungsanspruchs kann entweder in der Errichtungssatzung oder durch eine spätere Satzungsänderung bei bereits bestehenden Stiftungen vorgenommen werden.

Hinweis: Sind bspw. Vorstandsmitglieder ehrenamtlich tätig, ist zu prüfen, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, eine Einschränkung oder einen Ausschluss der Haftungserleichterung in der Satzung zu regeln.

Dritten gegenüber können z.B. Stiftungsvorstände in den Fällen der Insolvenzverschleppung oder für Steuerschulden nach § 69 AO haften. Bei unentgeltlicher oder gering vergüteter Tätigkeit besteht aber für die Mitglieder eines Organs ein Freistellungsanspruch gegenüber der Stiftung nach § 31a Abs. 2 BGB i.V.m. § 84 Abs. 5 BGB n.F bzw. § 86 Satz 1 BGB a.F. 

3. Verankerung der Business Judgement Rule
§ 84a Abs. 2 BGB n.F. verankert die aus dem Aktienrecht bekannte sog. Business Judgement Rule fortan auch im Stiftungsrecht. Für Aktiengesellschaften ist eine entsprechende Regelung in § 93 AktG normiert und eröffnet den Organen einer Aktiengesellschaft bei unternehmerischen Entscheidungen einen Ermessensspielraum. Insbesondere kommt in der Business Judgement Rule zum Ausdruck, dass keine Pflichtverletzung (und damit kein Haftungsgrund) vorliegt, wenn das Organ bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft gehandelt zu haben. 

Übertragen auf eine Stiftung und deren Organe bedeutet dies, dass Stiftungsorgane unter bestimmten Umständen von der Haftung gänzlich ausgenommen sind, obgleich sie der Stiftung einen Schaden zugefügt haben. So ist beispielsweise der Irrtum eines Organmitglieds über zukünftige Entwicklungen an den Kapitalmärkten im Rahmen der Verwaltung des Stiftungsvermögens nicht haftungsrelevant. Allgemein gilt: Stiftungsorgane können nicht für den Erfolg oder Misserfolg ihrer Tätigkeit haftbar gemacht werden, sofern die Abwägung der Informationen und Argumente, die zu dieser Entscheidung geführt haben, nachvollziehbar und ausreichend dokumentiert worden sind. Demgegenüber kann sich ein Stiftungsvorstand nicht auf die Business Judgement Rule berufen, wenn er die Stiftung in ein Unternehmen investieren lässt, ohne von der angebotenen Möglichkeit einer Due Diligence Gebrauch zu machen, da er seine Entscheidung dann gerade nicht auf angemessene Informationen gestützt hat.

4. Beschlussfassung
Nach § 84b BGB n.F. erfolgt die Beschlussfassung bei einem aus mehreren Personen bestehenden Vorstand entsprechend der für Vereine geltenden Vorschriften (§ 32 BGB). Hier gilt das sog. Mehrheitsprinzip wie auch der Umstand, dass Beschlüsse im Rahmen einer Versammlung zu fassen sind. In der Satzung können davon abweichende Regelungen getroffen werden.

Hinweis: Die Satzung kann bspw. die Durchführung virtueller oder hybrider Vorstandssitzungen zulassen. In der Satzung kann auch eine Grundlage geschaffen werden, Beschlüsse im Wege eines Umlaufverfahrens – bspw. via E-Mail – fassen zu können. Die Arbeit der Organe wird hierdurch flexibler.

VI. Änderungen der Stiftungsstruktur

1. Satzung
Auch im Hinblick auf die Stiftungsstrukturen hält die Stiftungsrechtsreform umfassende und weitreichende Änderungen bereit, die nun in einem bundeseinheitlichen und übersichtlichen Regelwerk aufgeführt wer-den. Insbesondere die Festlegung des Verfahrens zur Änderung der Stiftungssatzung stellt eine bislang nicht dagewesene Ergänzung des Stiftungsrechts dar. Denn die Landesstiftungsgesetze weisen in diesem Punkt durchaus gravierende Unterschiede auf.

In den §§ 85, 85a BGB n.F. werden künftig abschließend das Verfahren und die Voraussetzungen für Satzungsänderung geregelt sein. Dazu werden die Anforderungen an eine Satzungsänderung über ein aus drei Stufen bestehendes System ausdifferenziert. Die Anforderungen sind dabei umso höher, je stärker der Eingriff in die Satzung ist.

Stufe 1: 
Austausch des Stiftungszwecks, Beschränkung des Stiftungszwecks der zu einer veränderten Stiftungsidentität führt, Umwandlung einer Ewigkeitsstiftung zu einer Verbrauchsstiftung.

Änderungen der Stufe 1 sind gem. § 85 Abs. 1 BGB n.F. nur zulässig, wenn die Erfüllung des bisherigen Stiftungszwecks unmöglich geworden ist und es sicher scheint, dass der beabsichtigte neue bzw. beschränkte Zweck erreicht werden kann.

Stufe 2: 
Änderung des Stiftungszwecks ohne Veränderung der Stiftungsidentität, Änderung prägender Satzungsbestimmungen (Name, Sitz, Art und Weise der Zweckerfüllung, Erhaltung und Verwaltung des Grundstockvermögens, etc.). 

Änderungen der Stufe 2 sind gem. § 85 Abs. 2 BGB n.F. dann zulässig, wenn die Verhältnisse nach Stiftungserrichtung sich so wesentlich verändert haben, dass die Anpassungen der Stiftung erforderlich sind.

Stufe 3:
Änderungen die den Stiftungszweck nicht berühren, Änderung einfacher Satzungsbestimmungen.

Änderungen der Stufe 3 sind gem. § 85 Abs. 3 BGB n.F. dann zulässig, wenn sie der Erfüllung der Stiftungszwecke dienen.

Dem Stifter wird in § 85 Abs. 4 BGB n.F. allerdings die Möglichkeit eingeräumt, im Stiftungsgeschäft Satzungsänderungen abweichend von den vorgenannten (gesetzlich festgelegten) Stufen zu regeln. Solche (satzungsmäßigen) Änderungsbefugnisse müssen allerdings bereits in der Errichtungssatzung selbst verankert und niedergeschrieben sein. Spätere Ergänzungen der Satzung sind dahingehend wohl ausgeschlossen, im neuen Stiftungsrecht jedenfalls nicht ausdrücklich vorgesehen. 

Die Möglichkeit satzungsmäßig eigene Vorgaben zu schaffen, ist jedoch nicht in der Weise zu verstehen, als könnten allumfassende und grenzenlose Änderungsbefugnisse, etwa durch entsprechende Sonderrechte für den Stifter zu dessen Lebzeiten, implementiert werden. Besonders die Ermächtigung zu einer gegenüber dem Gesetz erleichterten Änderbarkeit der Satzung muss durch den Stifter bezogen auf den Inhalt und den Umfang hinreichend bestimmt festgelegt sein. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist eine Blanko- und Pauschalermächtigung nicht möglich. Vielmehr muss der Stifter den Stiftungsorganen Leitlinien und Orientierungspunkte für eine Satzungsänderung an die Hand geben. Wie in § 85 Abs. 1 bis 3 BGB n.F. gilt auch hier: Je bedeutsamer die Änderungen sind, desto höher sind die Anforderungen, die an die Bestimmtheit der Ermächtigung gestellt werden. 

Hinweis: Insbesondere bereits bestehende Stiftungen sollten überprüfen, ob und inwieweit die Satzung um Ermächtigungsgrundlagen für spätere Satzungsänderungen ergänzt werden sollen. Dies wird nur mit Zustimmung und in Abstimmung mit der Stiftungsbehörde und nur bis zum 30.06.2023 nach Maßgabe der bis dahin noch geltenden Landesstiftungsgesetze und des historischen Stifterwillens möglich sein, da § 85 Abs. 4 BGB n.F. ausdrücklich einen entsprechenden Vorbehalt im Stiftungsgeschäft voraussetzt.

2. Zulegung und Zusammenlegung
In den §§ 86–86h BGB n.F. wird künftig die Abwicklung von Zulegungen und Zusammenlegungen von Stiftungen geregelt, gewissermaßen also eine Verschmelzung von Stiftungen zur Aufnahme bzw. zur Neugründung vorgesehen. Erreicht werden soll hier eine einheitliche Gesetzesanwendung und der Abbau von Rechtsunsicherheit. 

Unter einer Zulegung wird die Übertragung des Stiftungsvermögens als Ganzes auf eine andere, das Vermögen übernehmende, bereits bestehende Stiftung verstanden. Im Gegensatz dazu ist eine Zusammenlegung die Übertragung des Vermögens mehrerer Stiftungen auf eine neue, dadurch zu errichtende Stiftung. Die Zulegung und Zusammenlegung erfolgt nach § 86f Abs. 1 und 2 BGB n.F. im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. Die aufwändige Liquidation einer Stiftung ist somit künftig nicht mehr erforderlich, wenn der Weg eines solchen Vermögenstransfers gewählt wird. 

Stiftungen sollen aber nicht frei zugelegt und zusammengelegt werden können. Hierfür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Für eine Zulegung reicht es aber bereits aus, dass der Zweck der übernehmenden Stiftung in weiten Teilen mit dem Zweck der übertragenden Stiftung übereinstimmt. Demgegenüber setzt eine Zusammenlegung grundsätzlich voraus, dass sich die Verhältnisse nach der Errichtung der übertragenden Stiftungen wesentlich verändert haben und eine Anpassung der Stiftungen durch eine Satzungsänderung nicht möglich ist. Die Änderung der Stiftungszwecke um das Fortbestehen der Stiftungen zu sichern, sind demnach immer im Vorfeld vor einer Zusammenlegung zu prüfen und in der Praxis natürlich mit der Stiftungsbehörde abzustimmen.

Es soll dem Stifter aber unbenommen bleiben, die Zulegung bzw. Zusammenlegung durch entsprechende Vorkehrungen in der Satzung zu erschweren oder gänzlich auszuschließen. Erleichterungen für den Vermögensübergang dürfen dagegen nicht verankert werden. Insoweit sind die gesetzlichen Vorgaben zwingend. Eine erhebliche Erleichterung folgt allerdings aus der Formvorschrift von § 86d BGB n.F., wonach es für Zulegungsverträge und Zusammenlegungsverträge nur der schriftlichen Form bedarf und insbesondere § 311b Abs. 1 bis 3 BGB nicht anzuwenden ist. Selbst wenn also ein Grundstück im Vermögen einer übertragenden Stiftung enthalten ist und obwohl diese ihr gesamtes gegenwärtiges Vermögen überträgt, bedarf es keiner notariellen Beurkundung.

3. Beendigung durch Auflösung oder Aufhebung
Die §§ 87–87d BGB n.F. enthalten abschließende Regelungen zur Beendigung von Stiftungen. Diese Regelungen sind vor allem in der Hinsicht als zwingend anzusehen, als dass eine Erleichterung oder Erschwerung der Vorschriften auch nicht durch abweichende Satzungsregelungen möglich sein soll. Systematisch unterschieden wird künftig zwischen der Selbstauflösung der Stiftung durch das zuständige Stiftungsorgan (§ 87 BGB n.F.) und der behördlichen Aufhebung der Stiftung durch die Stiftungsaufsicht (§ 87a BGB n.F.). 

An die Auflösung bzw. Aufhebung werden aber bestimmte Voraussetzungen geknüpft. So kommt die Beendigung einer auf Ewigkeit angelegten Stiftung nur in Betracht, wenn sie ihren Zweck endgültig nicht mehr erfüllen kann. Endgültigkeit ist anzunehmen, wenn der Zustand der zur Unerfüllbarkeit des Zwecks führte, nicht in absehbarer Zeit beseitigt werden kann. Insbesondere liegt keine Endgültigkeit vor, wenn die Stiftung so umgestaltet werden kann, dass die Zweckerreichung durch eine Satzungsänderung wieder gewährleistet werden könnte. Aus diesem Umstand ergibt sich, dass die Auflösung stets das letzte Mittel („ultima ratio“) sein muss und hinter eine Satzungsänderung zurücktritt. 

Die Aufhebung der Stiftung durch die zuständige Behörde ist gegenüber der organschaftlichen Auflösung subsidiär. Sie soll gem. § 87a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB n.F. nur dann möglich sein, wenn die zuständigen Organe nicht rechtzeitig handeln. Weiter muss nach § 87a Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB n.F. eine behördliche Aufhebung erfolgen, wenn durch die Stiftung eine Gefährdung des Gemeinwohls besteht oder wenn die Stiftung ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegt hat und diese Verlegung nicht in angemessener Zeit wieder rückgängig zu machen ist. 

Das Vermögen selbst fällt bei erfolgreicher Liquidation der Stiftung an einen Anfallberechtigten, der grundsätzlich in der Satzung benannt werden sollte (§ 87c Abs. 1 Satz 1 BGB n.F.). Ist dagegen kein Anfallberechtigter bestimmt, fällt das Vermögen an den Fiskus (§ 87c Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.). 

Hinweis: Praktische Auswirkungen wird § 87c BGB n.F. für gemeinnützige Stiftungen nicht entfalten. Sie sind bereits aufgrund der steuerlichen Vorgaben verpflichtet, in ihren Satzungen eine Einrichtung zu benennen, der das Vermögen im Falle einer Liquidation oder Aufhebung der Stiftung zugutekommt. 

Für Verbrauchsstiftungen besteht im Vergleich zu Ewigkeitsstiftungen eine Pflicht zur Auflösung bzw. Aufhebung nach Ablauf des Zeitraums, für den sie errichtet wurde (§ 87 Abs. 2 BGB n.F.). Sie werden nicht automatisch aufgelöst, wenn ihr Vermögen verbraucht ist.

VII. Stiftungsregister

Ab dem 01.01.2026 wird ein zentrales und elektronisches Stiftungsregister eingeführt werden. Zur Umsetzung und Regelung dessen hat der Gesetzgeber im Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes ein eigenes Stiftungsregistergesetz („StiftRG“) beschlossen. Diese Neuerung ist längst überfällig, denn Stiftungen sind bislang die einzigen juristischen Personen privaten Rechts, die ohne ein öffentlich zugängliches Register auskommen müssen. Aus diesem Grund ist es aktuell für Stiftungsvorstände noch nötig, sich ihre Legitimität durch eine schriftliche Auskunft der Stiftungsaufsichtsbehörde bestätigen zu lassen, deren Anerkennung speziell im Ausland häufig schwierig ist. Durch das Stiftungsregister wird die Ausstellung dieser sog. Vertretungsbescheinigung zukünftig überflüssig werden. 

Weiter ist es derzeit gängige Praxis, dass Stiftungen sich sowohl im Stiftungsverzeichnis des Landes, in dem sie ihren Sitz haben, eintragen, als auch eine Meldung an das Transparenzregister gem. §§ 18 ff. GwG (Geldwäschegesetz) vornehmen müssen. Zurecht besteht in der Literatur die Sorge, dass zusätzlich nun bald auch noch die Kommunikation mit dem Stiftungsregister hinzukommt. Wünschenswert wäre also, dass der Gesetzgeber die Zeit bis zum Inkrafttreten des StiftRG nutzt und den Prozess genau normiert und bestenfalls so weit vereinfacht, dass eine einzige Meldung ausreichend ist, um allen Anforderungen bzgl. der Eintragung als Stiftung zu genügen. Als Stichtag für die Anmeldung bereits bestehender Stiftungen in das Stiftungsregister ist der 31.12.2026 festgelegt worden.

Die Eintragung in das Stiftungsregister soll mit sog. negativer Publizitätswirkung erfolgen. Die negative Publizitätswirkung beschreibt grundsätzlich das Vertrauen in die Nichtexistenz von nicht eingetragenen Tatsachen. Einzutragende Tatsachen können für gewöhnlich einem Dritten danach nur entgegengehalten werden, wenn sie auch eingetragen sind. 

Alle ins Stiftungsregister eingetragenen Stiftungen haben in ihrem Namen künftig einen Rechtsformzusatz zu führen. Für die Ewigkeitsstiftungen gilt gem. § 82c BGB n.F. der Zusatz „eingetragene Stiftung“ oder „e.S.“ und für die Verbrauchsstiftungen der Zusatz „eingetragene Verbrauchsstiftung“ oder „e.VS.“. Dadurch wird für den Rechtsverkehr erkennbar, ob es sich tatsächlich um eine rechtsfähige Stiftung handelt. 

Die Einsichtnahme in das Stiftungsregister soll gem. § 15 StiftRG jedermann gestattet sein. Dies soll auch für die Einsicht in beim Register eingereichte Dokumente, insbesondere die Stiftungssatzung, gelten. Allerdings soll die Möglichkeit bestehen, den Zugang zu bestimmten Dokumenten aufgrund berechtigtem Interesse der Stiftung zu beschränken oder sogar ganz ausschließen zu können. Dies kann ausweislich der Gesetzesbegründung dann der Fall sein, wenn z.B. personenbezogene Daten von Destinatären oder Stiftern oder Regelungen zur Vermögensverwaltung einsehbar wären. Besteht jenes Risiko würden die Dokumente nicht oder nur so in den Registerordner eingestellt, dass bestimmte Inhalte unkenntlich gemacht sind. Herausfordernd kann der künftige öffentliche Zugriff auf die Dokumente bspw. für Familienstiftungen werden, die für gewöhnlich eine Vielzahl an besonderen, familienbezogenen Regelungen enthalten.

VIII. Fazit

Ziel der Stiftungsrechtsreform soll es sein, das Stiftungsrecht für alle Beteiligten zugänglicher und übersichtlicher zu gestalten und die Rechtssicherheit bei der Anwendung dieses Teilrechtsgebietes zu erhöhen. Die Entscheidung hin zu einer bundeseinheitlich geltenden und abschließenden Regelung des Stiftungszivilrechts stellt vor diesem Hintergrund fraglos einen wichtigen Schritt in Richtung der Erreichung dieses großen und notwendigen Ziels dar. In Anbetracht der Tatsache, dass die Zahl an bereits bestehenden Stiftungen die Marke von 20.000 übersteigt, ist allerdings fraglich, ob bis zum Inkrafttreten der neuen und angepassten Normen den Stiftungen genug Zeit zur Umsetzung und Anpassung gegeben wurde. Insbesondere betrifft dies nötig gewordene Anpassungen der Stiftungssatzungen an die neuen rechtlichen Gegebenheiten. 

Den bereits bestehenden Stiftungen ist tunlichst anzuraten im Vorgriff auf das neue Recht ihre Stiftungssatzung zu prüfen bzw. prüfen zu lassen, ob es im Interesse der Stifter bzw. des weiteren Bestehens der Stiftung angezeigt ist, die Stiftungsatzung auf das neue Recht anzupassen und etwa Regelung zur Satzungsänderung abweichend von den künftig strengen Bestimmungen von §§ 85 und 85a BGB n.F. vorzusehen.

Handlungsbedarf besteht ganz besonders für inländische Stiftungen, die ihre Verwaltung aus dem Ausland führen, da das neue Recht zwingend verlangt, dass die Verwaltung der Stiftung im Inland zu führen ist (§ 83a BGB n.F.). Wird dem dahingehenden Verlangen der Stiftungsaufsichtsbehörde nicht entsprochen, so droht die Aufhebung der Stiftung durch die zuständige Behörde (§ 87a Abs. 2 Nr. 3 BGB n.F.).

Weiter stellt die Einführung eines bundeseinheitlichen Stiftungsregisters fraglos eine Verbesserung der momentanen Situation dar. In Anbetracht dessen, dass der Prozess der Anmeldung und Eintragung in so viele unterschiedliche Register aber mit erheblichem Aufwand verbunden zu sein scheint, bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber bis zur Einführung des Registers eine Aussage über den genauen und korrekten Hergang einer zukünftigen Eintragung trifft.
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von Fabian Lünsmann 22. Oktober 2025
Steigende Energiekosten, volatile Märkte und eine hartnäckige Inflation machen es derzeit kaum möglich, langfristig mit stabilen Mieteinnahmen oder -kosten zu planen. Für Vermieter wie Mieter wird daher immer wichtiger, schon im Vertrag festzulegen, wie sich die Miete künftig verändern darf oder soll – also wie der Vertrag auf die Realität reagiert. Das Gewerbemietrecht lässt hier deutlich mehr Gestaltungsfreiheit als das Wohnraummietrecht. Ob Index-, Staffel- oder Umsatzmiete: Jede Form der automatischen Mietanpassung kann sinnvoll sein – wenn sie klar, transparent und rechtssicher vereinbart ist. Der folgende Überblick zeigt, welche Modelle in der Praxis funktionieren, worauf Sie achten sollten und warum eine saubere Formulierung entscheidend ist. I. Warum Mietanpassungen heute unverzichtbar sind Im Gegensatz zum Wohnraummietrecht gibt es im Gewerbemietrecht keine gesetzlichen Regelungen zur Mieterhöhung. Was nicht im Vertrag steht, gilt nicht. Fehlt also eine Anpassungsklausel, bleibt die Miete über die gesamte Laufzeit unverändert – selbst wenn sich Markt oder Inflation massiv verändern. Das Risiko der Geldentwertung trägt allein der Vermieter. Wer Gewerberaum langfristig vermietet, sollte deshalb bereits bei Vertragsschluss festlegen, nach welchen Regeln sich die Miete im Laufe der Jahre verändern kann. Dabei geht es nicht nur um Fairness, sondern auch um die wirtschaftliche Planbarkeit beider Seiten. II. Die gängigen Modelle der Mietanpassung 1. Indexmiete – Anpassung an die Inflation Die Indexmiete koppelt die Miethöhe an den Verbraucherpreisindex (VPI) des Statistischen Bundesamts. Steigt der Index, darf auch die Miete steigen – sinkt er, kann sie entsprechend fallen. Diese Form der Wertsicherung hält den wirtschaftlichen Wert der Miete über Jahre stabil und schützt den Vermieter vor einer schleichenden Entwertung. Zulässig ist sie nach dem Preisklauselgesetz (PrKG) nur, wenn die Anpassung in beide Richtungen wirkt und sich auf einen amtlichen, objektiven und allgemein zugänglichen Index bezieht. Außerdem muss die Berechnungsformel klar, nachvollziehbar und frei von Ermessen sein. Ein weiterer, oft übersehener Aspekt betrifft die gesetzliche Mindestbindung des Vermieters: Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 PrKG darf eine Indexklausel nur dann wirksam vereinbart werden, wenn sich der Vermieter für mindestens zehn Jahre an den Vertrag bindet. Damit soll verhindert werden, dass der Vermieter die Indexklausel nur kurzfristig zu seinen Gunsten nutzt und sich bei ungünstiger Indexentwicklung durch Kündigung entzieht. Wird eine Indexklausel ohne die erforderliche Mindestbindung vereinbart, ist sie nicht nichtig, sondern bis zur Feststellung ihrer Unwirksamkeit schwebend wirksam. Die Rechtsfolgen treten dann erst ex-nunc, also ab dem Zeitpunkt der Feststellung der Unwirksamkeit ein. Frühere Mietanpassungen bleiben bis dahin wirksam, fällig und geschuldet. Das bedeutet: Bis zur Feststellung der Unwirksamkeit gilt der Vertrag grundsätzlich fort und wird nach den vereinbarten Bestimmungen vollzogen; ab dem Zeitpunkt der Feststellung darf die unwirksame Indexvereinbarung jedoch nicht mehr angewendet werden. Die aufgrund der unwirksamen Klausel überhöhte Miete ist dann für die Zukunft auf das rechtlich zulässige Maß herabzusetzen. Vor diesem Hintergrund betont die jüngste Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urteil vom 5. Juni 2025 – 10 U 146/24), wie wichtig eine transparente und regelkonforme Ausgestaltung solcher Indexvereinbarungen ist. Das Gericht erklärte zur Überraschung vieler Beobachter eine Wertsicherungsklausel für AGB-rechtlich unwirksam, weil sie weder eine Einsatzschwelle noch einen festen Anpassungsturnus vorsah und die konkrete Berechnungsmethode unklar blieb. Nach Auffassung des Gerichts verstieß die Klausel sowohl gegen das Transparenzgebot als auch gegen das AGB-rechtliche Verbot unangemessener Benachteiligung (§ 307 BGB). Die Folge: Die Klausel war von Anfang an unwirksam, und der Vermieter musste die überhöhten Mieten zurückzahlen. Dies ist überraschend, wenn man die bis dahin verbreitete Auffassung bedenkt, dass das AGB-Recht neben der spezialgesetzlichen Materie des Preisklauselgesetzes keine Anwendung findet bzw. die auf die Zukunft gerichtete Unwirksamkeitsregelung des § 8 PrKG Vorrang hat. 2. Staffelmiete – klare Zahlen, keine Überraschungen Die Staffelmiete sieht fest vereinbarte Mieterhöhungen zu bestimmten Zeitpunkten vor – etwa jährlich um einen festen Betrag oder Prozentsatz. Sie ist einfach, planbar und verwaltungsarm. Beide Seiten wissen genau, wann welche Miete gilt. Ihr Nachteil: Sie reagiert nicht auf Inflation oder Preisentwicklung. Bei hoher Geldentwertung verliert die Miete real an Wert, bei Preisrückgang bleibt sie unverändert hoch. Daher eignet sich die Staffelmiete vor allem für kurz- bis mittelfristige Verträge oder Einstiegsphasen – etwa, wenn einem neuen Mieter zu Beginn eine reduzierte Miete gewährt wird, die sich später an das Marktniveau annähert. 3. Umsatzmiete – flexibel und erfolgsabhängig Vor allem im Einzelhandel und in der Gastronomie kommt die Umsatzmiete zum Einsatz. Sie passt die Mietbelastung an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mieters an: Je besser das Geschäft läuft, desto höher die Miete – und umgekehrt. In der Regel wird eine Grundmiete mit umsatzabhängigem Zuschlag vereinbart, etwa: „5 % des Nettojahresumsatzes, mindestens EUR 5.000,00 im Monat.“ Wichtig sind hier klar definierte Umsatzbegriffe (z.B. unter Einbeziehung des Onlineabsatzes oder Gutscheinverkaufs) sowie Einsichts- und Prüfungsrechte des Vermieters in die bestenfalls testierten Umsatzmeldungen des Mieters. Ohne Mindestmiete kann die Vereinbarung einer Umsatzmiete unwirksam sein, weil die Gegenleistung nicht hinreichend bestimmbar ist. Für den Vermieter birgt die Umsatzmiete zudem das Risiko schwankender Einnahmen – sie lohnt sich daher nur in Branchen mit stabilen oder wachsenden Umsätzen. Eine Seltenheit in Zeiten von Onlinehandel und wackliger Konjektur in Folge der weltweiten Zollpolitik. III. Kombinationen mit Augenmaß In der Praxis finden sich zunehmend Kombinationsmodelle – etwa eine Staffelphase in den ersten Jahren, gefolgt von einer Indexierung ab Erreichen des Marktniveaus. So kann der Mieter sich in der Anlaufphase seines Geschäfts etablieren, während der Vermieter langfristig eine inflationsgeschützte Miete erzielt. Vorsicht ist jedoch bei gleichzeitiger Anwendung von Staffel- und Indexmiete geboten. Beide Modelle verfolgen denselben Zweck – den Schutz vor Geldentwertung. Ihre parallele Nutzung würde nach Ansicht des Verfassers diesen Mechanismus doppeln und widerspräche dem Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung. Zudem verlangt das Preisklauselgesetz, dass Indexklauseln auch Mietsenkungen zulassen müssen – was bei gleichzeitig steigender Staffel faktisch ausgeschlossen wäre. Solche Konstruktionen sind daher rechtlich riskant und sollten vermieden werden. IV. Wirtschaftliche und steuerliche Auswirkungen Mietanpassungsklauseln beeinflussen nicht nur die laufenden Einnahmen, sondern auch die Immobilienbewertung nach der ImmoWertV. Da der Ertragswert auf der nachhaltig erzielbaren Miete basiert, verändert sich durch Index-, Staffel- oder Umsatzklauseln die Kapitalisierung und damit der Verkehrswert. Zudem können Mietänderungen umsatzsteuerliche Folgen haben: Wird die Miete nachträglich angepasst, kann dies rückwirkende Korrekturen nach § 17 UStG auslösen – insbesondere, wenn sich die Bemessungsgrundlage ändert oder eine Mietminderung vereinbart wird. V. Fazit: Flexibilität braucht klare Regeln Automatische Mietanpassungen sind ein wirksames Instrument, um wirtschaftliche Entwicklungen vertraglich abzusichern – vorausgesetzt, sie sind transparent, nachvollziehbar und rechtssicher formuliert. Vermieter profitieren von stabilen Erträgen, Mieter von planbaren Konditionen. Doch fehlerhafte oder zu unklare Klauseln können teuer werden: Wird eine Anpassungsregelung von den Gerichten für unwirksam erklärt, gilt die Miete meist zulasten des Vermieters als festgeschrieben – oft für die gesamte Vertragslaufzeit. Deshalb lohnt sich eine individuelle Prüfung bestehender Mietverträge und eine rechtssichere Neugestaltung bei Vertragsabschlüssen. Denn klar geregelte Anpassungsmechanismen sind nicht nur juristische Feinheiten, sondern entscheidende Bausteine wirtschaftlich tragfähiger Mietverhältnisse. Praxistipp : Prüfen Sie ältere Gewerbemietverträge – insbesondere solche mit Indexklauseln ohne Einsatzschwelle oder Berechnungsformel. Die aktuelle Rechtsprechung setzt hier deutlich strengere Maßstäbe als bislang. Findige Mieteranwälte dürften hier bald auf den Geschmack der neuen Möglichkeiten des AGB-Rechts kommen. Wir begleiten Sie in allen Fragen des gewerblichen Miet- und Immobilienrechts – von der rechtlichen Prüfung bestehender Verträge über die Gestaltung und Verhandlung neuer Miet- und Pachtverhältnisse bis hin zur strategischen Beratung bei komplexen Immobilienprojekten. Für eine individuelle Beratung oder eine erste Einschätzung Ihres Anliegens wenden Sie sich gerne direkt an Rechtsanwalt Fabian Lünsmann, LL.M. (UCT), an Ihren Pelka-Berater oder nutzen Sie bequem unser Kontaktformular .
von Stephan Hettler 17. September 2025
I. Überblick Durch das Ableben des Erblassers entsteht für dessen Erben bei der Abwicklung des Erbfalls nicht nur ein hoher organisatorischer Aufwand. Neben einer potenziellen Erbschafsteuerbelastung ergeben sich oftmals auch erhebliche weitere Kosten für Notare, Gerichte und andere Institutionen. Besonders die Kosten für die Erteilung eines Erbscheins fallen dabei häufig ins Gewicht, obwohl sich diese in vielen Fällen vermeiden oder zumindest reduzieren lassen. In Bezug auf den Erbschein lohnt es sich daher, vor dessen Beantragung zu prüfen, ob er überhaupt notwendig ist oder sich die Kosten der Ausstellung durch eine Beschränkung zumindest verringern lassen. II. Rechtliche Möglichkeiten zur Reduktion der Kosten eines Erbscheinverfahrens 1. Notwendigkeit eines Erbscheins Gegenüber öffentlichen Einrichtungen wie dem Handelsregister oder dem Grundbuchamt können die Erben an Stelle des Erblassers als dessen Gesamtrechtsnachfolger handeln, wenn ein Nachweis der Erbenstellung vorliegt. Dieser Nachweis kann in den Fällen, in denen kein notarielles Testament und kein Erbvertrag existieren, grundsätzlich nur durch einen Erbschein erfolgen. Insoweit kann bereits die Existenz eines notariellen Testaments oder eines Erbvertrags die Notwendigkeit eines Erbscheins entfallen lassen. Der Nachweis der Erbenstellung durch notarielles Testament erfordert zusätzlich allerdings die Vorlage des Eröffnungsprotokolls des Nachlassgerichts, das den Vorgang der erfolgten Testamentseröffnung dokumentiert. Auch Banken und Versicherungen fordern in aller Regel einen Nachweis der Erbenstellung. Gerade bei Banken gestaltete sich dieser Nachweis in der Vergangenheit aber nicht immer einfach. Bereits vor längerem kippte der BGH mit Urteil vom 08.10.2013 – XI ZR 401/12 die bis dahin vielfach in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Banken und Sparkassen enthaltene Regelung, mit der sich die Institute pauschal das Recht vorbehielten, von (Mit-)Erben nach ihrem freien Ermessen die Vorlage eines Erbscheins zu verlangen. Danach fand sich in den Bank-AGB eine Regelung, wonach ein Erbnachweis „in geeigneter Weise“ zu erbringen ist. Mit Urteil vom 05.04.2016 – XI ZR 440/15 hatte der Bundesgerichtshof erstmals entschieden, dass der Erbe sein Erbrecht gegenüber der Bank auch durch ein eröffnetes privatschriftliches Testament belegen kann, wenn dieses die Erbfolge eindeutig ausweist. Aufgrund dieser Rechtsprechung kam es erneut zu einer Änderung der Banken-AGB, die nunmehr den Nachweis durch Testament oder Erbvertrag, ggf. i.V.m. dem Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts, ausdrücklich zulassen. Auch im Hinblick auf die Nachlassabwicklung mit Banken wird ein Erbschein daher nicht mehr zwangsläufig benötigt. 2. (Vorsorge-)Vollmacht als Alternative zum Erbschein Existiert kein notarielles Testament und kein Erbvertrag und gehören zum Vermögen des Erblassers weder Gesellschaftsbeteiligungen noch Grundstücke, so reduziert sich die Rolle des Erbscheins häufig auf den Nachweis der Erbenstellung gegenüber den kontoführenden Banken. Hintergrund des Nachweiserfordernisses ist das Schadensrisiko der Bank, die bei einem unberechtigten Kontenzugriff ggf. mehrfach in Anspruch genommen werden kann. Eines Nachweises der Erbenstellung bedarf es allerdings in solchen Fällen nicht, in denen der Erbe durch den Erblasser nachweislich zum Kontenzugriff – auch über den Tod des Vollmachtgebers hinaus – bevollmächtigt ist. Eine derartige Bevollmächtigung kann insbesondere durch eine (Vorsorge-)Vollmacht des Erblassers erfolgen, die zu Lebzeiten ausgestellt und die explizit über seinen Tod hinaus gelten soll (sog. transmortale Vollmacht). Ist hingegen nicht gewünscht, dass der Erbe bereits zu Lebzeiten des Erblassers über dessen Konten verfügen können soll, kann alternativ auch eine sogenannte postmortale Vollmacht erteilt werden. Im Gegensatz zur transmortalen Vollmacht wird die postmortale Vollmacht zwar zu Lebzeiten des Erblassers erteilt, sie tritt aber erst nach dem Tod des Erblassers in Kraft. In beiden Fällen wird der Bevollmächtigte in die Lage versetzt, das Bankguthaben nach dem Tod des Erblassers einzuziehen, ohne auf die Erteilung eines Erbscheins warten zu müssen. Befinden sich im Nachlass weder Grundstücke noch Gesellschaftsbeteiligungen können durch eine solche Vollmacht die Notwendigkeit eines Erbscheins und damit auch die entsprechenden Kosten für ein Erbscheinverfahren sogar gänzlich entfallen. Um Nachweisproblemen aus dem Wege zu gehen, empfiehlt sich für den Vollmachtgeber in jedem Fall die Vorsorge-Vollmacht notariell beurkundet zu erteilen, wenigstens aber sie notariell beglaubigt zu unterschreiben. Um im Verhältnis zu den kontoführenden Banken auf der sicheren Seite zu sein, kann der Erblasser zusätzlich eine trans- oder postmortale Bankvollmacht auf den Formularen des jeweiligen Kreditinstituts erteilen, deren Anerkennung die Bank schwerlich in Frage stellen kann. 3. Potenzielle Beschränkung eines Erbscheins Die Gebühren für einen Erbschein bemessen sich nach dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls, also grundsätzlich nach dem Wert des gesamten Nachlasses. Ist ein Erbschein zwingend erforderlich, weil ein Erbnachweis benötigt wird, aber kein notarielles Testament oder Ähnliches existiert, können sich je nach Umfang des Nachlasses hohe Kosten für die Erbscheinerteilung ergeben. Wird nur für einen Teil des Vermögens ein Nachweis benötigt, stellt sich häufig die Frage, ob der Erbschein auch nur für den Teil des Vermögens, für das der Erbnachweis erforderlich ist, ausgestellt werden und hierdurch ein niedrigerer Gegenstandswert (und damit niedrigere Gebühren) erreicht werden kann. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH ist eine Beschränkung des Erbscheins allerdings nur in denjenigen Fällen möglich, in denen dies ausdrücklich durch das Gesetz gestattet wird. Einen solchen Fall stellt der sogenannte „gegenständlich beschränkte Erbschein“ nach § 352c FamFG dar. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Art des Erbscheins, der beantragt werden kann, wenn sich das Nachlassvermögen zu einem Teil im deutschen Inland und zu einem anderen Teil im Ausland befindet. Der Erbschein kann dann auf den inländischen Vermögensteil beschränkt werden, was mit einer Reduzierung des Gegenstandswerts und damit auch der Kosten für den Erbschein einhergeht. Die Ausstellung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins erfolgt allerdings nicht von Amts wegen und muss daher im Rahmen des Erbscheinverfahrens ausdrücklich beantragt werden. III. Zusammenfassung Hinsichtlich des Erfordernisses eines Erbscheins kann in einigen Fällen der Nachlassabwicklung eine erhebliche Kostenersparnis herbeigeführt werden. Existiert ein notarielles Testament oder ein Erbvertrag ist ein Erbschein – auch gegenüber Banken – grundsätzlich nicht erforderlich. Auf die Beantragung eines Erbscheins kann in diesen Fällen daher grundsätzlich verzichtet werden. Ist ein Erbnachweis aufgrund der Vermögenslage des Erblassers nur gegenüber der Bank erforderlich, kann durch Ausstellung einer trans- oder postmortalen Vollmacht zu Lebzeiten des Erblassers die Erteilung eines Erbscheins ebenfalls vermieden werden. Ist ein Erbschein hingegen zwingend erforderlich, lässt sich eine Kostenersparnis ggf. durch gegenständliche Beschränkung nur erreichen, wenn sich ein Teil des Nachlassvermögens im Ausland befindet. Sollten Sie zu den Möglichkeiten der Kostenersparnis nach einem Erbfall Fragen haben oder eine individuelle Beratung wünschen, stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. Nehmen Sie hierzu Kontakt zu unserem Kollegen Stephan Hettler auf oder füllen Sie das Kontaktformular aus.
von Di Wu 3. September 2025
I. Einleitung Für Unternehmen, die im europäischen Binnenmarkt in Bezug auf den Warenhandel grenzüberschreitend tätig sind, sind aus umsatzsteuerlicher Sicht sog. „Innergemeinschaftliche Lieferungen“, „Reihengeschäfte“ oder auch das „Innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft“ zentrale Themen in deren Alltagsgeschäft. Die korrekte umsatzsteuerliche Handhabung stellt die Unternehmen aber regelmäßig vor erhebliche praktische Herausforderungen. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG in Verbindung mit § 6a UStG unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei, erfordern hierfür jedoch eine präzise Einhaltung der materiell-rechtlichen und formellen Anforderungen, unter anderem im Hinblick auf die Verwendung einer gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und die korrekte Abgabe der Zusammenfassenden Meldung. Fehler in der Abwicklung, wie unvollständige Nachweise oder fehlerhafte Meldungen, werden häufig erst im Rahmen von Betriebsprüfungen entdeckt und können zu erheblichen Steuernachzahlungen führen. Die Komplexität steigt weiter, wenn innergemeinschaftliche Lieferungen im Rahmen von Reihengeschäften erfolgen. Bei einem Reihengeschäft liegen mehrere Lieferungen zwischen verschiedenen Unternehmern vor, wobei die tatsächliche Warenbewegung direkt vom ersten Lieferer zum letzten Abnehmer erfolgt. Hierbei kommt es auf die umsatzsteuerliche Ortsbestimmung der einzelnen Lieferungen an. Die korrekte Zuordnung der sog. bewegten Lieferung ist letztlich entscheidend für die Steuerbefreiung. Dieser Beitrag befasst sich im Speziellen mit einer Sonderform des (grenzüberschreitenden) Reihengeschäfts, dem sog. Innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft. II. Funktionsweise und Zweck des Innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts 1. Funktionsweise Beim innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft handelt es sich um eine besondere Form des Reihengeschäfts. Folgende Voraussetzungen müssen vorliegen, damit ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft im Sinne von § 25b Abs. 1 UStG gegeben ist: Es muss eine mindestens dreigliedrige Umsatzkette mit Unternehmern, bestehend aus dem ersten Lieferer A, dem Zwischenhändler B und dem Abnehmer C, vorliegen und die Ware direkt vom Lieferer A zum Abnehmer C gelangen. Die Warenbewegung muss dabei zwischen zwei verschiedenen Mitgliedstaaten stattfinden und die Verantwortung für den Transport entweder beim ersten Lieferer A oder beim Zwischenhändler B liegen. Bei der Abwicklung müssen die beteiligten Unternehmer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern aus verschiedenen Mitgliedstaaten verwenden. Liegt ein Dreiecksgeschäft in diesem Sinne vor, gibt es weitere Bedingungen, unter denen der Zwischenhändler B die nach der Gegenleistung zu bemessende Umsatzsteuer für den Umsatz mit Lieferort im Bestimmungsland auf den Abnehmer C übertragen kann. Bevor der Zwischenhändler B die Lieferung tätigt, muss er den Liefergegenstand vom ersten Lieferer A im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs erhalten haben. Für den Zwischenhändler B greift die Erleichterung durch die Übertragung der Steuerschuld auf den Abnehmer C aber nur dann, wenn der Zwischenhändler B im Bestimmungsland weder ansässig ist, noch eine von dort vergebene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet. Die Verwendung einer vom Bestimmungsland vergebenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ist für die Anwendung der Steuerschuldumkehr hingegen dem Abnehmer C vorbehalten und zwingende Voraussetzung. 2. Zweck Letztlich bringt die Regelung zum innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft hauptsächlich Erleichterungen für den Zwischenhändler B in einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft, vor allem im Hinblick auf die Registrierungspflichten im Bestimmungsland der gehandelten Ware. Denn als Abnehmer für den Umsatz des ersten Lieferers A verwirklicht er beim Dreiecksgeschäft zum einen im Bestimmungsland den Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs, zum anderen verschafft er bei seinem Folgeumsatz dem Abnehmer C die Verfügungsmacht erst im Bestimmungsland und löst dort wiederum einen umsatzsteuerbaren Vorgang aus. Beide Tatbestände würden ohne die Vereinfachungsregelung des § 25b UStG die steuerliche Registrierung des Zwischenhändlers B im Bestimmungsland erfordern. Durch die in § 25b Abs. 2 UStG geregelte Rechtsfolge kann der Zwischenhändler B jedoch die Umsatzsteuerschuld aus dem Umsatz an den Abnehmer C im Bestimmungsland auf diesen übertragen. Diesbezüglich entfällt eine Registrierungspflicht. Gleichzeitig ist mit dem Übergang der Steuerschuld auf den Abnehmer C die Rechtsfolge verbunden, dass in diesem Fall der innergemeinschaftliche Erwerb des Zwischenhändlers B zudem als besteuert fingiert wird. III. Praktische Hinweise und aktuelle Rechtsprechung 1. Beispiel Anhand eines einfachen Beispiels sollen nochmal die Funktionsweise und Vereinfachungen des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts verdeutlicht werden: Abnehmer C aus Polen bestellt beim Zwischenhändler B in Deutschland eine Maschine. B bestellt selbst beim Lieferer A aus Frankreich. A befördert die Maschine mit eigenem Lkw direkt aus Frankreich nach Polen und übergibt sie dort C. Alle drei Unternehmer verwenden jeweils ihre nationale Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Es liegt ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft vor. Der Ort der ersten Lieferung des A, dem als warenbewegter Lieferung die Beförderung zugerechnet wird, befindet sich im Ursprungsland Frankreich und ist nach französischem Recht zu beurteilen (evtl. steuerfrei, A hat ggf. in Frankreich eine Zusammenfassende Meldung abzugeben). Zwischenhändler B muss einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Polen versteuern (und hat dort in gleicher Höhe ggf. den Vorsteuerabzug). Der Lieferort der nachfolgenden Lieferung des B an C befindet sich in Polen, sodass diese Lieferung der polnischen Umsatzsteuer unterliegt. Der deutsche Zwischenhändler B müsste sich eigentlich in Polen umsatzsteuerlich registrieren lassen. Durch die Vereinfachungsregelung für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte wird die Registrierung in Polen für B vermieden. Denn der im Bestimmungsland Polen ansässige letzte Abnehmer C übernimmt für den deutschen Zwischenhändler B die aus dessen Lieferung resultierende polnische Steuerschuld und C kann die nach § 25b UStG geschuldete Umsatzsteuer selbst als Vorsteuer abziehen, soweit er vorsteuerabzugsberechtigt ist. Der vom Zwischenhändler B in Polen getätigte innergemeinschaftliche Erwerb gilt als besteuert, also als erledigt. Der deutsche Zwischenhändler B wird letztlich von den Erklärungspflichten im Bestimmungsland Polen befreit. Jedoch muss B in seinem Ansässigkeitsstaat Deutschland seine Lieferung an C gegenüber den deutschen Finanzbehörden wie folgt erklären: In der USt-Voranmeldung bzw. -Jahreserklärung (ohne Umsatzsteuerschuld gem. § 25b UStG) sowie In der Zusammenfassenden Meldung mit Angabe der polnischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers C (dies soll der Kontrolle dienen, ob der Abnehmer C in Polen seinen umsatzsteuerlichen Pflichten nachkommt). Die Vereinfachungsregelung erfordert materiell-rechtlich zwingend, dass der mittlere Unternehmer in seiner Rechnung an den letzten Abnehmer des Dreiecksgeschäfts die Umsatzsteuer nicht gesondert ausweist, auf das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft hinweist (z. B. "Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft nach § 25b UStG" oder "Vereinfachungsregelung nach Art. 141 MwStSystRL") den letzten Abnehmer auf die auf ihn überwälzte Steuerschuldnerschaft hinweist, seine eigene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und die des letzten Abnehmers im Dreiecksgeschäft angibt. 2. Praxishinweise Ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft erfordert also zwingend, dass in der Rechnung des Zwischenhändlers auf die Steuerschuldnerschaft des Erwerbers bzw. Abnehmers hingewiesen wird. Diesbezügliche Abrechnungsfehler sind nicht rückwirkend heilbar. So haben EuGH (EuGH in der Rs. „Luxury Trust Automobil“; Urteil v. 8.12.2022 - C-247/21) und BFH (vgl. BFH, Urt. v. 17.7.24, XI R 35/22) aktuell entschieden. Der in § 14a Abs. 7 UStG geforderte Hinweis auf das Dreiecksgeschäft in der Rechnung des mittleren Unternehmers an seinen Abnehmer ist nach Auffassung des BFH in allen Fällen eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Anwendung des Dreiecksgeschäfts. Fehlen die entsprechenden Hinweise in der Rechnung, können die Vereinfachungsfolgen des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts nicht eintreten. Da sich Unternehmen häufig gar nicht bewusst sind, dass sie an einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft beteiligt sind, sollten insbesondere die Buchhaltungsabteilungen darauf sensibilisiert werden, diese zu erkennen. Andererseits sind die Regelungen zum innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft jedoch „nur“ ein Wahlrecht für den mittleren Unternehmer, so dass die Rechtsfolgen nur dann eintreten, wenn der mittlere Unternehmer die Anwendung auch klar und eindeutig beantragt. Sofern Unternehmen die Vereinfachungsregelung bewusst in Anspruch nehmen möchten, sollten sie auf die korrekte Umsetzung der strengen formalen Vorgaben achten, damit die Vereinfachungen auch wirklich eintreten. Dies erfolgt regelmäßig durch die Ausstellung von korrekten Rechnungen sowie der Deklaration in der lokalen Umsatzsteuer-Voranmeldung und in der Zusammenfassenden Meldung. Wird ein Dreiecksgeschäft falsch „umgesetzt“, kann dies für den mittleren Unternehmer zu erheblichem Mehraufwand und Kosten führen. Er muss sich ggf. nachträglich im Bestimmungsmitgliedstaat umsatzsteuerlich erfassen und dort innergemeinschaftliche Erwerbe sowie lokale Lieferungen erklären. Dies kann bei nachträglichem Erkennen zusätzlich zu Nachzahlungen oder gar Strafen führen. Bei der korrekten umsatzsteuerlichen Behandlung von Reihengeschäften im Allgemeinen oder der richtigen umsatzsteuerlichen Handhabung von innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften im Besonderen unterstützen wir Sie gerne. Setzen Sie sich bei Fragen mit Ihrem Pelka-Berater oder Herrn Di Wu in Verbindung oder füllen unser Kontaktformular aus.
von Dr. Eric Hoeveler und Melissa Maas 27. August 2025
Bereits in der Vergangenheit haben wir in unseren Beiträgen (zu Teil III hier ) die steuerlichen und rechtlichen Aspekte rund um Influencer und Content-Creator beleuchtet. Nachdem die Finanzverwaltung einige Jahre den Schwerpunkt augenscheinlich nicht auf diese Steuerpflichtigen legte, ist aktuell eine deutliche Verschärfung seitens der Finanzämter zu beobachten: Von der Einrichtung von Sonder-Influencer-Teams bei den entsprechenden Behörden bis zur Zusammenarbeit mit den einschlägigen Online-Plattformen und der Initiierung neuer Ermittlungsmethoden: die Behörden gehen derzeit mit Nachdruck gegen Steuerhinterziehung im Bereich der Influencer und Content-Creator vor. So werden bereits jetzt Strafverfahren gegen in dieser Branche aktive Personen geführt. Gegenstand der Verfahren sind dabei im Durchschnitt steuerliche Fehlbeträge im hohen fünfstelligen Bereich, in Einzelfällen sogar in Millionenhöhe. I. Die steuerlichen Fallstricke im Überblick Die Wege, als Influencer und Content-Creator Einnahmen zu generieren, sind vielfältig, eine Einordnung daher oftmals unübersichtlich: Vergütungen für Klicks, Einnahmen aus Affiliate-Links oder Werbekooperationen, Abo-Zahlungen, „Trinkgelder“ für persönliche Fotos, Produktplatzierungen, Einnahmen aus der Teilnahme an TV-Formaten oder Preisgelder aus Gaming-Turnieren – und neue Konzepte keimen ständig auf, die laufend einer steuerlichen Einordnung bedürfen. Nicht alle Kreativen sind sich möglicherweise den steuerlichen Pflichten bewusst, die mit ihrer Tätigkeit verbunden sind. Dies führt teilweise zu immensen – teilweise sogar strafrechtlichen – Konsequenzen. Ob einkommen-, gewerbe-, umsatz- oder sogar schenkungsteuerlich – die steuerlichen Fallstricke sind vielschichtig. Mittlerweile dürfte allseits bekannt sein, dass in aller Regel auf die erzielten Einnahmen Einkommen- und Gewerbesteuer zu entrichten ist. Wer in Deutschland seinen Wohnsitz hat oder sich hier gewöhnlich aufhält, ist mit seinen gesamten Einkünften steuerpflichtig. Doch was einkommensteuerpflichtige Einkünfte sind, bedarf oftmals einer Prüfung im Einzelfall. In der Regel wird durch die Tätigkeit als Influencer oder Content-Creator zudem ein Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuergesetzes begründet. Daraus resultiert sowohl eine Gewerbesteuerpflicht als auch weitere Verpflichtungen wie die Anmeldung bei dem zuständigen Gewerbeamt. Auch umsatzsteuerliche Pflichten sind nicht außer Acht zu lassen. Dabei kann bereits die Nichtangabe von Einkünften oder Umsätzen den Vorwurf der Steuerhinterziehung begründen. Zuletzt gingen zudem immer wieder Schlagzeilen durch die Presse, dass auch Geldgeschenke in Höhe von mehreren zehntausenden oder sogar hunderttausenden Euros keine Seltenheit darstellen. Auch derartige freiwillige Leistungen von Fans oder Kunden ohne entsprechende Gegenleistungen sind nicht steuerfrei, sondern als Schenkungen, sofern sie die Freibetragsgrenze überschreiten, zu versteuern und auch als solche gegenüber den Finanzbehörden anzuzeigen. II. Wegzug ins Ausland Immer mehr Influencer und Content-Creator wollen aufgrund der steuerlichen Belastung Deutschland den Rücken kehren. Doch auch ein Wegzug ins Ausland entbindet nicht automatisch von steuerlichen Pflichten in Deutschland und sollte vorher gut durchdacht und geplant werden. Zum einen ist auch derjenige, der zwar keinen Wohnsitz (mehr) in Deutschland hat, aber hier Einkünfte erzielt, beschränkt auf diese Einkünfte weiterhin in Deutschland steuerpflichtig. Zum anderen greift die deutsche erweiterte beschränkte Steuerpflicht, wenn zwar der Wohnsitz bzw. der gewöhnliche Aufenthalt ins Ausland verlagert wird, aber wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland behalten werden. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, werden zwar vielfach internationale Abkommen herangezogen, doch gerade bei Zielstaaten mit niedriger oder überhaupt keiner Besteuerung bestehen hier oft Lücken. Eine frühzeitige steuerliche Planung ist daher unerlässlich. Daneben droht durch den Wegzug aus Deutschland zudem eine zwar einmalige, aber hohe Steuerbelastung durch eine sog. Entstrickung von Wirtschaftsgütern. Besonders relevant sind dabei die sog. selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgüter. Darunter können u.a. bestehende Kundenbeziehungen, Social-Media Accounts mit entsprechender Reichweite oder auch Private-Label-Produkte fallen. Durch die Entstrickung wird der in Deutschland entstandene Wertzuwachs dieser Vermögenswerte aufgedeckt und in Deutschland steuerpflichtig. III. Was tun bei Zweifeln, vermutetem Verstoß gegen steuerliche Pflichten oder geplantem Umzug? Sollten Sie befürchten, dass Steuererklärungen unvollständig waren oder Steuern nicht korrekt abgeführt wurden, ist ein schnelles, aber auch wohl überlegtes Handeln entscheidend. Die Möglichkeit einer Selbstanzeige bietet hier einen Weg, bestehende Steuerverstöße strafbefreiend zu bereinigen – vorausgesetzt, sie wird ordnungsgemäß und vollständig durchgeführt. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten: Eine fehlerhafte oder unvollständige Selbstanzeige kann die Vorteile zunichte und stattdessen das Finanzamt auf den Verstoß aufmerksam machen. Dies kann erhebliche, insbesondere auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Ähnlich verhält es sich bei einem geplanten Umzug ins Ausland. Ein solcher erfordert eine gründliche Planung und möglicherweise Anpassung der Geschäftsstrukturen. Eine vorgelagerte Steuerplanung, vor allem im Hinblick auf immaterielle Werte, ist dabei unumgänglich, um potenzielle Steuerfallen zu vermeiden. Es empfiehlt sich daher, frühzeitig eine steuerliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. IV. Fazit Die steuerlichen Fallstricke für Influencer und Content-Creator sind vielschichtig. Behördliche Kontrollen der steuerrelevanten Verhältnisse nehmen zudem zu. Eine vorausschauende und fundierte steuerliche Beratung ist unerlässlich, um Fallstricke zu vermeiden und auf der sicheren Seite zu bleiben. Haben Sie Zweifel oder vermuten Sie sogar bereits steuerliche Probleme, so sollten Sie nicht zögern und frühzeitig professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen. Gerne stehen wir Ihnen mit zur Seite – sowohl bei der präventiven Planung als auch bei der Begleitung von Selbstanzeigen oder sonstigen steuerlichen Fragestellungen rund um Ihre Tätigkeit. Füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
von Elena Beeretz 13. August 2025
Ein nach dem 20. Juli 2025 verbleibender Hinweis auf die Streitbeilegungsplattform der Europäischen Union (EU) im Impressum einer Website ist irreführend und kann Anlass für Abmahnungen sein. I. Aktueller Handlungsbedarf: Hinweis entfernen Viele Unternehmen verweisen auf ihrer Website auf die EU-Streitbeilegungsplattform. Dieser Hinweis befindet sich zumeist im Impressum einer Homepage oder in E-Mail-Signaturen. Die Plattform wurde jedoch zum 20. Juli 2025 endgültig abgeschaltet. Ein entsprechender Hinweis ist damit nicht nur überholt, sondern kann auch rechtliche Risiken nach sich ziehen. II. Hintergrund zur EU-Streitbeilegungsplattform Die Europäische Plattform für Online-Streitbeilegung sollte Verbraucher und Unternehmen bei der außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten unterstützen. Unternehmen mit Sitz in der EU waren bisher verpflichtet, den Link zur Plattform auf ihrer Website zu platzieren – dies erfolgte in der Regel im Impressum. Als Folge der Nichtbeachtung dieser Pflicht konnten Abmahnungen durch Mitbewerber oder Verbraucherverbände ausgesprochen werden. Mit Aufhebung der Verordnung über Online-Streitbeilegung wurde auch die EU-Plattform abgeschaltet, sodass die entsprechende Hinweispflicht für Unternehmen entfällt. III. Rechtliche Risiken durch veraltete Angaben Trotz ihrer Abschaltung zum 20. Juli 2025 finden sich auf vielen Websites noch Hinweise und Links zur EU-Streitbeilegungsplattform. Diese Informationen sind nicht nur überflüssig, sondern können als irreführende geschäftliche Handlung gewertet und infolgedessen mit Abmahnungen geahndet werden. IV. Empfohlene Maßnahmen Ein noch vorhandener Hinweis auf die EU-Streitbeilegungsplattform sollte daher umgehend aus dem Impressum der Website eines Unternehmens entfernt werden. Auch andere Stellen, etwa E-Mail-Signaturen oder vorgefertigte Textbausteine, sind auf entsprechende Verweise zu prüfen. Wichtig: Der allgemeine Hinweis auf die Teilnahme oder Nichtteilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle bleibt weiterhin erforderlich. V. Fazit Die EU-Streitbeilegungsplattform wurde abgeschafft, sodass die Hinweispflicht entfällt. Ein verbliebener Hinweis auf der Website kann zu Abmahnungen führen und sollte daher schnellstmöglich entfernt werden. Eine zeitnahe Überarbeitung des Impressums und weiterer betroffener Stellen schützt vor rechtlichen Konsequenzen. Bei Fragen hierzu können Sie gerne unser Kontaktformular ausfüllen oder sich an Frau Elena Beeretz wenden. Wir unterstützen Sie gerne.
von Marie-Christine Schröder 31. Juli 2025
I. Einleitung Seit dem 1. Januar 2025 gelten für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG neue Grenzen, die einer laufenden Überwachung bedürfen. Mussten Kleinunternehmer bisher bei Überschreiten der Umsatzgrenzen im laufenden Kalenderjahr erst ab dem folgenden Kalenderjahr Umsatzsteuer in ihren Rechnungen ausweisen, muss nun bereits mit dem Umsatz, der die Grenzen überschreitet, unterjährig Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden. Außerdem sind ab Überschreiten der Kleinunternehmergrenzen regelmäßige Voranmeldungen an das Finanzamt zu übermitteln. II. Die Einzelheiten im Überblick 1. Grundsätze zur Kleinunternehmerregelung Unternehmer, die im vorangegangenen Kalenderjahr die Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG bis zum Betrag von € 25.000 (bisher: € 22.000) erzielen und im laufenden Kalenderjahr die Umsatzgrenze von € 100.000 (bisher: € 50.000) nicht überschreiten, sind Kleinunternehmer. Ihre Umsätze sind von der Umsatzsteuer befreit. Sie dürfen aber im Gegenzug auch keinen Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen in Anspruch nehmen. 2. Steuerfreiheit der Umsätze Die Umsätze im Rahmen der neuen Kleinunternehmerregelung ab 2025 gelten als steuerfrei und nicht mehr lediglich als „nicht erhoben“ im Sinne der bisherigen Rechtslage. Diese rechtliche Einordnung hat bedeutsame umsatzsteuerliche Konsequenzen. Ein auf der Rechnung gesondert ausgewiesener Umsatzsteuerbetrag stellt nunmehr einen unrichtigen Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs. 1 UStG dar und nicht mehr, wie bisher, einen unberechtigten Steuerausweis gemäß § 14c Abs. 2 UStG. Dies bedeutet, dass der Unternehmer die falsch ausgewiesene Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt schuldet. Darüber hinaus entfällt der Vorsteuerabzug – wie auch in der bisherigen Regelung – für Eingangsleistungen, die der Unternehmer zur Ausführung dieser steuerfreien Umsätze verwendet. Dies ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wonach der Vorsteuerabzug bei Lieferungen und sonstige Leistungen, die für steuerfreie Umsätze verwendet werden, grundsätzlich ausgeschlossen ist. 3. Vereinfachte Rechnungsstellung ab dem 1. Januar 2025 Ab dem 1. Januar 2025 gelten neue Regelungen bezüglich der Rechnungsstellung für Kleinunternehmer. Diese können nun gemäß § 34a UStDV sogenannte vereinfachte Rechnungen ausstellen. In diesen Rechnungen dürfen bestimmte Pflichtangaben (wie zum Beispiel die Rechnungsnummer oder das Leistungsdatum) entfallen. Darüber hinaus sind Kleinunternehmer nicht verpflichtet, elektronische Rechnungen im Sinne der neuen E-Rechnungspflicht auszustellen. Unabhängig von der gewählten Form der Rechnung ist jedoch zwingend ein Hinweis auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung gem. § 19 UStG erforderlich. 4. Auswirkungen bei Überschreiten der Umsatzgrenzen ab dem 1. Januar 2025 Wird die Umsatzgrenze von € 100.000 im laufenden Jahr überschritten, entfällt die Steuerbefreiung unmittelbar. Der Umsatz, mit dem die Grenze erstmals überschritten wird, unterliegt der Regelbesteuerung. Alle bis zu diesem Zeitpunkt ausgeführten Umsätze bleiben weiterhin steuerfrei. Ab Überschreiten der Grenze gelten für alle weiteren Umsätze die allgemeinen umsatzsteuerlichen Vorschriften, insbesondere hinsichtlich der Rechnungsstellung nach § 14 UStG, des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG sowie der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen nach § 18 UStG. 5. Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung ab dem 1. Januar 2025 Auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung kann verzichtet werden. Dann darf die Vorsteuer aus den Eingangsrechnungen abgezogen werden, gleichzeitig müssen jedoch Rechnungen mit Umsatzsteuer gestellt werden. Zudem kommen weitere Aufgaben, wie die Erstellung von monatlichen oder quartalsweisen Umsatzsteuervoranmeldungen und jährlichen Umsatzsteuererklärungen auf den Unternehmer zu. Die Erklärung auf den Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung (§ 19 Abs. 3 S. 1 UStG) gegenüber dem zuständigen Finanzamt kann formlos erfolgen. Dieser Verzicht ist bis spätestens zum Ablauf des Monats Februar des zweiten auf den betreffenden Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres möglich. Die Verzichtserklärung bindet den Unternehmer gem. § 19 Abs. 3 S. 3 UStG für einen Zeitraum von fünf Kalenderjahren an die Regelbesteuerung. Nach Ablauf dieser Frist bleibt die Regelbesteuerung weiterhin anwendbar, bis der Unternehmer den Verzicht ausdrücklich widerruft. Ein solcher Widerruf ist frühestens nach Ablauf der Fünfjahresfrist zulässig. III. Fazit Für Sie als Unternehmer, der die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nimmt, ist daher Folgendes in der Praxis zu beachten: Erstellen Sie bereits laufend unterjährig eine Übersicht über die in Rechnung gestellten Umsätze. Der Umsatz, der die Grenze von € 100.000 überschreitet, ist umsatzsteuerpflichtig und Sie müssen eine Rechnung mit allen Pflichtangaben und unter Ausweis des richtigen Steuersatzes erstellen. Eine laufende Umsatzüberwachung mithilfe einer monatlichen Buchführung kann hierfür sinnvoll sein. Achten Sie stets darauf, dass Sie bei Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung keine Umsatzsteuer auf Ihren Rechnungen ausweisen, da Sie einerseits nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, Sie andererseits aber durch diese falsche Angabe dazu verpflichtet wären, die Umsatzsteuer an das Finanzamt zu entrichten. Sie sind dazu verpflichtet in Ihren Rechnungen auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung hinzuweisen. Eine einfache Formulierung („steuerfreier Kleinunternehmer“) reicht hierbei aus. Beachten Sie, dass Sie als Kleinunternehmer in der Lage sein müssen, E-Rechnungen zu empfangen. Das Ausstellen von E-Rechnungen durch den Kleinunternehmer ist hingegen ein Wahlrecht. Bei Fragen zur Überwachung der Umsatzgrenzen, Fragen zur Rechnungsstellung oder Fragen zur Möglichkeit des Verzichts auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung können Sie sich gerne an Ihren Pelka-Berater oder Frau Marie-Christine Schröder wenden. Wir unterstützen Sie gerne.
von Robin Schuh 16. Juli 2025
I. Einleitung Der Bundesrat hat am 11.07.2025 dem vom Bundestag am 04.06.2025 beschlossenen „Gesetzesentwurf für ein steuerliches Investitionsprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ zugestimmt. Ziel des Gesetzes ist es, den Wirtschaftsstandort Deutschland nach zwei Jahren ohne Wirtschaftswachstum wieder attraktiver zu machen. Aufgrund des Förderprogramms sind Mindereinnahmen bei Bund, Ländern und Kommunen in Höhe von bis zu 48 Milliarden Euro zu erwarten. Die voraussichtlichen Steuerausfälle werden bis einschließlich 2029 in voller Höhe vom Bund übernommen. Darüber hinaus investiert der Bund zur Entlastung der Länder zwischen 2026 und 2029 zusätzlich acht Milliarden Euro in Kitas, andere Bildungseinrichtungen sowie Krankenhäuser. Insgesamt rechnet der Bund jedoch damit, dass die Steuereinnahmen durch Investitionen insgesamt steigen werden. Nachfolgend möchten wir Ihnen einen kurzen Überblick über die wichtigsten Regelungen des Gesetzes, das auch „Wachstums- oder Innovations-Booster“ genannt wird, verschaffen: II. Die Einzelheiten im Überblick 1. “Investitions-Booster“ durch degressive Abschreibungen Unternehmen haben wieder die Möglichkeit, höhere Abschreibungen für die Anschaffung oder Herstellung beweglicher, abnutzbarer Wirtschaftsgüter in Anspruch zu nehmen. Die erhöhte Abschreibung ist auf bewegliche Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum vom 01.07.2025 bis 31.12.2027 angeschafft bzw. hergestellt werden, begrenzt. Sie gilt nicht für unbewegliche und immaterielle Wirtschaftsgüter. Ein bewegliches Wirtschaftsgut, wie z. B. eine Maschine, kann aufgrund der Neuregelung mit bis zum Dreifachen der jeweiligen jährlichen linearen AfA, maximal bis zu 30% der Anschaffungskosten abgeschrieben werden. In den Folgejahren können jeweils bis zu 30% des jeweiligen Restbuchwertes abgeschrieben werden. Die Möglichkeit der höheren Abschreibung soll die Unternehmen in der unmittelbaren Phase nach einer Investition entlasten und so weitere Neuinvestitionen fördern. 2. Steuerliche Entlastung für Unternehmen 2.1 Senkung der Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften Die Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften wird gesenkt. So verringert sich die Körperschaftsteuer ab dem Jahr 2028 jährlich um jeweils 1% von aktuell 15% auf 10% im Jahr 2032. Diese Maßnahme soll den Unternehmen vor allem mehr Planungssicherheit geben. Darüber hinaus wird mit der Senkung der durchschnittlichen Gesamtsteuerbelastung (Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer) von derzeit rd. 30% auf rd. 25% die Liquidität der Unternehmen gesteigert. 2.2 Senkung der Steuerbelastung für Einzelunternehmer und Personengesellschaften: Soweit Gewinne nicht entnommen wurden, konnten diese bislang wahlweise mit dem persönlichen Steuersatz besteuert oder – auf Antrag – mit dem ermäßigten Steuersatz von 28,25% besteuert werden (Thesaurierungsbesteuerung für Gewinne aus Gewerbebetrieb oder aus selbständigen Einkünften). Aufgrund der sukzessiven Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 15% auf 10% wird der Steuersatz für die Thesaurierungsbesteuerung ebenfalls gesenkt und zwar für die Jahre 2028 und 2029 auf 27%, 2030 und 2031 auf 26% und ab 2032 auf 25%. Hier weisen wir auf die Nachversteuerung späterer Entnahmen hin; diese sollen jedoch nicht mit dem Spitzensteuersatz versteuert werden. 3. Investitions-Booster für E-Mobilität bei Unternehmen 3.1 Degressive Abschreibung mit fallenden Staffelsätzen: Im Jahr der Anschaffung rein elektrisch betriebener Fahrzeuge, die zum Anlagevermögen gehören, können nun bis zu 75 % der Anschaffungskosten abgeschrieben werden. In den Folgejahren sinkt der jeweiligen Abschreibungssatz auf 10% im zweiten Jahr, auf 5% im dritten und vierten Jahr, auf 3% im fünften Jahr und auf 2% im sechsten Jahr. Diese Neuregelung gilt nicht nur für Pkw, sondern auch für sämtliche Nutzfahrzeuge, soweit sie rein elektrisch betrieben werden. Darüber hinaus kann die degressive Abschreibung mit fallenden Staffelsätzen für Anschaffungen ab dem 01.07.2025 bis zum 31.12.2027 in Anspruch genommen werden. 3.2 Erhöhung der Bruttolistenpreisgrenze für E-Dienstwagen Die Obergrenze für die Bemessungsgrundlage von Elektrofahrzeugen, die mit 0,25% statt 1,0% des Listenpreises zu versteuern sind, wird von EUR 70.000,00 auf EUR 100.000,00 erhöht. 4. Begünstigungen der steuerlichen Forschungszulage Die steuerliche Forschungszulage wurde erstmalig mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung vom 14.12.2019 eingeführt. Sie soll den Investitionsstandort Deutschland stärken und die Forschungsaktivitäten v. a. kleiner und mittlerer Unternehmen fördern. Gefördert werden insbesondere Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, soweit sie einer oder mehreren Kategorien der Grundlagenforschung, industriellen Forschung oder experimentellen Entwicklung zuzuordnen sind. Die Höhe der Forschungszulage richtet sich nach den jeweils förderfähigen Aufwendungen. Die Obergrenze der förderfähigen Bemessungsgrundlage von bisher 10 Mio. EUR wird ab dem Jahr 2026 auf 12 Mio. EUR pro Jahr erhöht. Darüber hinaus wurden die förderfähigen Aufwendungen erweitert. Künftig können Gemein- und Betriebskosten mit 20% der förderfähigen Personalkosten berücksichtigt werden. Zudem beträgt der förderfähige Stundensatz für erbrachte Eigenleistungen künftig 100 EUR statt bisher 70 EUR. Diese Maßnahmen sollen insbesondere Investitionsanreize in Forschung und Innovation bieten. III. Fazit Ein „Gesetz für ein steuerliches Investitionsprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ war vor dem Hintergrund ausbleibenden Wirtschaftswachstums sicherlich längst überfällig. Nach der nun erfolgten Zustimmung des Bundesrats kann das Gesetz ausgefertigt und verkündet werden. Es tritt am Tag der Verkündung in Kraft. Die Änderungen des Forschungszulagengesetzes treten ab 01.01.2026 in Kraft. Unternehmen haben mit der in Kürze zu erwartenden Verkündung des Gesetzes - zumindest für die nächsten Jahre - mehr Planungssicherheit für Investitionen. Inwieweit die Maßnahmen tatsächlich zum erhofften „Investitions-Booster“ und damit zur Stärkung der Attraktivität sowie der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland führen, hängt sicherlich nicht nur von innenpolitischen, sondern auch von außenpolitischen Faktoren ab und bleibt daher abzuwarten. Wenn Sie Fragen zu den einzelnen „Booster-Maßnahmen“ haben oder wie sich diese konkret in Ihrem Unternehmen umsetzen lassen, setzen Sie sich mit Ihrem Pelka-Berater oder Herrn Robin Schuh in Verbindung. Gerne können Sie auch unser Kontaktformular ausfüllen.
von Nils Pinzke 18. Juni 2025
I. Einleitung Erbschaften und Schenkungen unterliegen in Deutschland grundsätzlich der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer. Was unter einer Erbschaft bzw. einem „Erwerb von Todes wegen“ zu verstehen ist, ist dabei den meisten Steuerpflichtigen geläufig. Was alles als steuerrechtliche Schenkung anzusehen ist, kann hingegen schwieriger zu bestimmen sein. So drängt es sich beispielsweise nicht sogleich auf, dass auch die im Alltag unter Verwandten nicht selten anzutreffende zinslose oder verbilligte Gewährung eines Darlehens einen schenkungsteuerlich relevanten Vorgang bilden kann. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in diesem Zusammenhang jüngst zur Bemessung der Schenkungsteuer bei niedrig verzinsten Darlehen geurteilt. Nachfolgend sollen die steuerrechtlichen Hintergründe kurz erläutert werden. II. Hintergrund: Schenkungsteuer bei vorteilhaften Darlehen 1. Zinslose/zu niedrig verzinste Darlehen als freigebige Zuwendungen Schenkungen unterliegen grundsätzlich der Schenkungsteuer. Das Gesetz definiert in § 7 ErbStG, was alles unter den steuerrechtlichen Begriff der Schenkung fällt. Ausgangspunkt ist dabei nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Darunter fallen seit jeher auch zinslose oder zu niedrig verzinste Darlehen, auch wenn eine Rückzahlung erfolgen muss. Gegenstand dieses Geschenks ist das Recht, das als Darlehen gewährte Kapital zu einem niedrigen Zinssatz als marktüblich/zinslos zu nutzen. Der Wert dieses Nutzungsvorteils bemisst sich daher in solchen Fällen nach dem Zinsvorteil, der sich aus der Differenz des vereinbarten Zinssatzes mit dem sich aus § 15 Abs. 1 BewG ergebenden Zinssatz ergibt. Danach ist, wenn kein anderer Wert feststeht, grundsätzlich von dem gemeinen Wert der Nutzung i.H.v. 5,5% auszugehen. Wird eine Geldsumme auf unbestimmte Zeit zinslos bzw. verbilligt überlassen, so wird der Geldbetrag mit dem gesetzlich vorgegebenen Zinssatz i.H.v. 5,5% und dem gesetzlichen Faktor 9,3 multipliziert. Beispiel: Großmutter G gewährt ihrem Enkel E für den Erwerb von Grundbesitz ein Darlehen i.H.v. € 500.000. Es wird vereinbart, dass die Summe nicht zu verzinsen ist und die Rückzahlung dann erfolgen solle, „wenn es gerade passt“. Ein marktüblicher Zinssatz kann nicht ermittelt werden. Im Jahr der Gewährung des Darlehens ergibt sich nach den oben genannten Grundsätzen eine anzeigepflichtige Schenkung i.H.v. € 255.750 (€ 500.000 * 5,5% * 9,3). Das Finanzamt würde nach Anzeige des Erwerbs und unter Berücksichtigung des alle zehn Jahre zur Verfügung stehenden Freibetrags und der gesetzlich vorgesehenen Abrundung des Betrags auf volle Hundert Schenkungsteuer i.H.v. € 3.899 ((€ 255.700 – Freibetrag € 200.000) * Steuersatz 7%) festsetzen. 2. Steuernachforderung auch nach Jahrzehnten vom Finanzamt möglich Für die Schenkungsteuer gibt es Besonderheiten bei der Festsetzungsverjährung. Die Festsetzungsverjährung hat Einfluss darauf, bis wann das Finanzamt spätestens nachträglich Schenkungsteuer festsetzen kann. Je nach Sachverhalt beträgt diese Frist vier, fünf oder zehn Jahre. Für die Schenkungsteuer beginnt diese Frist aber erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Schenker gestorben oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat. Dies kann je nach Sachverhalt dazu führen, dass die Festsetzungsfrist erst sehr spät in Gang gesetzt wird, sodass das Finanzamt mitunter auch bei Schenkungen, die bereits Jahrzehnte zurückliegen, noch nachträglich Schenkungsteuer festsetzen kann, sollte eine gesetzlich vorgesehene Anzeige der Schenkung wissentlich oder unwissentlich unterblieben sein. III. Urteil des Bundesfinanzhofs 1. Sachverhalt Mit Darlehensvertrag vom 03.11.2016 erhielt der spätere Kläger von seiner Schwester ein Darlehen i.H.v. € 1.875.768,05 ausgezahlt. Es wurde eine jährliche Verzinsung von 1% vereinbart. Die Darlehensvereinbarung sah zudem vor, dass das Darlehen auf unbestimmte Zeit gewährt wird und mit einer Frist von zwölf Monaten erstmals zum 31.12.2019 gekündigt werden kann. Das Finanzamt setzte Schenkungsteuer i.H.v. € 229.500 fest. Es ermittelte diesen Wert, indem es den schenkungsteuerpflichtigen Erwerb i.H.v. € 785.008 ansetzte. Der schenkungsteuerliche Erwerb ist das Produkt aus der überlassenen Geldsumme und der Zinsdifferenz aus dem vorgegebenen Zinssatz von 5,5% und dem tatsächlichen Zinssatz von 1% und dem gesetzlichen Vervielfältiger für eine unbestimmte Laufzeit von 9,3: € 1.875.768,05 * 4,5% * 9,3 = € 785.008. Der Kläger legte hiergegen u.a. mit der Begründung Einspruch ein, dass für seinen Fall ein marktüblicher Zinssatz von 2,67% bis 2,81% zur Bestimmung der Zinsdifferenz feststehe und daher anzusetzen sei. Entsprechend sei eine Zinsdifferenz von 1,67% bis 1,81% (2,67/2,81% abzüglich vereinbarte Verzinsung von 1%) zur Ermittlung des schenkungsteuerpflichtigen Erwerbs anzusetzen. Das Finanzamt und später das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern folgten dieser Argumentation nicht, da zwar ein durchschnittlicher Zinssatz von 2,81% für wirtschaftlich Selbständige feststehe, es aber nicht erkennbar sei, dass der Kläger auf dem Kapitalmarkt eine vergleichbare Finanzierung zu einem niedrigeren Zinssatz habe erhalten können. 2. Entscheidungsgründe Der BFH hingegen stützte mit seinem Urteil die Ansicht des Klägers (BFH-Urteil v. 31.07.2024, Az. II R 20/22). Es sei widersprüchlich von Finanzamt und Finanzgericht gewesen, auf der einen Seite festzustellen, dass im maßgeblichen Zeitraum der durchschnittliche Zinssatz für vergleichbare Personen (wirtschaftlich Selbständige) effektiv bei 2,81% gelegen habe, auf der anderen Seite, dass ein niedriger als der in § 15 Abs. 1 BewG festgelegte Zinssatz nicht feststehe. Das Gesetz sehe in § 15 Abs. 1 BewG lediglich vor, dass 5,5% anzusetzen sind, wenn kein anderer Wert feststeht. Die Feststellung eines anderen Werts kann dabei auf verschiedene Art erfolgen, es ist nicht zwingend erforderlich, dass der Steuerpflichtige den anderen Zinssatz nachweisen müsse. Dies stehe auch nicht im Widerspruch zu vorheriger BFH-Rechtsprechung, denn die bisherige BFH-Rechtsprechung hat lediglich betont, dass kein allgemeiner marktüblicher Zinssatz herangezogen werden könne, bei dem nicht bekannt sei, ob die zugrundeliegenden Darlehen zu vergleichbaren Bedingungen abgeschlossen wurden wie das tatsächlich vereinbarte Darlehen. Dadurch werde aber nicht ausgeschlossen, dass ein marktüblicher Zinssatz heranzuziehen ist, wenn das Finanzgericht diesen bei Vergleichbarkeit der dem Darlehen zugrundeliegenden Bedingungen festgestellt hat. Daher kann auf der Grundlage des festgestellten Zinssatzes von 2,81% für einen Fall wie dem streitgegenständlichen ein Nutzungsvorteil durch die Zinsdifferenz von 1,81% (2,81% abzüglich der vereinbarten 1%) pro Jahr angesetzt werden. Der Wert der Bereicherung war daher mit € 315.748,02 (€ 1.875.768,05 * 1,81% * 9,3) zu ermitteln, unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Falls waren entsprechend € 59.140 Schenkungsteuer festzusetzen. IV. Fazit Dass insbesondere zwischen Verwandten Darlehen vergünstigt oder zinsfrei gewährt werden, ist keine Ausnahmeerscheinung. Sollte in diesem Zusammenhang eine Anzeige an das Finanzamt versehentlich unterblieben sein, kann aufgrund des sehr späten Beginns der Festsetzungsverjährung die „Sache nicht ausgesessen werden“. Das BFH-Urteil ermöglicht es indes nun durch Nachweis eines niedrigeren marktüblichen Zinssatzes den Wert der Schenkung und damit die Höhe der etwaigen Schenkungsteuer spürbar zu reduzieren. Insbesondere vor dem Hintergrund der zurückliegenden langen Niedrigzinsphase ist die Entscheidung des BFH zu begrüßen.
von Tobias Kromm und Elena Beeretz 11. Juni 2025
In der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt verarbeiten Unternehmen große Mengen sensibler Daten, insbesondere im Personalwesen. Diese Daten unterliegen besonderen Schutzanforderungen, um Missbrauch vorzubeugen. Die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) verpflichtet dazu, Daten nur so lange zu speichern, wie es für den jeweiligen Zweck erforderlich ist. Ein strukturiertes Löschkonzept für Personaldokumente ist deshalb ein unverzichtbarer Bestandteil moderner Datenschutzstrategien. Ein Löschkonzept ist eine Planaufstellung, die den spezifischen Datenkategorien individuelle, auf das verantwortliche Unternehmen zugeschnittene Speicherfristen zuweist und so Transparenz und Rechtssicherheit schafft. I. Rechtlicher Rahmen Nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO haben betroffene Personen das Recht, die unverzügliche Löschung ihrer personenbezogenen Daten zu verlangen, wenn einer der in der Norm genannten Gründe vorliegt. Besonders relevant ist der Fall, dass der Zweck für die Erhebung oder Verarbeitung der Daten nach Art. 17 Abs. 1 a) DS-GVO entfallen und eine weitere Speicherung nicht mehr erforderlich ist. Dieses sogenannte „Recht auf Vergessenwerden“ verpflichtet Unternehmen dazu, Daten aktiv zu löschen, sobald sie nicht mehr benötigt werden. Dem gegenüber steht das Bedürfnis, Daten für gewisse Zeiträume zu bewahren. Solche Aufbewahrungsfristen ergeben sich insbesondere aus dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), der Abgabenordnung (AO) und dem Handelsgesetzbuch (HGB). Aus diesen Gesetzen lassen sich Mindestaufbewahrungszeiten ableiten, die durch Unternehmen zwingend einzuhalten sind, woraus wiederum auf den Zeitpunkt der Löschung geschlossen werden kann. Darüber hinaus können sich Fristen auch mittelbar aus anderen gesetzlichen Regelungen ergeben. II. Risiken ohne Löschkonzept Unternehmen, die kein systematisches Löschkonzept implementiert haben, setzen sich dem Risiko aus, gegen datenschutzrechtliche Vorgaben zu verstoßen, indem sie die Daten zu früh löschen oder zu lange aufbewahren. In der Folge können Datenschutzaufsichtsbehörden Bußgelder verhängen. Bereits bei geringfügigen Verfehlungen sind Sanktionen möglich; bei schwerwiegenden Verstößen drohen Bußgelder, die bis zu 20 Millionen Euro oder vier Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens betragen können. Betroffene Personen haben außerdem Anspruch auf Schadensersatz, wenn ihnen durch die unzulässige Datenverarbeitung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist. Insbesondere bei einer hohen Anzahl Betroffener kann dies zu beträchtlichen finanziellen Belastungen führen. Sogar strafrechtliche Konsequenzen sind denkbar: Wird der Verstoß mit Bereicherungsabsicht begangen, kann dies mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Auch praktische Auswirkungen sind nicht zu unterschätzen: Überlang gespeicherte Datenmengen können IT-Systeme belasten, Speicherplatz blockieren und Arbeitsprozesse verlangsamen – etwa, wenn die Suche nach relevanten Informationen unverhältnismäßig viel Zeit in Anspruch nimmt. III. Vorteile eines Löschkonzeptes Ein strukturiertes Löschkonzept dokumentiert nicht nur die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, sondern signalisiert auch Problembewusstsein gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde. Sollte es dennoch zu Verstößen gegen datenschutzrechtliche Lösch- und Aufbewahrungsfristen kommen, ist mit milderen Sanktionen zu rechnen, da das Verschulden des Verantwortlichen und ergriffene Präventivmaßnahmen im Rahmen des behördlichen Ermessens gemäß Art. 83 Abs. 2 Satz 2 DS-GVO berücksichtigt werden. Zudem bietet ein Löschkonzept mit klaren Handlungsanweisungen Transparenz und Rechtssicherheit für Betroffene sowie für die zur Löschung verantwortlichen Personen. Es stellt sicher, dass sowohl die Rechte betroffener Personen als auch die rechtlichen Interessen des Unternehmens gewahrt werden. IV. Umsetzung eines Löschkonzepts Die Nutzung eines allgemeingültigen Musters als Löschkonzept ist nicht zweckmäßig, da die Fristen individuell auf die Prozesse und Datenstrukturen des jeweiligen Unternehmens angepasst werden müssen. Die Konzeptentwicklung sollte die folgenden Schritte umfassen. 1. Bestandsaufnahme Zunächst müssen alle im Unternehmen vorhandenen personenbezogenen Daten identifiziert und kategorisiert werden. Die Klassifizierung ist insbesondere nach Art und Sensibilität der Daten vorzunehmen. 2. Aufbewahrungs- und Löschfristen Nach Erfassung der gesetzlich vorgegebenen Aufbewahrungs- und Löschfristen sind auf das Unternehmen abgestimmte interne Fristen festzulegen. Diese sollten zum einen dem Bedürfnis auf Aufbewahrung – zum Beispiel für eine spätere rechtliche Auseinandersetzung – und zum anderen dem Recht der betroffenen Person auf rechtzeitige Löschung ihrer Daten gerecht werden. 3. Form der Aufbewahrung Je nach Dokumentenart gelten unterschiedliche Anforderungen an die Form der Aufbewahrung, welche im Konzept benannt werden sollten. So ist beispielsweise ein Kündigungsschreiben nach § 623 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Schriftform aufzubewahren, während eine Abmahnung auch in elektronischer Form gespeichert werden kann. 4. Verantwortlichkeit Darüber hinaus sollten klare Zuständigkeiten zur Überwachung der Fristen und Ausführung der Löschvorgänge festgelegt werden. 5. Dokumentation Damit im Bedarfsfall die erforderlichen Nachweise erbracht werden können, sollten sämtliche Löschvorgänge nachvollziehbar protokolliert werden. 6. Schulung der Mitarbeiter Verantwortliche Personen, insbesondere Mitarbeitende der Personalabteilung und der IT sowie Führungskräfte, sollten regelmäßig geschult und in ihrem datenschutzrechtlichen Bewusstsein sensibilisiert werden. V. Aufbewahrung von Personaldokumenten. Im Bereich des Personalwesens gelten für verschiedene Dokumente stark voneinander abweichende Speicherfristen. Da der Zweck der Aufbewahrung nur für einen kurzen Zeitraum besteht, sind etwa Bewerbungsunterlagen grundsätzlich nur für eine Dauer von drei bis sechs Monaten aufzubewahren, sofern keine Einstellung erfolgt. Dies ergibt sich unter anderem aus der zweimonatigen Frist zur Geltendmachung von Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüchen aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Demgegenüber sollten Dokumente, die Leistungsansprüche aus der betrieblichen Altersvorsorge begründen, bis zu 30 Jahre aufbewahrt werden, da derartige Ansprüche gemäß § 18a Satz 1 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) erst nach Ablauf dieser Zeitspanne verjähren. Eine ebenfalls lange Frist gilt beispielsweise für die Archivierung von Lohnunterlagen mit Bezug zu der betrieblichen Gewinnermittlung, welche nach den Vorgaben der Abgabenordnung für bis zu zehn Jahre aufzubewahren sind. VI. Abmahnungen in der Personalakte Insbesondere die Aufbewahrung und Vernichtung von Abmahnungen bereitet Unklarheiten, wenn kein konkretes Konzept besteht. Hier besteht keine gesetzliche Vorgabe zur Speicherung oder Löschung und eine analoge Anwendung vergleichbarer Regelungen kommt ebenso wenig in Betracht. Fest steht, dass eine Abmahnung dann aus der Personalakte zu löschen ist, wenn auf der einen Seite ihre Warnfunktion verwirkt ist und auf der anderen Seite kein länger andauernder Speicherzweck besteht. Die Warnfunktion der Abmahnung besteht nicht unendlich, da insbesondere leichte Pflichtverletzungen im menschlichen Zusammenleben hinzunehmen sind. Sämtliche Zwecke zur Speicherung entfallen, wenn die Abmahnung für die Beendigung oder Durchführung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erforderlich ist. Nach der Rechtsprechung ist die Dauer der Verwirkung abhängig von der Schwere eines Verstoßes. Während die Abmahnung wegen einer einfachen Pflichtverletzung bereits nach 16 Monaten verwirken kann, beträgt diese Frist bei sehr schweren Pflichtverletzungen im Einzelfall zehn Jahre oder länger. Indiz für die Dauer ist insbesondere die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie das Bestehen von vorherigen, gleichartigen Pflichtverletzungen. In Anbetracht dieser vielfältigen Zeitspannen ist es wichtig, individuelle Regelungen im Unternehmen zu erarbeiten. VII. Fazit Mit dem am 01.01.2025 in Kraft getretenen Bürokratieentlastungsgesetz wurden einige Aufbewahrungsfristen verkürzt. Da die gesetzlichen Vorgaben sich im ständigen Wandel befinden, neue Datenarten entwickelt werden und zusätzliche Cyber-Bedrohungen entstehen, sollte auch ein Konzept zur Datenlöschung regelmäßig überprüft und angepasst werden. Ein durchdachtes Löschkonzept für Personaldokumente bietet Rechtsklarheit, Effizienz und Datensicherheit. Unternehmen sollten daher frühzeitig handeln und Löschprozesse in ihre Personal- und IT-Systeme integrieren. Wir unterstützen Sie gerne bei der Erarbeitung eines Löschkonzeptes für Ihr Unternehmen. Füllen Sie hierzu gerne unser Kontaktformular aus.
von Susanne Küsters 5. Juni 2025
Mit Urteil vom 28.01.2025 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Az: 9 AZR 48/24) entschieden, dass Arbeitgeber Entgeltabrechnungen wirksam erteilen können, indem sie diese in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellen. Das BAG stellte klar, dass auf diese Weise der gesetzlich vorgeschriebenen Textform im Sinne des § 126b BGB Genüge getan werde. Die Einrichtung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs entspreche auch den Anforderungen des § 108 GewO. Es bestehe kein Anspruch auf Erteilung von Abrechnungen in Papierform. Vielmehr begründe der gesetzliche Anspruch auf Erteilung einer Entgeltabrechnung eine Holschuld, die der Arbeitgeber grundsätzlich dadurch erfüllen könne, dass er die Abrechnung in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstelle. I. Sachverhalt und Hintergründe Im dem Verfahren, das dem BAG-Urteil zugrunde liegt, hatte sich eine Arbeitnehmerin dagegen gewehrt, dass ihre Abrechnung nur digital in ihr Postfach eingestellt wurde. Sie vertrat die Auffassung, ihr Anspruch auf Erteilung von Entgeltabrechnungen sei durch die Bereitstellung elektronischer Entgeltabrechnungen in einem digitalen Mitarbeiterpostfach nicht erfüllt worden. Aus § 108 Abs. 1 GewO folge die Notwendigkeit der postalischen Übermittlung. Außerdem hätte sie der Verwendung eines Mitarbeiterpostfaches vor dessen Inbetriebnahme zustimmen müssen. Dem stehe allerdings ihr ausdrücklich erklärter Widerspruch entgegen. Die Klägerin beantragte, ihr auch weiterhin ihre Abrechnungen postalisch zu übermitteln. Die Beklagte begründet ihren Klageabweisungsantrag damit, dass § 108 Abs. 1 GewO kein Zugangserfordernis im Sinne des § 130 Abs. 1 BGB vorgebe. Es sei daher ausreichend, wenn dem Mitarbeiter die Möglichkeit gegeben werde, über ein digitales Postfach auf seine Entgeltabrechnungen zuzugreifen. Das im vorliegenden Fall verwendete Programm stelle eine ausreichende Empfangsvorrichtung dar, die mit einem Briefkasten im Machtbereich des Mitarbeiters vergleichbar sei. Nachdem erstinstanzlich beim Arbeitsgericht zuungunsten der Klägerin entschieden worden war, gab das Landesarbeitsgericht Niedersachsen der Klage der Klägerin statt. Das BAG sah die Revision der Beklagten als begründet an und hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf. Das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte den Anspruch der Klägerin aus § 108 Abs. 1 GewO auf Erteilung der Entgeltabrechnungen nicht durch die Einstellung in das digitale Mitarbeiterpostfach erfüllt habe. Es bestehe kein Anspruch auf Erteilung von Abrechnungen in Papierform. II. Erteilung von Entgeltabrechnungen unter Berücksichtigung von § 108 GewO, § 126b BGB und § 130 BGB Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO ist dem Arbeitnehmer bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Nach Satz 2 muss eine solche Abrechnung mindestens Angaben zu Abrechnungszeitraum und Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthalten. Nach Auffassung des BAG setzt § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO aber nicht voraus, dass die Lohnabrechnung dem Arbeitnehmer entsprechend § 130 Abs. 1 BGB zugehen müsse. Bei Entgeltabrechnungen handele es sich um Wissenserklärungen, auf die § 130 Abs. 1 BGB keine Anwendung finde. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO sei die Lohnabrechnung „zu erteilen“. Dies lasse sich als „zuteilwerden lassen“, „zukommen lassen“ lesen und enthalte demzufolge nicht das Erfordernis des Zugangs. Mit der Einstellung der Abrechnungen in ein digitales Postfach lasse der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Abrechnung zukommen, sodass die Voraussetzung des § 108 Abs. 1 GewO erfüllt sei. Der Arbeitgeber komme seiner Verpflichtung aus § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO nach, indem er die Abrechnungen in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstelle. Auf einen Zugang gem. § 130 Abs. 1 BGB komme es nicht an. Ferner sei es irrelevant, ob der Verwendung eines Mitarbeiterpostfachs zugestimmt werde. Soweit durch Gesetz Textform vorgeben sei, werde diese gem. § 126b BGB dadurch gewahrt, dass auf einem dauerhaften Datenträger eine lesbare Erklärung abgegeben werde, in der die Person des Erklärenden genannt sei. Ein dauerhafter Datenträger sei jedes Medium, das es dem Empfänger ermögliche, eine sich auf diesem befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärungen so aufzubewahren oder zu speichern, dass er darauf zugreifen und die gespeicherte Erklärung unverändert wiedergeben könne. Diese Voraussetzungen seien durch ein digitales Mitarbeiterpostfach erfüllt. Aufgrund datenschutzrechtlicher Mechanismen wie Benutzernamen und Passwörtern, erhielten die Mitarbeiter einen sicheren Speicherbereich für die Entgeltabrechnungen, den der Arbeitgeber nicht nachträglich abändern könne. Durch die Einstellung in ein digitales Postfach werde dem Mitarbeiter auch ausreichend transparent mitgeteilt, warum gerade der genannte Betrag ausgezahlt werde. Darüber hinaus erfülle die digitale Einstellung von Lohnabrechnungen auch in örtlicher Hinsicht die Voraussetzungen des § 108 GewO. Beim Anspruch auf Erteilung einer Lohnabrechnung nach § 108 Abs. 1 GewO handele es sich um eine Holschuld, bei der Leistungshandlung und -erfolg in der Sphäre des Arbeitgebers liegen würden. Demnach seien Arbeitspapiere vom Arbeitnehmer grundsätzlich in der Niederlassung des Arbeitgebers abzuholen. Dies betreffe alle Dokumente, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer über das Arbeitsverhältnis zu erteilen habe. Der Arbeitgeber sei somit von seiner Leistungspflicht befreit, wenn er die Leistung bereitstelle. Dafür genüge auch das digitale Mitarbeiterpostfach. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Abrechnungen dem Mitarbeiter auch tatsächlich zugehen. Allerdings habe der Arbeitgeber die Pflicht, solchen Beschäftigten, die keine eigene Möglichkeit zum digitalen Abruf haben, die Möglichkeiten zu gewähren, den Abruf z.B. im Betrieb vorzunehmen. III. Fazit Das Urteil führt zu einer deutlichen Erleichterung für den Arbeitgeber bzw. die lohnabrechnende Stelle. Der Arbeitgeber ist nicht mehr verpflichtet, alle Abrechnungen auszudrucken und per Post an seine Arbeitnehmer zu versenden. Auch wenn viele Arbeitgeber in den letzten Jahren bereits auf digitale Abrechnungen umgestellt haben, wird diese Praxis doch erst durch das Urteil des BAG rechtssicher. Die digitale Abrechnung ist nur ein Beispiel dafür, dass die Digitalisierung in der Lohnabrechnung schon lange Einzug gehalten hat. Gerade der Bereich der Lohnbuchhaltung erfordert aber auch einen rechtssicheren und effizienten Prozess, der für beide Seiten hinreichend nachvollziehbar ist. Wenn Sie sich mit digitalen Entgeltabrechnungen beschäftigen oder darüber nachdenken, wie sich Ihre Entgeltabrechnung effizienter gestalten lässt, helfen wir Ihnen gerne weiter. Unser „Team Lohn“, das aus sieben hochqualifizierten Mitarbeitern besteht, berät Sie zuverlässig, transparent und rechtssicher im Bereich der Lohnbuchhaltung und hilft Ihnen bei allen Fragen, die sich in diesem Zusammenhang ergeben können, gerne weiter. Füllen Sie hierzu gerne unser Kontaktformular aus.