Grunderwerbsteuerreform: Verschärfung der Besteuerung bei share deals ab 01.07.2021

 I. Einleitung
 
Obwohl das Grunderwerbsteueraufkommen in Deutschland sich in den vergangenen 10 Jahren mehr als verdreifacht hat[!] – 2010 waren es noch € 5,3 Mrd. gegenüber € 16,1 Mrd. in 2020 – hielt es der Gesetzgeber für erforderlich, die Besteuerung von gesellschaftsrechtlichen Erwerbsstrukturen im Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) massiv zu verschärfen. Zielsetzung ist es, insbesondere vermeintlich missbräuchliche Gestaltungen zurückzudrängen und aus Sicht der Finanzverwaltung bestehende Besteuerungslücken bei der Grunderwerbsteuer zu schließen. Man hatte insbesondere Gestaltungen der Immobilienbranche im Auge, bei denen es zahlreiche Modelle gab und gibt, um Immobilientransaktionen im Kleide des Gesellschaftsrechts ohne oder mit nur marginaler Auslösung von Grunderwerbsteuer zu realisieren, wenn man nur über einen Zeitraum von fünf Jahren gestreckt die Immobiliengesellschaft übertragen bzw. erworben hat. 

Bei Kapitalgesellschaften mit Grundbesitz war zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer sogar schon ausreichend, wenn man die Anteile der Immobiliengesellschaft so auf zwei nicht konzernrechtlich miteinander verbundene Erwerber übertragen hat, dass keiner von beiden 95 % der Anteile alleine erworben hat.

Derartige Gestaltungen mit (unmittelbar oder mittelbar) Grundbesitz haltenden Gesellschaften (share deals) waren der Finanzverwaltung schon seit Jahren ein Dorn im Auge und bereits 2016 gab es einen ersten Anlauf, die Bestimmungen des GrEStG in dieser Hinsicht zu ändern. Ein erster Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 31.07.2019 war trotz bereits erfolgter erster Lesung im Bundestag und erstmaliger Befassung des Bundesrats im Herbst 2019 „auf Eis gelegt worden“, nachdem man sich nicht auf eine finale Fassung hatte verständigen können. Die Koalitionsfraktionen wollten daraufhin die geplante Reform der Grunderwerbsteuer auf das erste Halbjahr 2020 verschieben und das Reformgesetz sollte im ersten Halbjahr 2020 verabschiedet werden, welches Vorhaben dann aber der COVID-19-Pandemie „zum Opfer fiel“.

Zur Überraschung der Praxis wurde das Reformvorhaben aber von der Bundesregierung im Frühjahr 2021 wieder aufgegriffen, um es doch noch in der laufenden Legislaturperiode umzusetzen. Am 21.04.2021 wurde das Reformgesetz in zweiter und dritter Lesung vom Bundestag und am 07.05.2021 auch vom Bundesrat verabschiedet. Herausgekommen ist das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.05.2021, das am 01.07.2021 in Kraft tritt (BGBl. I 2021, 986 - im Weiteren auch nur „Reformgesetz“ genannt) und das nachfolgend kritisch gewürdigt werden soll. Daraus ergab sich ggf. dringender Handlungsbedarf – siehe unseren PNHR-Rechtstipp Nr. 223 aus der Juni-Ausgabe.
Betroffen von der Reform sind in erster Linie die grunderwerbsteuerlichen Ersatztatbestände für gesellschaftsrechtliche Transaktionen mit (unmittelbar oder mittelbar) Grundbesitz haltenden Gesellschaften. Der Grunderwerbsteuer unterliegen zwar dem Grunde nach primär Vorgänge, die einen Rechtsträgerwechsel an einem inländischen Grundstück zur Folge haben. Indessen führen auch zahlreiche gesellschaftsrechtliche Transaktionen zur Auslösung von Grunderwerbsteuer, wenn zwar nicht das inländische Grundstück selbst, sondern lediglich Anteile an einer (unmittelbar oder mittelbar) Grundbesitz haltenden Gesellschaft auf einen (neuen) Erwerber übertragen werden; insoweit spricht man gemeinhin von sog. „share deals“. Speziell diese hat die aktuelle Reform im Auge.

II. Bestandsaufnahme der erfassten gesellschaftsrechtlichen Transaktionen nach altem und neuem Recht

Das Grunderwerbsteuergesetz a.F. kennt bisher drei „Ersatzerwerbstatbestände“ für gesellschaftsrechtliche Transaktionen, die bei (unmittelbar oder mittelbar) Immobilien haltenden Gesellschaften ggf. Grunderwerbsteuer auslösen können:
  1. § 1 Abs. 2a GrEStG a.F.: Die Übertragung von mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren auf neue Gesellschafter.
  2. § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. (subsidiär gegenüber § 1 Abs. 2a GrEStG a.F.): Unmittelbare oder mittelbare Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft (egal ob Personen- oder Kapitalgesellschaft) in der Hand eines Gesellschafters (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG a.F.), oder unmittelbare oder mittelbare Übertragung von mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft an einen (bisherigen oder neuen) Gesellschafter (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG a.F.).
  3. § 1 Abs. 3a GrEStG a.F. (subsidiär gegenüber § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG a.F.): Unmittelbare oder mittelbare Erlangung einer wirtschaftlich 95 % oder mehr betragenden Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft, wobei die Beteiligungsquoten durch Multiplikation durchgerechnet werden.
Betrachtet man die Neuregelungen des GrEStG durch das jüngste Reformgesetz unter Einbeziehung der komplexen Übergangsregelungen (§ 23 Abs. 18 bis Abs. 24 GrEStG n.F.), so wird es ab dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01.07.2021 sage und schreibe sieben „Ersatzerwerbstatbestände“ für gesellschaftsrechtliche Transaktionen geben, die bei (unmittelbar oder mittelbar) Immobilien haltenden Gesellschaften ggf. Grunderwerbsteuer auslösen können. 

Dieser Befund folgt daraus, dass die vorstehend genannten alten Fassungen der Erwerbstatbestände von § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG a.F. unter bestimmten Voraussetzungen auch nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts am 01.07.2021 weitergelten (vgl. im Einzelnen § 23 Abs. 20 bis 22 GrEStG n.F.), ein gänzlich neuer Erwerbstatbestand, nämlich § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. für den Anteilseignerwechsel bei Kapitalgesellschaften hinzugekommen ist und die geänderten Erwerbstatbestände von § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG n.F. als eigenständige zu betrachten sind.

Ab dem 01.07.2021 gelten für § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG n.F. die folgenden Eckwerte:
  1. § 1 Abs. 2a GrEStG n.F.: Die Übertragung von mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft innerhalb von zehn Jahren auf neue Gesellschafter.
  2. § 1 Abs. 3 GrEStG n.F. (subsidiär gegenüber § 1 Abs. 2a GrEStG n.F.): Unmittelbare oder mittelbare Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft (egal ob Personen- oder Kapitalgesellschaft) in der Hand eines Gesellschafters (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG n.F.), oder unmittelbare oder mittelbare Übertragung von mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft an einen (bisherigen oder neuen) Gesellschafter (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG n.F.).
  3. § 1 Abs. 3a GrEStG n.F. (subsidiär gegenüber § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG a.F.): Unmittelbare oder mittelbare Erlangung einer wirtschaftlich 95 % oder mehr betragenden Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft, wobei die Beteiligungsquoten durch Multiplikation durchgerechnet werden.
Die Prüfung, ob eine gesellschaftsrechtliche Transaktion mit grundbesitzenden Gesellschaften womöglich Grunderwerbsteuer auslöst, wird also in der Zukunft ganz erheblich aufwändiger und schwieriger werden als bisher. Nicht nur, dass eine Subsidiaritäts-Hierarchie zwischen den Tatbeständen besteht, es ist stets auch zu prüfen, ob die alte oder die neue Fassung der jeweiligen Vorschrift zur Anwendung gelangt:
Primär sind stets die Tatbestände von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG n.F. zu prüfen (Anteilseignerwechsel auf neue Gesellschafter im Umfang von mindestens 90 % innerhalb von zehn Jahren), die untereinander ohnehin nur alternativ zur Anwendung gelangen können, je nachdem ob es sich um eine Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a GrEStG) oder eine Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 2b GrEStG) handelt. Die Tatbestände von § 1 Abs. 3 GrEStG n.F. und § 1 Abs. 3a GrEStG n.F. kommen nur zur Anwendung, wenn eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG nicht in Betracht kommt; der Tatbestand von § 1 Abs. 3a GrEStG n.F. kommt nur zur Anwendung, wenn eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a, 2b und 3 GrEStG n.F. nicht in Betracht kommt. 

Zusätzlich ist jeweils anhand der Übergangsvorschriften von § 23 Abs. 18 bis 24 GrEStG n.F. zu prüfen, ob ggf. die bisherige, bis zum 30. Juni 2021 geltende Fassung der jeweiligen Vorschrift zur Anwendung gelangt. Hierbei ist für § 1 Abs. 2a GrEStG die Bestimmung von § 23 Abs. 20 GrEStG n.F. maßgeblich, für § 1 Abs. 3 GrEStG die Bestimmung von § 23 Abs. 21 GrEStG n.F. und für § 1 Abs. 3a GrEStG die Bestimmung von § 23 Abs. 22 GrEStG n.F. In allen drei vorgenannten Abs. 20 bis 22 von § 23 GrEStG n.F. findet sich jeweils die Anordnung, dass die Übergangsregelung und damit die alte Fassung des jeweiligen Ersatzerwerbstatbestands nur dann gilt, wenn der betreffende Rechtsvorgang nicht nach § 1 Abs. 1, 2, 2a, 3 oder Abs. 3a GrEStG n.F. steuerbar ist. Auf die Einzelheiten der Übergangsbestimmungen einzugehen würde den Rahmen dieses Beitrages bei weitem sprengen, zumal diese z.T. sehr kompliziert formuliert sind und zahlreiche Rück- und Querverweise enthalten.

Wesentliche Verschärfungen stellen die Senkung der maßgeblichen Anteilsquoten von 95 % auf 90 % dar sowie die Verlängerung der Beobachtungszeiträume von 5 auf 10 Jahre. Zur Veranschaulichung der Komplexität der neuen Bestimmungen mag der folgende Beispielsfall nach neuem (und altem) Recht zu einer GmbH & Co. KG mit Grundbesitz dienen:

III. Beispielsfall

Der Kommanditist K war bis zum Verkauf eines Anteils von 94,9 % an den Erwerber E alleiniger Kommanditist der K-GmbH & Co. KG (grundbesitzend) und alleiniger Gesellschafter deren Komplementär-GmbH, die jedoch am Vermögen der GmbH & Co. KG nicht beteiligt war. Die Veräußerung des 94,9 % Anteils an der KG und des 100 % Anteils an der Komplementär-GmbH sei

a) am 30.04.2016 oder 
b) am 30.04.2017 

erfolgt. E plant den restlichen 5,1 % Kommanditanteil des K an der K-GmbH & Co. KG nach Ablauf von fünf Jahren zu übernehmen und verfügt zur Absicherung dieses Anteilserwerbs über eine Call-Option auf den Anteil, die im Fall a) erstmals am 01.07.2021 und im Fall b) erstmals am 01.07.2022 ausübbar ist. Erwirbt E (etwa durch Ausübung der Option) nach dem 01.07.2021 (Inkrafttreten des neuen Rechts), z.B. in Fall a) am 15.07.2021 bzw. in Fall b) am 15.07.2022, den verbliebenen Anteil des K und erlangt er so 100 % der Kommanditanteile an der K GmbH & Co. KG, so ist dieser Vorgang grunderwerbsteuerlich wie folgt zu würdigen:

1. Fall a) 

Der Erwerb der 5,1 % durch E könnte zur Auslösung von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. führen, da E innerhalb des nunmehr relevanten Zeitraums von zehn Jahren (rückblickende Betrachtung) unter Einbezug des Erwerbs vom 30.04.2016 insgesamt 100 % der Anteile an der K GmbH & Co. KG erworben hat. Das neue Recht ist nur auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.06.2021 verwirklicht wurden, § 23 Abs. 18 GrEStG n.F. Es stellt sich also die Frage, ob der Erwerb des E vom 30.04.2016 in die Betrachtung zu § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. einzubeziehen ist. Ist dies der Fall, sind die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. erfüllt und der Vorgang löst GrESt aus. 

Ob der Erwerb vom 30.04.2016 mit in die Betrachtung einzubeziehen ist, ergibt sich aus § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG. Dort heißt es, dass bei der Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. Übergänge von Anteilen am Gesellschaftsvermögen auf Gesellschafter unberücksichtigt bleiben, die mit Ablauf des 30. Juni 2021 keine neuen Gesellschafter im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. mehr sind. M.a.W.: Da E mit Ablauf des 30.04.2021 seit mehr als fünf Jahren Gesellschafter der K-GmbH & Co. KG war, ist er im Sinne der genannten Vorschrift kein neuer Gesellschafter mehr, sondern Altgesellschafter. 

Der Erwerbsvorgang vom 30.04.2016 bleibt also bei der Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. außer Betracht und wird nicht mehr als Zählerwerb berücksichtigt. E ist mithin auch im Hinblick auf die Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. als Altgesellschafter anzusehen und die Transaktion vom 30.04.2016 bleibt für die Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. außer Betracht, so dass aufgrund dieser Bestimmung keine Grunderwerbsteuer ausgelöst wird.

Obwohl die Bestimmung von § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. gemäß § 23 Abs. 20 GrEStG n.F. noch bis zum 30.06.2026 weitergilt, führt der Erwerb des E am 15.07.2021 (z.B. durch Ausübung der Call-Option) dennoch nicht zur Erfüllung der Voraussetzungen von § 1 Abs. 2a GrEStG a.F., da er außerhalb des – nach altem Recht fünf Jahre betragenden – Beobachtungszeitraums stattfindet.

Der Erwerb des E am 15.07.2021 führt allerdings zu einem neuen Zählerwerb i.H.v. 5,1 %, der für einen (neuen) Beobachtungszeitraum von 10 Jahren künftig berücksichtigt wird, obwohl E eigentlich schon als Altgesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. qualifiziert war. Dieser nicht unumstrittene Ansatz ergibt sich aus dem Wortlaut von § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG, der gerade nicht die Qualität als Altgesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. ins neue Recht perpetuiert, sondern lediglich anordnet, dass der am 30.06.2021 schon länger als fünf Jahre zurückliegende Erwerb von Anteilen nicht als Zählerwerb für die Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. heranzuziehen ist. Nach dem 30.06.2021 erfolgende Anteilserwerbe sind daher wie dargelegt als Erwerbe innerhalb eines neuen Beobachtungszeitraums gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. (zehn Jahre) zu berücksichtigen.

Damit ist der Fall a) aber grunderwerbsteuerlich noch nicht zu Ende, denn der Erwerb der restlichen 5,1 % der Anteile an der K GmbH & Co. KG durch E könnte, nachdem die vorrangige Bestimmung von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. nicht erfüllt ist und damit im Rechtsinne „nicht in Betracht kommt“, zu einer Anteilsvereinigung von 100 % der Anteile an der K-GmbH & Co. KG in seiner Hand gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG n.F. führen (da E auch 100 % der Anteile an der Komplementär-GmbH hält insoweit unstreitig). 
Mit dem Erwerb der weiteren 5,1 % am 15.07.2021 sind erstmals die Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 GrEStG n.F. erfüllt, was bis dahin noch nicht der Fall war, da bis zum 30.06.2021 bekanntlich noch die Grenze von 95 % gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. galt, die erst jetzt durch den Erwerb aufgrund der Optionsausübung gerissen würde. Die Anteilsvereinigung in der Hand des E führt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 13 Nr. 7 GrEStG zum (fiktiven) Erwerb des Grundstücks der K-GmbH & Co. KG durch den E. Fraglich ist jedoch, ob dieser fiktive Erwerb in voller Höhe zur Auslösung von GrESt führt oder ggf. nur quotal in Höhe des zuletzt von E erworbenen Anteils zu besteuern ist. 

Es könnte ein Fall von § 6 Abs. 2 GrEStG gegeben sein (Erwerb eines Grundstücks von einer Gesamthand durch einen Gesamthänder), so dass nur in Höhe des nunmehr erworbenen Anteils GrESt ausgelöst wird. Auch die Bestimmung von § 6 GrEStG wurde allerdings durch das Reformgesetz geändert und die in § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG n.F. (Anwendungsvoraussetzung für § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG) vorgesehene Vorbehaltensfrist von bisher 5 auf nunmehr 10 Jahre verlängert. In den Fällen von § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 und § 1 Abs. 3a GrEStG n.F. wurde die Vorbehaltensfrist sogar auf 15 Jahre[!] neu festgeschrieben. 
Diese Vorbehaltensfrist sie ist rückblickend vom Zeitpunkt des letzten Erwerbs anzuwenden wäre in der Person des E vorliegend erkennbar nicht erfüllt, da er seine 94,9 % Beteiligung erst am 30.04.2016 erworben hatte. Die nach neuem Rechte vorausgesetzte Vorbehaltensfrist von 15 Jahren wäre also gerissen und § 6 Abs. 2 GrEStG damit nicht anwendbar. Allerdings helfen auch an dieser Stelle die Übergangsbestimmungen. § 23 Abs. 24 GrEStG n.F. ordnet insoweit ausdrücklich an:

„§ 5 Absatz 3, § 6 Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 und § 7 Absatz 3 GrEStG n.F. sind nicht anzuwenden, wenn die in § 5 Absatz 3, § 6 Absatz 3 Satz 2 oder Absatz 4 oder § 7 Absatz 3 GrEStG a.F. geregelte Frist (fünf Jahre, Ergänzung des Verfassers) vor dem 1. Juli 2021 abgelaufen war.“

Dies bedeutet, dass E, der seine Beteiligung von 94,9 % bereits am 30.04.2016 erworben hatte, diese am 1. Juli 2021 schon seit mehr als fünf Jahren hielt, so dass die bisherige Vorbehaltensfrist von § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG a.F. bereits abgelaufen war und E in den Genuss der Übergangsbestimmung von § 23 Abs. 24 GrEStG n.F. kommt. Die Anteilsvereinigung durch den weiteren Erwerb am 15.07.2021 ist also nur zu 5,1 % des Grundstückswerts grunderwerbsteuerpflichtig – ein Ergebnis mit dem E auch nach altem Recht hätte rechnen müssen.

2. Fall b) 

Gemäß der Übergangsregelung von § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG n.F. qualifiziert sich der E durch den erstmaligen Erwerb der 94,9% Beteiligung am 30.04.2017 bei erstmaliger Anwendung des neuen Rechts im Jahre 2021 nicht als Altgesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG a.F., da die Fünfjahresfrist des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. zum 30. Juni 2021 noch nicht abgelaufen ist. Damit ist die 94,9%ige Anteilsübertragung bei Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. als Zählerwerb zu berücksichtigen. Das neue Recht ist jedoch nur auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.06.2021 verwirklicht wurden, § 23 Abs. 18 GrEStG n.F., so dass ohne eine weitere Transaktion nach dem 01.07.2021 zunächst keine Grunderwerbsteuer ausgelöst wird, da eine solche Gesetzesanwendung (Grunderwerbsteuerauslösung allein aufgrund der Erwerbstransaktion vom 30.04.2017) als echte Rückwirkung verfassungsrechtlich nicht haltbar wäre.

Durch den Erwerb der weiteren 5,1 % Anteile an der K-GmbH & Co. KG (etwa durch Ausübung der eingeräumten Option) am 15.07.2022 ist jedoch die Anwendbarkeit von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. eröffnet, wobei hier – anders als in Fall a) – der Vorerwerb der 94,9 % am 30.04.2017 als Zählerwerb mit in die Betrachtung einzubeziehen ist.

Als Folge wird in Fall b) bereits gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. Grunderwerbsteuer ausgelöst durch den Erwerb am 15.07.2022. Ohne das Reformgesetz käme es im Fall b) zum selben Ergebnis wie in Fall a), nämlich einer Besteuerung lediglich in Höhe der Quote des zuletzt erworbenen Anteils von 5,1 %. Da das Reformgesetz aber am 01.07.2021 in Kraft getreten ist, führt der Erwerb (z.B. durch Ausübung der Call-Option durch E) am 15.07.2022 gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. zum fiktiven Erwerb des Grundstücks der K-GmbH & Co. KG durch eine „neue Personengesellschaft“, die auch Schuldner der solchermaßen ausgelösten Grunderwerbsteuer ist (§ 13 Nr. 6 GrEStG).

Zwar findet auch in Fall b) durch den weiteren Erwerb des E am 15.07.2022 eine Anteilsvereinigung in der Hand des E statt, indessen ist die Anwendung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG n.F. gegenüber der Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG subsidiär, so dass kein zweites Mal eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG n.F. in Frage kommt. Dieses Ergebnis kann allerdings in Frage gestellt werden, wendet man konsequent die (Übergangs-)Bestimmungen des Reformgesetzes an:

Der Tatbestand einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. ist unzweifelhaft in der Person des E ausgelöst. Da E am 30. Juni 2021 unmittelbar zu weniger als 95 % und zu mehr als 90 % an der K-GmbH & Co. KG beteiligt war, findet die Übergangsbestimmung von § 23 Abs. 21 GrEStG n.F. Anwendung, wonach in einem solchen Fall grundsätzlich die Bestimmung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. weiter anzuwenden ist.

Eine (anteilige) Nichterhebung der Steuer nach § 6 Abs. 2 GrEStG kommt in diesem Fall nicht in Betracht, weil die nun einschlägige 15-jährige Vorbehaltensfrist nach § 6 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 GrEStG n.F. nicht erfüllt ist – E kommt in Fall b) gerade nicht in den Genuss der Übergangsbestimmung von § 23 Abs. 24 GrEStG. Im Ergebnis würde also Grunderwerbsteuer auf den vollen Grundbesitzwert (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG) wegen Anteilsvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. erhoben. 

Fraglich ist allerdings, ob die Übergangsregelung von § 23 Abs. 21 Satz 3 GrEStG n.F. diesem Befund entgegensteht, da es dort heißt, § 23 Abs. 21 Sätze 1 und 2 GrEStG n.F. gelten nicht, wenn der Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1, 2, 2a, 2b, 3 oder Abs. 3a GrEStG n.F. steuerbar ist. Diese Bestimmung würde vorliegend also zur Subsidiarität von § 23 Abs. 21 Satz 1 GrEStG und damit zur Unanwendbarkeit von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. führen, so dass, entgegen einer insbesondere von der Finanzverwaltung vertretenen Gegenansicht, doch keine (doppelte) GrESt für diesen Vorgang ausgelöst würde. Von einer Rechtssicherheit kann demzufolge keine Rede sein.

3. Fazit zum Beispielsfall 

Das Fallbeispiel zeigt deutlich, dass die Prüfung einer vergleichsweise einfachen Transaktion über Personengesellschaftsanteile künftig außerordentlich aufwändig werden wird und an Kompliziertheit kaum zu übertreffen ist.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass in Fällen, in denen die bisher geltenden Fünfjahresfristen (bei § 1 Abs. 2a sowie §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 sowie § 7 Abs. 3 GrEStG a.F.) bei Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung bereits abgelaufen sind, das Reformgesetz in den Übergangsregelungen Vertrauensschutz für den Steuerpflichtigen gewährt. Dies gilt sowohl für die Eigenschaft als Altgesellschafter im Sinne von § 1 Abs. 2a GrEStG als auch für die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Steuerbegünstigungen nach §§ 5 ff. GrEStG.

Ist die Fünfjahresfrist dagegen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts noch nicht abgelaufen, ist eine anteilige Nichterhebung aufgrund der Steuerbegünstigungen der §§ 5 ff. GrEStG n.F. nur noch unter Einhaltung der neuen Fristen (10 Jahre bzw. 15 Jahre) möglich. Aus Sicht der Beratungspraxis empfiehlt es sich, etwa bestehende Optionsvereinbarungen zu überprüfen und ggf. hinsichtlich der Ausübbarkeit in zeitlicher Hinsicht an die neue Gesetzeslage anzupassen, um nicht ungewollt Grunderwerbsteuer auszulösen bzw. nicht in eine (teure) Steuerfalle zu tappen. 

IV. Der neue Tatbestand von § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. – Anteilseignerwechsel bei Kapitalgesellschaften

Vollkommen neu ins GrEStG eingefügt wurde – ganz nach dem Vorbild des Ersatzerwerbstatbestandes für Personengesellschaften gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG – der neue Erwerbstatbestand von § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. für Kapitalgesellschaftsanteile: Ein Anteilseignerwechsel an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften im Umfang von mindestens 90 % innerhalb von zehn Jahren führt nach dem neuen § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. nach dem Vorbild der altbekannten Regelung für Personengesellschaften gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG künftig zur Auslösung von Grunderwerbsteuer, wobei ausschließlich Anteilsübergänge ab dem 01.07.2021 berücksichtigt werden. 

Da es sich um einen vollkommen neuen Erwerbstatbestand handelt, bedurfte es für diesen auch keiner Übergangsregelung wie bei den bisherigen gesellschaftsrechtlichen Ersatzerwerbtatbeständen. Es findet sich lediglich eine Bestimmung zur generellen Anwendung der neuen Regelung in § 23 Abs. 23 GrEStG n.F., wo es heißt: „Bei der Anwendung des § 1 Absatz 2b bleiben Übergänge von Anteilen der Gesellschaft, die vor dem 1. Juli 2021 erfolgen, unberücksichtigt“.

Sah § 23 Abs. 23 GrEStG-E i.d.F des Regierungsentwurfs von 2019 für den neuen Tatbestand von § 1 Abs. 2b GrEStG noch eine ausführliche Vertrauensschutzreglung für Verpflichtungsgeschäfte vor, die ein Jahr vor Inkrafttreten der Reform (01.07.2021) abgeschlossen wurden und erst nach Inkrafttreten der Reform vollzogen werden, ordnet der nunmehr beschlossene § 23 Abs. 23 GrEStG n.F. schlicht an, dass nur Übergänge ab dem 1. Juli 2021 berücksichtigt werden, egal ob das dafür geschlossene Verpflichtungsgeschäft, also etwa der notarielle GmbH-Anteilskaufvertrag, bereits vor dem 01.07.2021 geschlossen worden ist. Ein Vertrauensschutz wird – nach Aussage des Gesetzgebers ganz bewusst nach dem Motto: Die Praxis wusste ja seit 2019 das die Neuregelung kommt – nicht gewährt.
Nach der Übergangsregelung von § 23 Abs. 23 GrEStG n.F. werden also bereits vor dem 01.07.2021 erfolgte unmittelbare wie mittelbare Anteilsübertragungen an Kapitalgesellschaften für § 1 Abs. 2b GrEStG nicht mitgerechnet; die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen oder Aktien einer grundbesitzenden Gesellschaft vor dem 1. Juli 2021 spielen für die Frage der Überschreitung der 90-%-Schwelle des § 1 Abs. 2b GrEStG also keine Rolle. 

Eine auf einen bestimmten Beobachtungszeitraum abzielende Regelung für grundbesitzende Kapitalgesellschaften sah das bisherige GrEStG nicht vor, weshalb bei diesen nach bisheriger Rechtslage nur die Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile in einer Hand (künftig reichen schon 90 %) oder die Übertragung von mindestens 95 % (künftig ebenfalls 90 %) auf einen bisherigen oder neuen Gesellschafter Grunderwerbsteuer ausgelöst haben. Wurden 95 % oder mehr Anteile auf zwei oder mehr Erwerber übertragen, ohne dass einer von ihnen auf 95 % oder mehr der Anteile der Kapitalgesellschaft kam, löste dies keine Grunderwerbsteuer aus, soweit keine gegenseitige Zurechnung der Beteiligungen etwa aufgrund eines Konzerntatbestandes o.ä. in Betracht kam. 

Betrifft eine Transaktion, bei der es vor dem Tag des Inkrafttretens des Reformgesetzes (also in der Zeit bis zum 30.06.2021), zum schuldrechtlichen Vertragsschluss („Signing“) gekommen ist, unmittelbar oder mittelbar mindestens 90 % der Anteile einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft und erfolgt der dingliche Vollzug der Transaktion („Closing“) erst am 01.07.2021 oder später, so löst dies Grunderwerbsteuer auf die Immobilien im Vermögen der Gesellschaft aus. Ein Vertrauensschutz bezogen auf das alte Recht wird (bewusst) nicht gewährt.

Der neue Tatbestand von § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. wird auch deshalb von gravierender Tragweite sein, weil anders als bei § 1 Abs. 2a GrEStG die Begünstigungsbestimmungen von §§ 5 und 6 GrEStG nicht weiterhelfen, weil sie nur auf Personengesellschaften anwendbar sind, nicht aber auf Kapitalgesellschaften und damit auf den Fall von § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. Die Begünstigungsbestimmungen von §§ 5 und 6 GrEStG schließen – vereinfacht umschrieben – eine Besteuerung in dem Umfang aus, wie ein Gesellschafter bei transparenter Betrachtung der (Personen-)Gesellschaft vor und nach der Transaktion an der betroffenen Gesellschaft beteiligt ist. Diese transparente Betrachtungsweise findet indessen bei Kapitalgesellschaften keine Anwendung, so dass es auf die Beteiligungsverhältnisse nur insoweit ankommt, als es sich bei dem/den Erwerber(n) um neue Gesellschafter handeln muss.
Ebenso wie bei § 1 Abs. 2a GrEStG wird in den Fällen von § 1 Abs. 2b GrEStG n.F., ist der Tatbestand tatsächlich ausgelöst, fingiert, dass das von der Kapitalgesellschaft gehaltene Grundstück von der „alten“ Kapitalgesellschaft (mit den bisherigen Gesellschaftern) auf die „neue“ Kapitalgesellschaft (mit den mindestens 90 % neuen Gesellschaftern) übertragen wurde. Bei einer Personengesellschaft kann es insoweit (in den Fällen von § 1 Abs. 2a GrEStG) zur Anwendung von § 5 oder § 6 GrEStG kommen und den Vorgang erheblich entschärfen; dies ist bei einer Kapitalgesellschaft als (fiktiver) Erwerberin hingegen nicht denkbar.

V. Die neue Börsenklausel (§ 1 Abs. 2c GrEStG n.F.)

Neu ist auch die Rückausnahme zu § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG n.F. für börsennotierte Kapitalgesellschaften gemäß § 1 Abs. 2c GrEStG n.F. (sog. Börsenklausel). Danach werden Anteilsübergänge i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 und Abs. 2b Satz 1 GrEStG n.F. für die Erreichung der 90 %-Schwelle nicht berücksichtigt, wenn
  • die Anteile der Gesellschaft an einem organisierten Markt nach § 2 Abs. 11 WpHG zum Handel im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betriebenen organisierten Markt nach § 2 Abs. 11 WpHG oder einem Drittlandhandelsplatz, der gemäß Artikel 25 Abs. 4 Buchstabe a der Richtlinie 2014/65/EU von der Europäischen Kommission als gleichwertig erklärt wurde, zugelassen sind, und
  • soweit der Anteilsübergang auf Grund eines Geschäfts an diesem Markt oder Drittlandhandelsplatz oder einem multilateralen Handelssystem im Sinne des Artikels 2 Abs. 1 Nummer 14 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 erfolgt.
Die Regelung erfasst, obgleich sie nur den jeweiligen Satz 1 von § 1 Abs. 2a und § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. in Bezug nimmt, auch mittelbare Anteilsübergänge, da diese im jeweiligen Satz 1 ausdrücklich genannt sind. Die Anwendung auf Fälle von § 1 Abs. 2a GrEStG hätte ohne die Miterfassung von mittelbaren Anteilsübergängen schlechterdings keinen Anwendungsbereich und bzgl. § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. griffe die Regelung bei weitem zu kurz, was der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung nicht beabsichtigt hat.
Nicht erfasst von der Rückausnahme der Börsenklausel werden allerdings außerbörsliche Geschäfte über börsennotierte Anteile entsprechender Gesellschaften sowie Geschäfte an nicht von der Regelung erfassten Börsen; dies betrifft etwa Aktiengeschäfte an der Londoner oder der Züricher Börse, die beide von der vorgenannten Bestimmung nicht erfasst werden. Als von der EU-Kommission für gleichwertig erklärte Dritthandelsplätze i.S.v. § 1 Abs. 2c GrEStG kommen derzeit lediglich die USA, Hong Kong und Australien in Betracht.

Als Rechtfertigung für die Börsenklausel gemäß § 1 Abs. 2c GrEStG n.F. wird die Unmöglichkeit der zuverlässigen Erfassung von Anteilsübertragungen über die Börse ins Feld geführt – es soll von vornherein ein sog. strukturelles Erfassungsdefizit vermieden werden, um das Gesetz nicht von Beginn an in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise auszugestalten. Eine andere Rechtfertigung als die nicht mögliche, zuverlässige Erfassung von Börsengeschäften im Hinblick auf § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. ist nicht ersichtlich. Dies wird auch durch die ausdrückliche Ausklammerung von außerbörslichen Geschäften im Gesetzestext von § 1 Abs. 2c letzter Halbsatz GrEStG n.F. bestätigt, da außerbörsliche Geschäfte natürlich sehr wohl belastbar erfassbar sind. Konsequent ordnet das Reformgesetz auch eine entsprechende Anzeigepflicht für den Vorstand betroffener Aktiengesellschaften nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b GrEStG n.F. an, jedenfalls bei Überschreiten der 90-%-Grenze innerhalb von 10 Jahren. Die Anzeigepflicht besteht auch dann, wenn etwa bei notariellen GmbH-Anteilsübertragungen bereits der beurkundende Notar entsprechende Anzeigen nach § 18 GrEStG vorzunehmen oder vorgenommen hat, vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG.

Ob die Rückausnahme von § 1 Abs. 2c GrEStG n.F. sich unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz alleine mit der Rechtfertigung der nicht möglichen Erfassbarkeit börslicher Transaktionen wird halten lassen, wird dereinst gewiss vom BVerfG zu beurteilen sein – man darf gespannt sein, wie die Richter in Karlsruhe dazu stehen.

Die Praxis in Gestalt der Geschäftsführer und Vorstände grundbesitzender Kapitalgesellschaften, ist durch die Neuregelung vor eine große Herausforderung gestellt: Sollen die Anzeigepflichten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 GrEStG insbesondere in Konzernen mit ggf. zahlreichen grundbesitzhaltenden Tochter-, Enkel- oder Urenkelgesellschaften künftig gewahrt und Ordnungswidrigkeiten- oder gar Steuerstrafverfahren vermieden werden, so gewinnen die zu installierenden Risikofrüherkennungs- und Tax-Compliance-Systeme ganz massiv an Bedeutung. Ob die Anzeigepflichten insoweit – wohlgemerkt, die Anzeige hat binnen 14 Tagen nach Kenntniserlangung von dem anzeigepflichtigen Vorgang zu erfolgen, § 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG – überhaupt zuverlässig zu erfüllen sein werden, wird die Praxis zeigen. Kenntnis vom anzeigepflichtigen Vorgang ist nämlich schon gegeben, wenn das betreffende Organ um die Anteilsübertragung grundsätzlich weiß – ob es die richtigen Schlüsse i.S.v. § 19 Abs. 1 GrEStG aus dieser Kenntnis zieht, ist nicht von entscheidender Bedeutung.

VI. Fazit

Die Grunderwerbsteuerreform zur Verschärfung der Besteuerung bei share deals ist am 01.07.2021 in Kraft getreten und führt zu massiven Eingriffen in das bisherige Regelungsgefüge des GrEStG bei gesellschaftsrechtlichen Transaktionen mit grundbesitzhaltenden Gesellschaften. Wie vom Gesetzgeber ausdrücklich angestrebt wird es in der Zukunft ganz erheblich schwieriger und vor allem langwieriger, um einen Gestaltungsweg zu finden, bei dem die Entstehung von Grunderwerbsteuer vermieden werden kann. 

Besonders gravierend sind die Verschärfungen bei Kapitalgesellschaften, bei denen es erstmals einen zeitraumbezogenen Ersatzerwerbstatbestand gibt (§ 1 Abs. 2b GrEStG n.F.), aufgrund dessen die Übertragung von mindestens 90 % der Anteile einer GmbH oder AG auf neue Gesellschafter innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren künftig Grunderwerbsteuer auf die im Vermögen der Kapitalgesellschaft befindlichen Immobilien auslöst. Die Vorschrift fingiert einen Erwerb der Gesellschaftsgrundstücke durch eine „neue Kapitalgesellschaft“ aufgrund des entsprechend umfänglichen Anteilseignerwechsels, weshalb es nicht zur Anwendung der Erleichterungen von §§ 5 und 6 GrEStG kommen kann.

Da die Reform dazu führt, dass es – zumindest bis zum 30.06.2026 – bis zu sieben unterschiedliche Erwerbstatbestände bei gesellschaftsrechtlichen Transaktionen mit grundbesitzhaltenden Gesellschaften gibt, ist die Prüfung der Frage, ob eine Transaktion nach neuem oder altem Recht tatsächlich Grunderwerbsteuer auslöst, künftig ungemein schwieriger und aufwändiger.
 
So manche Transaktion wird in den nächsten Jahren im Nachhinein für böse Überraschungen sorgen, weil man bei der Gestaltung und Festlegung der Transaktionsstruktur die neuen, z.T. sehr komplexen Regelungen, insbesondere die Übergangsregelungen von § 23 Abs. 18 bis 24 GrEStG n.F., nicht hinlänglich geprüft oder/und beachtet hat. 
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von Natalie Lieven 10. Dezember 2025
Frauen und Männer haben bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit Anspruch auf gleiches Entgelt – ein Grundsatz, der in seiner Umsetzung viele Detailfragen aufwirft. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat kürzlich zu der prozessualen Dimension von Lohnunterschieden Stellung bezogen. Die aktuelle Entscheidung vom 23.10.2025 lässt den Hinweis auf einen einzigen Kollegen des anderen Geschlechts mit einem höheren Entgelt und gleicher Tätigkeit für einen Anspruch auf höheres Gehalt genügen. Wir zeigen auf, welche praktischen Konsequenzen das Urteil insbesondere für Arbeitgeber hat. I. Das BAG-Urteil vom 23.10.2025 – 8 AZR 300/24 Eine Arbeitnehmerin klagte gegen ihren Arbeitgeber und verlangte eine rückwirkende Anpassung ihres Gehalts für einen Zeitraum von insgesamt fünf Jahren. Nach ihrer Elternzeit stellte sie fest, dass sie im Vergleich zu männlichen Führungskräften derselben Ebene bisher deutlich schlechter bezahlt wurde. Über ein internes Transparenztool des Arbeitgebers erfuhr sie, dass insbesondere ein Kollege der relevanten Vergleichsgruppe eine wesentlich höhere Vergütung als sie selbst erhielt. Die Vorinstanz hielt es nicht für ausreichend, einen einzelnen Arbeitnehmer zum Vergleich heranzuziehen und sprach ihr zunächst lediglich eine Anpassung in Höhe der Differenz der Medianentgelte zwischen weiblicher und männlicher Vergleichsgruppe zu. Das BAG hat diese Auffassung nicht geteilt. Es stellte klar, dass der Vergleich mit einem einzelnen männlichen Kollegen genüge, soweit die Arbeitnehmerin darlege, dass der Arbeitgeber diesem Kollegen eine höhere Vergütung zahle, obwohl er die gleiche oder jedenfalls gleichwertige Arbeit verrichte. Die Größe der Vergleichsgruppe spiele dabei keine Rolle. Die benachteiligte Arbeitnehmerin müsse sich in einem solchen Fall nicht auf den Medianwert beschränken. Bereits der Vergleich mit einem einzelnen Kollegen löse die Vermutung einer geschlechtsbedingten Ungleichbehandlung aus. Könne der Arbeitgeber diese nicht entkräften, schulde er die gleiche Vergütung wie dem zum Vergleich herangezogenen Kollegen. Das BAG stützt sich dabei auf die bereits gefestigte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach bereits das niedrigere Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit eine Diskriminierungsvermutung begründe. Die Beweislast für objektive Rechtfertigungsgründe liege anschließend beim Arbeitgeber. Der Fall wurde sodann zur erneuten Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Der Arbeitgeber erhält damit erneut Gelegenheit, sachliche Gründe für die bestehende Vergütungsdifferenz darzulegen. Ob die Klägerin am Ende obsiegt, lässt sich somit noch nicht sagen. Dennoch hat das Urteil des BAG bereits jetzt erhebliche praktische Auswirkungen für Arbeitgeber. Es reicht künftig aus, dass sich eine Arbeitnehmerin auf einen einzelnen, besser bezahlten männlichen Kollegen beruft und umgekehrt. Arbeitgeber sollten darauf vorbereitet sein, dass einzelne Gehälter als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Folglich ist dringend zu empfehlen, die Zahlung der Höhe nach unterschiedlicher Vergütungen auf sachliche und objektiv nachvollziehbare Gründe zu stützen und diese Entscheidungsgründe zu dokumentieren. Es empfiehlt sich somit, die unternehmensintern bestehenden Vergütungsstrukturen sorgfältig zu überprüfen und sicherzustellen, dass Entgeltentscheidungen geschlechtsneutral getroffen und transparent dokumentiert werden. II. Die aktuelle Rechtslage – Die Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie Im Zusammenhang mit dieser aktuellen BAG-Entscheidung steht auch die derzeit noch ausstehende Umsetzung der europäischen Entgelttransparenzrichtlinie. Die 2023 verabschiedete EU-Entgelttransparenzrichtlinie (EU) 2023/970 hat zum Ziel, das Gebot der Entgeltgleichheit unionsweit weiter zu stärken. Bis zum 7. Juni 2026 muss sie in nationales Recht umgesetzt werden. Die aktuelle Fassung des deutschen Entgelttransparenzgesetzes enthält bereits heute verschiedene Vorgaben zur Sicherstellung gleicher Bezahlung von Frauen und Männern, die im Wesentlichen auf einem Auskunftsanspruch, freiwilligen betrieblichen Prüfverfahren und Berichtspflichten beruhen. Der bestehende Pflichtenkatalog für Arbeitgeber soll mit der Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie allerdings deutlich erweitert werden. Auch wenn die Umsetzung der Richtlinie noch aussteht, liegt inzwischen bereits der Abschlussbericht der von der Bundesregierung zur Umsetzung in nationales Recht eingesetzten Kommission mit dem Auftrag „bürokratiearme Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie“ vor. Im Mittelpunkt stehen dabei Leitfragen zur praktischen Umsetzung der Berichtspflicht (Art. 9 ETRL), zum Auskunftsanspruch (Art. 7 ETRL) sowie zur Unterstützung der Arbeitgeber. Dieser Bericht, der zwar keine Bindungswirkung entfaltet, aber als Orientierung für den Gesetzgeber bei der europarechtskonformen Umsetzung der Richtlinie dient, skizziert bereits jetzt wichtige Vorgaben für Unternehmen. Wie der Abschlussbericht aufzeigt, erwarten Arbeitgeber zukünftig aller Voraussicht nach niedrigere Schwellenwerte, umfassendere Berichts- und Informationspflichten, verschärfte Transparenzvorgaben sowie konkrete Maßnahmepflichten, sobald Entgeltunterschiede festgestellt werden. III. Maßnahmenkatalog zur Umsetzung der Entgelttransparenz Die Entgelttransparenzrichtlinie verfolgt das Ziel, den Entgeltgleichheitsgrundsatz zu stärken, indem sie für Arbeitgeber verschiedene Transparenzmaßnahmen vorgibt. Konkret sind insbesondere die folgenden Maßnahmen in der Richtlinie vorgesehen: Ein Auskunftsanspruch für Bewerberinnen und Bewerber über das Einstiegsentgelt oder die Gehaltsspanne. Ein Auskunftsanspruch für Beschäftigte über das Vergleichsentgelt von Kolleginnen und Kollegen mit gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Eine Berichtspflicht für Arbeitgeber ab 100 Beschäftigten bezüglich vorgegebener Indikatoren zum geschlechtsspezifischen Entgeltgefälle („Gender Pay Gap“). Sanktionen bei Nicht-Einhaltung. Die konkrete Ausgestaltung durch den nationalen Gesetzgeber bleibt noch abzuwarten. Die angedachten Maßnahmen verdeutlichen jedoch bereits, dass sich für Unternehmen im kommenden Jahr aller Voraussicht nach einige neue Pflichten ergeben werden, die von dem Nachkommen eines Auskunftsersuchens über Berichtspflichten bis hin zur verpflichtenden Reaktion auf mögliche Entgeltdifferenzen reichen. Der Abschlussbericht liefert bereits einige konkrete Ansätze zur Umsetzung der Maßnahmen: 1. Berichtspflicht: Die Kommission empfiehlt, den Entgeltbegriff zur Wahrnehmung der Berichtspflicht präzise zu definieren. Maßgeblich sei dabei das Ist-Entgelt, also das tatsächlich gezahlte Entgelt inklusive Grundgehalt, Zulagen und regelmäßig gewährter sonstiger Vergütungsbestandteile. Sie schlägt vor, geringwertige Sachleistungen oder vom Arbeitgeber nicht gewährte Aktienoptionen von der Berichtspflicht auszunehmen. Zudem könnte eine Öffnungsklausel eingeführt werden, sodass variable oder ergänzende Entgeltbestandteile entweder als Summe oder in sinnvoll zusammengefassten Gruppen dargestellt werden dürfen, um den Aufwand zu begrenzen. 2. Auskunftsrecht mit anschließendem Abhilfeverfahren: Die Kommission schlägt vor, dass Beschäftigten ein Auskunftsrecht zugesprochen wird hinsichtlich des eigenen Entgelts, des durchschnittlichen Entgelts von Kolleginnen und Kollegen mit gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit sowie der maßgeblichen Entgeltkriterien und -bestandteile. Das Auskunftsrecht erfordert demnach eine vorherige Vergleichsgruppenbildung durch den Arbeitgeber. Sollten aus den Auskünften geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede hervorgehen, die nicht durch objektive, geschlechtsneutrale Kriterien gerechtfertigt sind, ist ein zweistufiges Abhilfeverfahren vorgesehen, welches von Arbeitgebern unter anderem verlangt, einen Pl an mit konkreten Maßnahmen sowie Fristen zur Herstellung der Entgeltgleichheit zu entwickeln. 3. Tarifgebundene und anwendende Unternehmen: Ein weiterer bedeutsamer Punkt des Abschlussberichts der Kommission ist der Umgang mit tarifgebundenen beziehungsweise tarifanwendenden Arbeitgebern. Zwar wurden Sonderprivilegien für diese Arbeitgeber von der Kommission diskutiert, im Ergebnis soll die Anwendbarkeit von Tarifverträgen jedoch nicht automatisch vor dem Vorwurf der Entgeltdiskriminierung schützen. Auch in tariflich geregelten Systemen müssen Entgeltgruppen demnach objektiv und geschlechtsneutral begründet werden. Die Kommission schlägt indes eine Angemessenheitsvermutung im Anwendungsbereich von Tarifverträgen vor. Beim Auskunftsrecht solle das Auskunftsersuchen zunächst auf die tarifliche Entgeltgruppe des Auskunftssuchenden beschränkt sein, eine Korrektur solle nur erforderlich sein, wenn nachgewiesen werde, dass die tarifliche Gruppenbildung nicht den Vorgaben des Art. 4 Abs. 4 ETRL entspreche. Tarifgebundenen und tarifanwendenden Unternehmen sollen dabei gleichbehandelt werden. Auch längere Fristen für Auskunftsersuchen von tarifgebundenen Arbeitgebern werden empfohlen, um Abstimmungen mit Arbeitgeberverbänden zu ermöglichen. IV. Ausblick und Handlungsempfehlung Die Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie lässt nur begrenzte nationale Gestaltungsspielräume zu. Viele Vorgaben ergeben sich unmittelbar aus dem Richtlinientext, sodass Unternehmen hier nicht auf nationale Spielräume hoffen können. Der Abschlussbericht macht außerdem deutlich, dass trotz der Bemühungen um Bürokratieabbau der Aufwand für Unternehmen nicht ganz entfallen wird. Das nationale Gesetzgebungsverfahren soll konkret Anfang 2026 beginnen. Für Unternehmen besteht bereits jetzt Handlungsbedarf. Unternehmen sind gehalten, bereits jetzt die entsprechenden Daten aufzubereiten und das bestehende Entgeltsystem auf den Prüfstand stellen. Neben dem anstehenden Gesetzgebungsverfahren verdeutlicht auch die aktuelle Rechtsprechung des BAG, dass Arbeitgeber gut beraten sind, die Entgelttransparenz und Entgeltgleichheit ernst zu nehmen. Die nächsten Monate sollten genutzt werden, um tragfähige Konzepte für die Umsetzung der neuen Anforderungen zu erarbeiten. Die Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie erfordert ein sorgfältiges Vorgehen, aber bietet zugleich klare Leitplanken, um Transparenz, Rechtssicherheit und Effizienz miteinander zu verbinden. Unternehmen, die frühzeitig aktiv werden, sind gut vorbereitet sowohl im Hinblick auf die gesetzlichen Pflichten als auch auf eine moderne, geschlechtsneutrale Entgeltpolitik. Wenn Sie Unterstützung bei der konkreten Umsetzung benötigen stehen wir Ihnen als rechtlicher Partner gerne zur Seite. Wenden Sie sich bei Fragen gerne an Ihren Pelka-Berater oder Frau Rechtsanwältin Natalie Lieven. Gerne können Sie auch unser Kontaktformular ausfüllen.
1. Dezember 2025
Pelka hat eine in Luxemburg ansässige Aktiengesellschaft („S.A.“) beim grenzüberschreitenden Herein-Formwechsel in eine deutsche GmbH beraten. In Zusammenarbeit mit Berufskolleginnen und -kollegen aus Luxemburg und den zuständigen Gremien der Gesellschaft wurden die erforderlichen Dokumente erstellt, um den Anforderungen der auf der Grundlage der EU-Umwandlungsrichtlinie ergangenen nationalen Gesetzgebung sowohl in Luxemburg als auch in Deutschland zu genügen und die Eintragung der Gesellschaft ins deutsche Handelsregister nunmehr „als deutsche GmbH“ zu erreichen. Seit der Umsetzung der EU-Umwandlungsrichtlinie in nationales Recht durch das sog. UmRUG (Um-wandlungsrichtlinienumsetzungsgesetz) ist der grenzüberschreitende Formwechsel von Kapitalge-sellschaften innerhalb der EU in Deutschland gesetzlich geregelt. Da es sich auch bei einem grenzüber-schreitenden Formwechsel um eine identitätswahrende Umwandlung handelt, kommt es weder zu Vermögensübertragungen noch zur steuerlichen Aufdeckung von stillen Reserven. Der grenzüberschreitende Herein-Formwechsel ist sowohl bei Notaren als auch beim Handelsregister ist noch keineswegs ein alltäglicher Vorgang, der mit Routine und Erfahrung rasch abgewickelt werden kann. Die Beratung war insbesondere darauf ausgerichtet, die Handelsregistereintragung möglichst zügig und ohne Rückfragen oder gar Zwischenverfügungen seitens des Gerichts zu erlangen. Das Mandat wurde vorwiegend betreut von Stephan Hettler (M&A, Corporate) und Alexander Krämer (Tax).
von Di Wu 19. November 2025
Die steuerlichen Fragen rund um sogenannte Kryptowerte haben in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen, da die Nutzung und Verbreitung von blockchain-basierten Vermögenswerten wie Bitcoin, Ethereum und sonstigen Token sowohl im privaten als auch im betrieblichen Bereich stark zugenommen hat. Die Finanzverwaltung hat auf diese Entwicklung reagiert und erstmals am 10. Mai 2022 (BStBl I S. 668) ein umfassendes BMF-Schreiben zur ertragsteuerlichen Behandlung von virtuellen Währungen und sonstigen Token veröffentlicht. Mit dem aktuellen BMF-Schreiben vom 6. März 2025 hat die Finanzverwaltung die ertragsteuerliche Behandlung von Kryptowerten nochmals erläutert und insbesondere die Anforderungen an die Steuererklärungs-, Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten konkretisiert. Nachfolgend erhalten Sie einen Überblick über einige wichtige Punkte, die Sie im Hinblick auf die neuere Finanzverwaltungspraxis beachten sollten. I. Begrifflichkeiten und Einordnung Das BMF verwendet künftig den Begriff „Kryptowerte“ statt wie bisher "virtuelle Währungen und sonstige Token". Nach der Definition des BMF ist ein Kryptowert die digitale Darstellung eines Wertes oder eines Rechts, der bzw. das unter Verwendung der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden kann. Da der technische Aufbau und die technische Entwicklung von Krypowerten vielfältig sind, richtet sich die ertragsteuerliche Beurteilung im Einzelnen nach dem zugrundliegenden Sachverhalt und der konkret ausgestalteten Funktion des Kryptowerts. Die Wirtschaftsgutsqualität von Kryptowerten ist jedenfalls auch nach der neueren BFH-Rechtsprechung unbestritten. Je nach Tätigkeitsart bzw. -umfang können Einkünfte aus Kryptowerten verschiedenen Einkunftsarten zugeordnet werden. Im Hinblick auf die klassischen Veräußerungsgeschäfte von Kryptowerten richtet sich die steuerliche Einordnung danach, ob sich die Kryptowerte im Privat- oder Betriebsvermögen befinden. Gewinne aus dem Verkauf von Kryptowerten im Privatvermögen sind als private Veräußerungsgeschäfte (§ 23 EStG) steuerpflichtig, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr liegt. Die Freigrenze beträgt 1.000 Euro (bis VZ 2023: 600 Euro) pro Jahr. Wird diese überschritten, ist der gesamte Gewinn steuerpflichtig. Für die Ermittlung der Jahresfrist ist bei einer Anschaffung oder Veräußerung über eine zentrale Handelsplattform auf die dort aufgezeichneten Zeitpunkte abzustellen. Bei einem Direkterwerb oder einer Direktveräußerung ohne Zwischenschaltung von Intermediären, etwa über eine dezentrale Handelsplattform, ist aus Vereinfachungsgründen in der Regel auf die Zeitpunkte abzustellen, die sich aus der Wallet ergeben. Soll für die Frage, ob die Jahresfrist überschritten ist, das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft maßgebend sein, müssen die Steuerpflichtigen den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses durch geeignete Unterlagen nachweisen. Einkünfte im Zusammenhang mit Kryptowerten können bereits kraft Rechtsform des Steuerpflichtigen – wenn dieser beispielsweise als eine GmbH organisiert ist – als Einkünfte aus Gewerbebetrieb einzustufen sein. Ansonsten hängt die Einordnung als gewerbliche Tätigkeit bzw. die Zuordnung zu einem etwaigen Betriebsvermögen von den allgemeinen steuerlichen Voraussetzungen ab. Neben dem klassischen An- und Verkauf von Kryptowerten gibt es zudem diverse weitere Geschäftsvorfälle, wie etwa Mining, Staking, Lending etc., die einer besonderen steuerlichen Beurteilung bedürfen. II. Mitwirkungspflichten und Aufzeichnungspflichten Das BMF-Schreiben stellt klar, dass Steuerpflichtige verpflichtet sind, sämtliche relevanten Transaktionen mit Kryptowerten lückenlos und nachvollziehbar zu dokumentieren. Dies umfasst insbesondere: Datum, Art und Umfang jeder Transaktion (Kauf, Verkauf, Tausch, Übertragungen zwischen Wallets, Mining, Staking etc.) Die jeweils beteiligten Kryptowerte und deren Menge Die Gegenleistung (z.B. Euro-Betrag, andere Kryptowerte) Die Wallet-Adressen und ggf. die Handelsplattformen Die Zeitpunkte der Anschaffung und Veräußerung zur Ermittlung der Haltefrist Die jeweiligen Anschaffungs- und Veräußerungskosten (einschließlich Gebühren) Diese Aufzeichnungen sind spätestens mit Abgabe der Steuererklärung vorzuhalten und auf Nachfrage dem Finanzamt vorzulegen. Die Dokumentationspflicht gilt unabhängig davon, ob die Transaktionen über inländische oder ausländische Börsen bzw. Wallets abgewickelt wurden. Werden Kryptowerte über zentrale Handelsplattformen eines ausländischen Betreibers erworben oder veräußert, wird dadurch eine erweiterte Mitwirkungspflicht der Steuerpflichtigen begründet, was insbesondere bedeutet, dass diese gegebenenfalls in diesen Fällen den Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen haben. Dies umfasst beispielsweise den regelmäßigen und vollständigen Abruf der Transaktionsübersichten zentraler Handelsplattformen. III. Steuerreports und Belegvorlage Zur Erfüllung der Mitwirkungspflichten können auch sogenannte Steuerreports oder Transaktionsübersichten verwendet und beigefügt werden. Steuerreports werden häufig direkt von den genutzten Handelsplattformen oder mit Hilfe spezialisierter Software generiert. Die Steuerreports sollten zumindest folgende Angaben enthalten: Übersicht aller Transaktionen im Kalenderjahr Salden der Wallets zu den relevanten Stichtagen Nachweis der Zuordnung der einzelnen Transaktionen zu den jeweiligen Wallets Berechnung der steuerpflichtigen Gewinne/Verluste Nutzen Steuerpflichtige Steuerreports, müssen die Einkünfte vollständig und richtig erklärt werden und für die Finanzbehörde nachvollziehbar sein. Einkünfte sind für die Finanzbehörde nachvollziehbar, wenn diese sie anhand vorliegender Unterlagen und Angaben ermitteln und berechnen kann. Die Nachvollziehbarkeit kann im Rahmen der Veranlagung auch über Steuerreports gewährleistet werden, wenn diese bei der Bearbeitung plausibel erscheinen, weil keine Hinweise auf eine Unvollständigkeit vorliegen (z. B. offenkundiges Fehlen einzelner Anschaffungskosten, Wallets oder Handelsplattformen), sie in sich schlüssig sind (z. B. weil Angaben sich nicht widersprechen) und nicht im äußeren Widerspruch zu sonstigen Erkenntnissen der Finanzbehörde stehen. Es ist jedenfalls begrüßenswert, dass Steuerreports, sofern sie denn plausibel sind, im Rahmen der Veranlagung als Belege von der Finanzverwaltung akzeptiert werden. Bei Unsicherheiten oder Zweifelsfragen ist es in jedem Fall ratsam, den Sachverhalt in einem Begleitschreiben zur Steuererklärung ausführlich zu erläutern und sämtliche Belege beizufügen. IV. Fazit Die (ertrag-)steuerliche Behandlung von Kryptowerten ist komplex und erfordert eine sorgfältige Dokumentation sämtlicher Vorgänge. Das aktuelle BMF-Schreiben vom 6. März 2025 stellt hohe Anforderungen an die Mitwirkung und Nachweisführung. Bitte stellen Sie sicher, dass Sie alle relevanten Unterlagen und Steuerreports vollständig und nachvollziehbar aufbereiten, um diese bei Anforderung durch die Finanzbehörde einreichen zu können. Für Rückfragen oder Unterstützung bei der Erstellung der erforderlichen Unterlagen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Sie können sich hierzu gerne an Ihren Pelka-Berater wenden oder unser Kontaktformular ausfüllen.
von Melissa Maas, Michael Mickenhagen und Marie-Christine Schröder 19. November 2025
Zum Jahresende lohnt sich ein prüfender Blick auf mögliche Steuergestaltungen hinsichtlich etwaiger Vorauszahlungen von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung. Seit dem Veranlagungszeitraum 2020 dürfen Beiträge für die sogenannte Basisabsicherung bis zum Dreifachen des vertraglich geschuldeten Jahresbeitrags im Voraus gezahlt und im Zahlungsjahr vollständig steuerlich berücksichtigt werden. Die daraus resultierenden Steueroptimierungsmöglichkeiten sind vielfältig und werden in der Praxis seit Jahren erfolgreich genutzt. Auch mehr als ein Jahrzehnt nach Einführung dieser Regelung hat das Thema nicht an Relevanz verloren. Im Folgenden haben wir daher die wichtigsten Fakten und Praxishinweise kompakt für Sie zusammengestellt: I. Die Einzelheiten der gesetzlichen Regelung im Überblick Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Unfall-, Haftpflicht-, Berufsunfähigkeits- und Arbeitslosenversicherung mindern als sog. sonstige Vorsorgeaufwendungen das zu versteuernde Einkommen. Die Beiträge werden dabei nach dem sog. Zufluss-Abfluss-Prinzip berücksichtigt. Das bedeutet, dass sich die Aufwendungen grundsätzlich in dem Jahr steuerlich auswirken, in dem sie tatsächlich gezahlt wurden - unabhängig davon, für welchen Zeitraum sie tatsächlich bestimmt sind. Dabei ist zwischen zwei Gruppen von Vorsorgeaufwendungen zu unterscheiden: 1. Kranken- und Pflegeversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG) Hierzu zählen die sog. Basisbeiträge – also Leistungen, die dem Umfang nach den gesetzlichen Versicherungen entsprechen. Diese Beiträge für die Basiskranken- und Pflegeversicherung sind in unbegrenzter Höhe als Vorsorgeaufwendungen abziehbar. Es ist auch möglich, Beiträge, die für Folgejahre bestimmt sind, bereits im früheren Jahr der Zahlung steuerlich zu berücksichtigen. § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 5 EStG regelt, dass die Beiträge zur Basiskranken- und Pflegeversicherung für künftige Jahre im Zahlungsjahr abziehbar sind, soweit sie das 3-fache der für das Zahlungsjahr gezahlten Beiträge nicht übersteigen. 2. Übrige Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG) Hierunter fallen insbesondere Beiträge zur Unfall-, Haftpflicht- und Berufsunfähigkeitsversicherung sowie Beiträge für Wahlleistungen der Kranken- und Pflegeversicherung. Anders als die Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind diese nicht unbegrenzt abzugsfähig. Für Arbeitnehmer und Rentner greift eine personenbezogene, jährliche Höchstgrenze i. H. v. 1.900 €, bei Selbständigen, Freiberuflern und Beamten beläuft sich diese Grenze gem. § 10 Abs. 4 S. 1 und 2 EStG auf 2.800 €. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind zwar unbegrenzt abzugsfähig, werden jedoch im Rahmen der vorgenannten Höchstbeträge mitberücksichtigt. In der Praxis führt dies häufig dazu, dass andere Versicherungsbeiträge – etwa zur Haftpflicht- oder Unfallversicherung – sich steuerlich nicht mehr auswirken. Eine Übertragung nicht ausgeschöpfter Beträge in Folgejahre ist nicht möglich; somit verfallen die Versicherungsbeiträge im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG ersatzlos. II. Steueroptimierung Der beschriebene nachteilige Effekt lässt sich vermeiden, indem die Beiträge zur Basisabsicherung für bis zu drei Jahre im Voraus gezahlt werden. Eine solche Vorauszahlung kann sich aus mehreren Gründen vorteilhaft auswirken: 1. Mehr steuerlicher Spielraum in den Folgejahren Da in den Jahren nach der Vorauszahlung keine laufenden Krankenversicherungsbeiträge mehr anfallen, können weitere Versicherungsbeiträge – etwa zur Haftpflicht-, Unfall- oder Berufsunfähigkeitsversicherung – bis zu den gesetzlichen Höchstgrenzen steuerlich berücksichtigt werden. 2. Steuerentlastung in einkommensstarken Jahren Wer in einem Jahr besonders hohe Einkünfte erzielt (z. B. durch Bonus, Abfindung oder außergewöhnlich gute Geschäftsergebnisse), kann durch die Vorauszahlung den progressiven Steuertarif gezielt abfedern und die Steuerlast wirksam senken. 3. Mögliche Beitragsrabatte Viele Versicherer gewähren zudem Preisnachlässe bei Vorauszahlungen – ein zusätzlicher finanzieller Vorteil neben der Steuerersparnis. III. Für wen sind Vorauszahlungen interessant und wann ist Vorsicht geboten Besonders profitieren können Selbständige, Freiberufler sowie privatversicherte Personen, die ihre Beiträge vollständig selbst tragen, ebenso wie Ehepaare, bei denen beide Partner privat versichert sind. Auch Spitzenverdiener mit hohen Einmalzahlungen oder schwankenden Einkommen können die Vorauszahlung gezielt zur Steueroptimierung nutzen. Weniger sinnvoll ist die Gestaltung für Arbeitnehmer mit Arbeitgeberzuschuss zur privaten Krankenversicherung, da der Zuschuss bei Wegfall laufender Beiträge steuerpflichtig werden kann. Auch gesetzlich Versicherte, Rentner mit niedrigem Steuersatz oder Steuerpflichtige, die über keine weiteren abzugsfähigen Versicherungen verfügen, profitieren kaum bis gar nicht. Zudem sollte ausreichend Liquidität für die Vorauszahlung mehrerer Jahresbeiträge vorhanden sein. Bitte beachten Sie auch, dass im Todesfall die zu viel geleisteten Beiträge für Folgejahre Erstattungen für die Erben darstellen, die in der Erbschaftsteuererklärung anzugeben sind. IV. Was ist zu beachten - Zahlungsfrist Wichtig ist, dass die Vorauszahlung rechtzeitig im laufenden Jahr erfolgt, um den gewünschten Steuervorteil zu realisieren. Erfolgt die Überweisung innerhalb von zehn Tagen vor oder nach dem Jahreswechsel, gilt sie gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG als im wirtschaftlich zugehörigen Jahr geleistet – eine steuerliche Wirkung im aktuellen Jahr wäre damit ausgeschlossen. Daher sollte die Vorauszahlung vor dem 22. Dezember 2025 vorgenommen werden, um die sogenannte „Zehn-Tage-Regel“ sicher zu umgehen. Empfehlenswert ist es zudem, die geplante Vorauszahlung mit Ihrem Steuerberater abzusprechen, um sie optimal auf Ihre persönliche Situation auszurichten und den größtmöglichen steuerlichen Vorteil zu erzielen. Der ideale Zahlungszeitpunkt hängt von verschiedenen Faktoren - wie z.B. der Entwicklung von Gewinnen, Verlusten oder Sonderzahlungen – ab und sollte daher sorgfältig gewählt werden. V. Fazit Die Vorauszahlung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung stellt eine wirksame und zugleich legale Möglichkeit der Steueroptimierung dar, insbesondere bei schwankenden Einkünften oder hohen Einmalerträgen. Entscheidend ist jedoch, dass sie bewusst geplant und auf die persönlichen Verhältnisse abgestimmt erfolgt. Gerne beraten wir Sie dabei, den für Sie passenden Zeitpunkt und Umfang einer entsprechenden Vorauszahlungsleistung zu bestimmen. Bei Fragen können Sie sich gerne an Ihren Pelka-Berater oder Frau Melissa Maas bzw. Frau Marie-Christine Schröder wenden oder unser Kontaktformular ausfüllen. Wir freuen uns darauf, Sie unterstützen zu können.
5. November 2025
Pelka beriet eine Unternehmerfamilie beim Verkauf ihrer Gesellschaft an eine europäische Konzerngruppe im Wege eines Share-Deals. Gegenstand der Gesellschaft sind der Handel mit Neu- und Gebrauchtwagen sowie After-Sales-Services eines Premiumherstellers. Der Exit wurde von Pelka sowohl rechtlich als auch steuerlich begleitet, indem u.a. bei der Wertfindung beraten und die notwendigen Verträge verhandelt und rechtlich sowie steuerlich gestaltet wurden. Zugleich wurde die Basis für eine zukünftige langfristige Zusammenarbeit der Parteien nach der Veräußerung auf Basis eines Mietverhältnisses geschaffen. Auch dieser Schritt wurde durch Pelka begleitet. Die Beratung durch Pelka ist nicht nur darauf ausgerichtet, die Wünsche der Mandanten auf Basis der gegebenen Interessenlage zu verhandeln, sondern auch zukünftigen Diskussionen und Streitigkeiten möglichst vorzubeugen. Drohende Interessenkonflikte oder Risiken sind frühzeitig zu erkennen und entweder durch eine vertragliche Regelung oder durch eine praktische Lösung zu entschärfen. Gingen einer Transaktion zudem Umstrukturierungen und Vermögensübertragungen voraus, sind etwaige steuerliche Wirkungen eines Unternehmensverkaufs zu beleuchten und in die Ausgestaltung des Exits einzubeziehen. Um die mit einem Exit verbundenen Chancen und Risiken zu kennen, empfiehlt es sich daher, frühzeitig Berater einzubeziehen. Das Mandat wurde vorwiegend betreut von den Partnern Dr. Marc von Kopp (M&A, Corporate), Dr. Fabian Riegler (Tax und Financial) und Rechtsanwalt Fabian Lünsmann (Real Estate).
von Dr. Eric Hoeveler und Gabriel Föhr 5. November 2025
I. Einführung Nichtabziehbare Betriebsausgaben im Konzern? Warum grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen zunehmend in den Fokus geraten. Stellen Sie sich vor, ein deutsches Tochterunternehmen leiht sich innerhalb eines internationalen Konzerns 10 Millionen Euro von seiner französischen Muttergesellschaft. Für das Darlehen zahlt es 10 % Zinsen pro Jahr. Auf den ersten Blick scheint der Fall einfach: Zinsen sind steuerlich Betriebsausgaben und mindern den Gewinn – und damit die Steuerlast – des deutschen Unternehmens. Doch hier liegt der entscheidende Punkt: Bei Finanzierungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen müssen die Konditionen „fremdüblich“ sein. Das bedeutet, dass der vereinbarte Zinssatz dem entsprechen muss, was auch unabhängige Dritte unter vergleichbaren Umständen vereinbaren würden. Liegt der marktübliche Zins beispielsweise nur bei 5 %, sind steuerlich auch nur diese 5 % als Betriebsausgaben abzugsfähig. Der darüberhinausgehende Teil wird als nichtabziehbare Betriebsausgabe behandelt. Gerade bei internationalen Konzernen prüfen die Finanzverwaltungen zunehmend kritisch, ob über überhöhte Zinsen Gewinne ins Ausland verlagert werden, um dort von niedrigeren Steuersätzen zu profitieren. In der Praxis kommt hinzu, dass es für viele konzerninterne Darlehen keine direkten Marktvergleichswerte gibt. Unternehmen müssen daher auf Schätzmethoden zurückgreifen, um einen angemessenen, fremdüblichen Zinssatz zu bestimmen. Dieser Beitrag beleuchtet die aktuellen Entwicklungen zu konzerninternen Finanzierungen und zeigt ihnen, worauf Unternehmen bei der kommenden Veranlagung besonders achten sollten. II. Ausgewählte Problemfelder von Finanzierungsbeziehungen Grundsätzlich steht es jedem Unternehmen frei, wie es seine Finanzierung gestaltet – also ob es mehr Eigenkapital einsetzt oder Fremdkapital aufnimmt. Diese Gestaltungsfreiheit findet jedoch steuerliche Grenzen. Denn sowohl die Höhe des Fremdkapitals als auch der vereinbarte Zinssatz beeinflussen den steuerlichen Gewinn unmittelbar. Während marktübliche Zinsaufwendungen auf Fremdkapital grundsätzlich als Betriebsausgaben abziehbar sind, gilt dies nicht für überhöhte Zinszahlungen. Um Missbrauch zu verhindern, greifen insbesondere drei zentrale Vorschriften: Die verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG: Diese Vorschrift soll verhindern, dass ein Unternehmen seinem Gesellschafter oder einer dem Gesellschafter nahestehenden Person nicht fremdübliche Vorteile gewährt – etwa in Form überhöhter Zinsen auf ein Darlehen. Solche Zahlungen werden als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt und mindern den Gewinn steuerlich nicht. Die Berichtigung der Einkünfte nach § 1 AStG: Bei grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen innerhalb eines Konzerns kann auch § 1 AStG Bedeutung erlangen. Danach müssen sämtliche Preise und Konditionen – einschließlich der Zinssätze – dem sogenannten Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen, also so gestaltet sein, wie sie unabhängige Dritte vereinbaren würden. Die Berichtigung der Einkünfte nach § 4h EstG: Darüber kann die sog. Zinsschranke die Abziehbarkeit von Zinsaufwendungen begrenzen, wenn diese einen bestimmten Betrag erreichen. Damit soll eine übermäßige Fremdfinanzierung zur Gewinnminderung verhindert werden. Ausnahmen, die einen uneingeschränkten Abzug ermöglichen, sieht das Gesetz aber vor. Im Zuge des Wachstumschancengesetzes vom 27. März 2024 hat der Gesetzgeber neue Regelungen eingeführt und die Anforderungen an konzerninterne Finanzierungen im § 1 AStG ausdrücklich festgeschrieben. Diese Änderungen haben die Unsicherheit in der Praxis zunächst erhöht – insbesondere hinsichtlich der Frage, welche Methoden zur Ermittlung fremdüblicher Zinsen künftig zulässig sind. Als Reaktion auf diese Kritik hat die Finanzverwaltung mit dem BMF-Schreiben vom 12. Dezember 2024 Stellung bezogen und ihre Verwaltungsgrundsätze angepasst. Dennoch bleiben in der Praxis zahlreiche Detailfragen offen, insbesondere zur Abgrenzung zwischen Finanzierungsbeziehungen und sonstigen Finanzierungsdienstleistungen sowie zur Anwendung der neuen Regelungen ab dem Veranlagungszeitraum 2025. III. Bedeutung der Erweiterung 1. Anerkennung von Zinsaufwendungen dem Grunde nach Unklar war bislang, unter welchen Voraussetzungen konzerninterne Finanzierungen steuerlich überhaupt als Fremdkapital anerkannt werden. Hier schafft der neu eingefügte § 1 Abs. 3d AStG nun spezifische Vorgaben. Eine wesentliche Voraussetzung für die Anerkennung des Fremdkapitals ist, dass das Darlehen eine zeitlich begrenzte Kapitalüberlassung darstellt, die nach objektiver Würdigung zurückgeführt werden kann. Es muss also eine ernsthafte Rückzahlungsverpflichtung bestehen. Dabei kommt es maßgeblich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der darlehensnehmenden Gesellschaft an – insbesondere darauf, ob ausreichend Vermögenswerte oder Zahlungsflüsse vorhanden sind, um den künftigen Kapitaldienst leisten zu können. Auch mit dem Darlehen angeschaffte Vermögensgegenstände können dabei berücksichtigt werden. Grundsätzlich ist eine vollständige Tilgung während der Laufzeit eines Darlehens nicht zwingend erforderlich. Die Finanzverwaltung erkennt ausdrücklich an, dass Anschlussfinanzierungen marktüblich sind und den wirtschaftlichen Realitäten entsprechen. Entscheidend ist jedoch, dass die Finanzierung wirtschaftlich erforderlich ist und einem unternehmerischen Zweck dient. Fremdkapital sollte nur aufgenommen werden, wenn eine realistische Renditeerwartung besteht. Auch Einlagen in konzerninterne Cash Pools können steuerlich anerkannt werden, sofern eine nachvollziehbare Finanzierungsstrategie dokumentiert ist – etwa im Zusammenhang mit geplanten Akquisitionen, zur Sicherstellung der Liquidität oder zur Vermeidung steuerlicher Nachteile. Die Anerkennung von Zinsaufwendungen erfordert nach den neuen Regelungen eine umfassende und substanzielle Dokumentation. Der Steuerpflichtige muss dabei nachweisen, ob und in welcher Weise der Kapitaldienst erbracht werden kann, dass dieser wie vereinbart geleistet wird und welcher konkrete Zweck mit dem Darlehen verfolgt sowie wie das Kapital tatsächlich verwendet wird. Kann der Steuerpflichtige diese Punkte nicht nachvollziehbar belegen, wird die Finanzierung insoweit steuerlich rückgängig gemacht, als sie nicht unter fremdüblichen Bedingungen erfolgt ist. In der Folge werden die gezahlten Zinsen steuerlich nicht anerkannt, was entsprechende steuerliche Mehrbelastungen nach sich zieht. 2. Zinssatzbestimmung Ein zentraler Punkt der neuen Verwaltungsgrundsätze betrifft die Bestimmung des Zinssatzes für konzerninterne Finanzierungen. Bislang bevorzugte die Finanzverwaltung zur Ermittlung des fremdüblichen Zinssatzes häufig die Kostenaufschlagsmethode. Bei Anwendung dieser Methode wird der fremdübliche Preis anhand der entstandenen Kosten zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlags ermittelt. In ihren neuen Grundsätzen folgt die Finanzverwaltung nunmehr der Rechtsprechung, wonach die Preisvergleichsmethode in vielen Fällen die zutreffendere Grundlage für die Zinsermittlung darstellt. Dies eröffnet den betroffenen Unternehmen zwar mehr Flexibilität, erfordert jedoch zugleich den Zugriff auf Vergleichspreisdatenbanken oder interne Vergleichswerte, um belastbare Marktvergleiche nachweisen zu können. Im Ergebnis müssen Unternehmen nun noch präziser dokumentieren, welche Methode zur Bestimmung des Zinssatzes angewendet wurde, welche Datenquellen der Analyse zugrunde liegen und wie diese die Fremdüblichkeit des gewählten Zinssatzes belegen. Insbesondere in Fällen, in denen geeignete Marktvergleichsdaten fehlen, steigt der Aufwand für Schätzungen und Dokumentation erheblich. 3. Bestandschutz Die neuen Regelungen gelten grundsätzlich nicht für Darlehen, die bereits vor dem 1. Januar 2024 zivilrechtlich vereinbart wurden, deren tatsächliche Durchführung ebenfalls vor diesem Stichtag begonnen hat und die nicht über das Jahr 2024 hinaus fortgeführt werden. Alle länger laufenden Darlehen, die über 2024 hinaus bestehen, werden jedoch ab 2025 von den neuen Vorschriften erfasst. Ein Bestandsschutz besteht somit nicht. Auch dies trägt zur Komplexität bei, da Unternehmen bestehende Finanzierungen prüfen müssen, um festzustellen, ob und ab wann sie unter die neuen Regelungen fallen. Damit steigt der Anpassungsdruck, insbesondere für konzerninterne Finanzierungen, die ursprünglich auf eine längere Laufzeit ausgelegt waren. IV. Fazit und Ausblick Die neuen Verwaltungsgrundsätze zu den §§ 1 Abs. 3d und 3e AStG bestätigen viele der bereits zuvor geäußerten Bedenken hinsichtlich einer steigenden steuerlichen Komplexität bei konzerninternen Finanzierungen. Gleichzeitig zeigen sie, dass die Finanzverwaltung bemüht ist, an bewährten Grundsätzen festzuhalten und die neuen Vorschriften im Einklang mit den OECD-Leitlinien auszulegen. Für die Praxis ergeben sich daraus jedoch erhebliche Herausforderungen. Unternehmen müssen nicht nur ihre konzerninternen Finanzierungen kritisch prüfen, sondern auch deutlich umfangreichere Dokumentationspflichten erfüllen. Insbesondere das konzerninterne Cash Pooling steht auf dem Prüfstand. Zwar lässt die Finanzverwaltung Spielräume zu, doch müssen Unternehmen künftig noch detaillierter belegen, welchem Zweck die geparkten Mittel dienen und wie lange sie dort verbleiben sollen. Positiv hervorzuheben ist zwar, dass die ausdrückliche Anerkennung der Preisvergleichsmethode bei der Zinssatzbestimmung mehr Rechtssicherheit schafft. Allerdings gibt es keinen echten Bestandsschutz für bestehende Finanzierungen. Auch laufende Darlehen, die über 2024 hinaus bestehen, werden künftig an den neuen Vorschriften gemessen. Unternehmen sollten deshalb frühzeitig ihre Finanzierungsstrukturen überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Besonders wichtig ist dabei, dass die Beweislast regelmäßig beim Steuerpflichtigen liegt. Die gesetzliche Verlagerung der Nachweispflicht und die Pflicht zur Vorlage der Verrechnungspreisdokumentation innerhalb von 30 Tagen nach Prüfungsanordnung erhöhen den Druck auf eine proaktive und rechtssichere Vorbereitung. Insgesamt schaffen die neuen Regelungen mehr Klarheit – doch bleiben viele praktische Fragen offen. Unternehmen sind daher gut beraten, frühzeitig eine individuelle Dokumentationsstrategie zu entwickeln, um späteren Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung vorzubeugen. Sollten Sie zu den Chancen und Risiken von Fremdfinanzierungsbeziehungen Fragen haben oder eine individuelle Beratung wünschen, stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. Füllen Sie hierzu gerne das Kontaktformular aus.
von Fabian Lünsmann 22. Oktober 2025
Steigende Energiekosten, volatile Märkte und eine hartnäckige Inflation machen es derzeit kaum möglich, langfristig mit stabilen Mieteinnahmen oder -kosten zu planen. Für Vermieter wie Mieter wird daher immer wichtiger, schon im Vertrag festzulegen, wie sich die Miete künftig verändern darf oder soll – also wie der Vertrag auf die Realität reagiert. Das Gewerbemietrecht lässt hier deutlich mehr Gestaltungsfreiheit als das Wohnraummietrecht. Ob Index-, Staffel- oder Umsatzmiete: Jede Form der automatischen Mietanpassung kann sinnvoll sein – wenn sie klar, transparent und rechtssicher vereinbart ist. Der folgende Überblick zeigt, welche Modelle in der Praxis funktionieren, worauf Sie achten sollten und warum eine saubere Formulierung entscheidend ist. I. Warum Mietanpassungen heute unverzichtbar sind Im Gegensatz zum Wohnraummietrecht gibt es im Gewerbemietrecht keine gesetzlichen Regelungen zur Mieterhöhung. Was nicht im Vertrag steht, gilt nicht. Fehlt also eine Anpassungsklausel, bleibt die Miete über die gesamte Laufzeit unverändert – selbst wenn sich Markt oder Inflation massiv verändern. Das Risiko der Geldentwertung trägt allein der Vermieter. Wer Gewerberaum langfristig vermietet, sollte deshalb bereits bei Vertragsschluss festlegen, nach welchen Regeln sich die Miete im Laufe der Jahre verändern kann. Dabei geht es nicht nur um Fairness, sondern auch um die wirtschaftliche Planbarkeit beider Seiten. II. Die gängigen Modelle der Mietanpassung 1. Indexmiete – Anpassung an die Inflation Die Indexmiete koppelt die Miethöhe an den Verbraucherpreisindex (VPI) des Statistischen Bundesamts. Steigt der Index, darf auch die Miete steigen – sinkt er, kann sie entsprechend fallen. Diese Form der Wertsicherung hält den wirtschaftlichen Wert der Miete über Jahre stabil und schützt den Vermieter vor einer schleichenden Entwertung. Zulässig ist sie nach dem Preisklauselgesetz (PrKG) nur, wenn die Anpassung in beide Richtungen wirkt und sich auf einen amtlichen, objektiven und allgemein zugänglichen Index bezieht. Außerdem muss die Berechnungsformel klar, nachvollziehbar und frei von Ermessen sein. Ein weiterer, oft übersehener Aspekt betrifft die gesetzliche Mindestbindung des Vermieters: Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 PrKG darf eine Indexklausel nur dann wirksam vereinbart werden, wenn sich der Vermieter für mindestens zehn Jahre an den Vertrag bindet. Damit soll verhindert werden, dass der Vermieter die Indexklausel nur kurzfristig zu seinen Gunsten nutzt und sich bei ungünstiger Indexentwicklung durch Kündigung entzieht. Wird eine Indexklausel ohne die erforderliche Mindestbindung vereinbart, ist sie nicht nichtig, sondern bis zur Feststellung ihrer Unwirksamkeit schwebend wirksam. Die Rechtsfolgen treten dann erst ex-nunc, also ab dem Zeitpunkt der Feststellung der Unwirksamkeit ein. Frühere Mietanpassungen bleiben bis dahin wirksam, fällig und geschuldet. Das bedeutet: Bis zur Feststellung der Unwirksamkeit gilt der Vertrag grundsätzlich fort und wird nach den vereinbarten Bestimmungen vollzogen; ab dem Zeitpunkt der Feststellung darf die unwirksame Indexvereinbarung jedoch nicht mehr angewendet werden. Die aufgrund der unwirksamen Klausel überhöhte Miete ist dann für die Zukunft auf das rechtlich zulässige Maß herabzusetzen. Vor diesem Hintergrund betont die jüngste Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urteil vom 5. Juni 2025 – 10 U 146/24), wie wichtig eine transparente und regelkonforme Ausgestaltung solcher Indexvereinbarungen ist. Das Gericht erklärte zur Überraschung vieler Beobachter eine Wertsicherungsklausel für AGB-rechtlich unwirksam, weil sie weder eine Einsatzschwelle noch einen festen Anpassungsturnus vorsah und die konkrete Berechnungsmethode unklar blieb. Nach Auffassung des Gerichts verstieß die Klausel sowohl gegen das Transparenzgebot als auch gegen das AGB-rechtliche Verbot unangemessener Benachteiligung (§ 307 BGB). Die Folge: Die Klausel war von Anfang an unwirksam, und der Vermieter musste die überhöhten Mieten zurückzahlen. Dies ist überraschend, wenn man die bis dahin verbreitete Auffassung bedenkt, dass das AGB-Recht neben der spezialgesetzlichen Materie des Preisklauselgesetzes keine Anwendung findet bzw. die auf die Zukunft gerichtete Unwirksamkeitsregelung des § 8 PrKG Vorrang hat. 2. Staffelmiete – klare Zahlen, keine Überraschungen Die Staffelmiete sieht fest vereinbarte Mieterhöhungen zu bestimmten Zeitpunkten vor – etwa jährlich um einen festen Betrag oder Prozentsatz. Sie ist einfach, planbar und verwaltungsarm. Beide Seiten wissen genau, wann welche Miete gilt. Ihr Nachteil: Sie reagiert nicht auf Inflation oder Preisentwicklung. Bei hoher Geldentwertung verliert die Miete real an Wert, bei Preisrückgang bleibt sie unverändert hoch. Daher eignet sich die Staffelmiete vor allem für kurz- bis mittelfristige Verträge oder Einstiegsphasen – etwa, wenn einem neuen Mieter zu Beginn eine reduzierte Miete gewährt wird, die sich später an das Marktniveau annähert. 3. Umsatzmiete – flexibel und erfolgsabhängig Vor allem im Einzelhandel und in der Gastronomie kommt die Umsatzmiete zum Einsatz. Sie passt die Mietbelastung an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mieters an: Je besser das Geschäft läuft, desto höher die Miete – und umgekehrt. In der Regel wird eine Grundmiete mit umsatzabhängigem Zuschlag vereinbart, etwa: „5 % des Nettojahresumsatzes, mindestens EUR 5.000,00 im Monat.“ Wichtig sind hier klar definierte Umsatzbegriffe (z.B. unter Einbeziehung des Onlineabsatzes oder Gutscheinverkaufs) sowie Einsichts- und Prüfungsrechte des Vermieters in die bestenfalls testierten Umsatzmeldungen des Mieters. Ohne Mindestmiete kann die Vereinbarung einer Umsatzmiete unwirksam sein, weil die Gegenleistung nicht hinreichend bestimmbar ist. Für den Vermieter birgt die Umsatzmiete zudem das Risiko schwankender Einnahmen – sie lohnt sich daher nur in Branchen mit stabilen oder wachsenden Umsätzen. Eine Seltenheit in Zeiten von Onlinehandel und wackliger Konjektur in Folge der weltweiten Zollpolitik. III. Kombinationen mit Augenmaß In der Praxis finden sich zunehmend Kombinationsmodelle – etwa eine Staffelphase in den ersten Jahren, gefolgt von einer Indexierung ab Erreichen des Marktniveaus. So kann der Mieter sich in der Anlaufphase seines Geschäfts etablieren, während der Vermieter langfristig eine inflationsgeschützte Miete erzielt. Vorsicht ist jedoch bei gleichzeitiger Anwendung von Staffel- und Indexmiete geboten. Beide Modelle verfolgen denselben Zweck – den Schutz vor Geldentwertung. Ihre parallele Nutzung würde nach Ansicht des Verfassers diesen Mechanismus doppeln und widerspräche dem Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung. Zudem verlangt das Preisklauselgesetz, dass Indexklauseln auch Mietsenkungen zulassen müssen – was bei gleichzeitig steigender Staffel faktisch ausgeschlossen wäre. Solche Konstruktionen sind daher rechtlich riskant und sollten vermieden werden. IV. Wirtschaftliche und steuerliche Auswirkungen Mietanpassungsklauseln beeinflussen nicht nur die laufenden Einnahmen, sondern auch die Immobilienbewertung nach der ImmoWertV. Da der Ertragswert auf der nachhaltig erzielbaren Miete basiert, verändert sich durch Index-, Staffel- oder Umsatzklauseln die Kapitalisierung und damit der Verkehrswert. Zudem können Mietänderungen umsatzsteuerliche Folgen haben: Wird die Miete nachträglich angepasst, kann dies rückwirkende Korrekturen nach § 17 UStG auslösen – insbesondere, wenn sich die Bemessungsgrundlage ändert oder eine Mietminderung vereinbart wird. V. Fazit: Flexibilität braucht klare Regeln Automatische Mietanpassungen sind ein wirksames Instrument, um wirtschaftliche Entwicklungen vertraglich abzusichern – vorausgesetzt, sie sind transparent, nachvollziehbar und rechtssicher formuliert. Vermieter profitieren von stabilen Erträgen, Mieter von planbaren Konditionen. Doch fehlerhafte oder zu unklare Klauseln können teuer werden: Wird eine Anpassungsregelung von den Gerichten für unwirksam erklärt, gilt die Miete meist zulasten des Vermieters als festgeschrieben – oft für die gesamte Vertragslaufzeit. Deshalb lohnt sich eine individuelle Prüfung bestehender Mietverträge und eine rechtssichere Neugestaltung bei Vertragsabschlüssen. Denn klar geregelte Anpassungsmechanismen sind nicht nur juristische Feinheiten, sondern entscheidende Bausteine wirtschaftlich tragfähiger Mietverhältnisse. Praxistipp : Prüfen Sie ältere Gewerbemietverträge – insbesondere solche mit Indexklauseln ohne Einsatzschwelle oder Berechnungsformel. Die aktuelle Rechtsprechung setzt hier deutlich strengere Maßstäbe als bislang. Findige Mieteranwälte dürften hier bald auf den Geschmack der neuen Möglichkeiten des AGB-Rechts kommen. Wir begleiten Sie in allen Fragen des gewerblichen Miet- und Immobilienrechts – von der rechtlichen Prüfung bestehender Verträge über die Gestaltung und Verhandlung neuer Miet- und Pachtverhältnisse bis hin zur strategischen Beratung bei komplexen Immobilienprojekten. Für eine individuelle Beratung oder eine erste Einschätzung Ihres Anliegens wenden Sie sich gerne direkt an Rechtsanwalt Fabian Lünsmann, LL.M. (UCT), an Ihren Pelka-Berater oder nutzen Sie bequem unser Kontaktformular .
von Stephan Hettler 17. September 2025
I. Überblick Durch das Ableben des Erblassers entsteht für dessen Erben bei der Abwicklung des Erbfalls nicht nur ein hoher organisatorischer Aufwand. Neben einer potenziellen Erbschafsteuerbelastung ergeben sich oftmals auch erhebliche weitere Kosten für Notare, Gerichte und andere Institutionen. Besonders die Kosten für die Erteilung eines Erbscheins fallen dabei häufig ins Gewicht, obwohl sich diese in vielen Fällen vermeiden oder zumindest reduzieren lassen. In Bezug auf den Erbschein lohnt es sich daher, vor dessen Beantragung zu prüfen, ob er überhaupt notwendig ist oder sich die Kosten der Ausstellung durch eine Beschränkung zumindest verringern lassen. II. Rechtliche Möglichkeiten zur Reduktion der Kosten eines Erbscheinverfahrens 1. Notwendigkeit eines Erbscheins Gegenüber öffentlichen Einrichtungen wie dem Handelsregister oder dem Grundbuchamt können die Erben an Stelle des Erblassers als dessen Gesamtrechtsnachfolger handeln, wenn ein Nachweis der Erbenstellung vorliegt. Dieser Nachweis kann in den Fällen, in denen kein notarielles Testament und kein Erbvertrag existieren, grundsätzlich nur durch einen Erbschein erfolgen. Insoweit kann bereits die Existenz eines notariellen Testaments oder eines Erbvertrags die Notwendigkeit eines Erbscheins entfallen lassen. Der Nachweis der Erbenstellung durch notarielles Testament erfordert zusätzlich allerdings die Vorlage des Eröffnungsprotokolls des Nachlassgerichts, das den Vorgang der erfolgten Testamentseröffnung dokumentiert. Auch Banken und Versicherungen fordern in aller Regel einen Nachweis der Erbenstellung. Gerade bei Banken gestaltete sich dieser Nachweis in der Vergangenheit aber nicht immer einfach. Bereits vor längerem kippte der BGH mit Urteil vom 08.10.2013 – XI ZR 401/12 die bis dahin vielfach in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Banken und Sparkassen enthaltene Regelung, mit der sich die Institute pauschal das Recht vorbehielten, von (Mit-)Erben nach ihrem freien Ermessen die Vorlage eines Erbscheins zu verlangen. Danach fand sich in den Bank-AGB eine Regelung, wonach ein Erbnachweis „in geeigneter Weise“ zu erbringen ist. Mit Urteil vom 05.04.2016 – XI ZR 440/15 hatte der Bundesgerichtshof erstmals entschieden, dass der Erbe sein Erbrecht gegenüber der Bank auch durch ein eröffnetes privatschriftliches Testament belegen kann, wenn dieses die Erbfolge eindeutig ausweist. Aufgrund dieser Rechtsprechung kam es erneut zu einer Änderung der Banken-AGB, die nunmehr den Nachweis durch Testament oder Erbvertrag, ggf. i.V.m. dem Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts, ausdrücklich zulassen. Auch im Hinblick auf die Nachlassabwicklung mit Banken wird ein Erbschein daher nicht mehr zwangsläufig benötigt. 2. (Vorsorge-)Vollmacht als Alternative zum Erbschein Existiert kein notarielles Testament und kein Erbvertrag und gehören zum Vermögen des Erblassers weder Gesellschaftsbeteiligungen noch Grundstücke, so reduziert sich die Rolle des Erbscheins häufig auf den Nachweis der Erbenstellung gegenüber den kontoführenden Banken. Hintergrund des Nachweiserfordernisses ist das Schadensrisiko der Bank, die bei einem unberechtigten Kontenzugriff ggf. mehrfach in Anspruch genommen werden kann. Eines Nachweises der Erbenstellung bedarf es allerdings in solchen Fällen nicht, in denen der Erbe durch den Erblasser nachweislich zum Kontenzugriff – auch über den Tod des Vollmachtgebers hinaus – bevollmächtigt ist. Eine derartige Bevollmächtigung kann insbesondere durch eine (Vorsorge-)Vollmacht des Erblassers erfolgen, die zu Lebzeiten ausgestellt und die explizit über seinen Tod hinaus gelten soll (sog. transmortale Vollmacht). Ist hingegen nicht gewünscht, dass der Erbe bereits zu Lebzeiten des Erblassers über dessen Konten verfügen können soll, kann alternativ auch eine sogenannte postmortale Vollmacht erteilt werden. Im Gegensatz zur transmortalen Vollmacht wird die postmortale Vollmacht zwar zu Lebzeiten des Erblassers erteilt, sie tritt aber erst nach dem Tod des Erblassers in Kraft. In beiden Fällen wird der Bevollmächtigte in die Lage versetzt, das Bankguthaben nach dem Tod des Erblassers einzuziehen, ohne auf die Erteilung eines Erbscheins warten zu müssen. Befinden sich im Nachlass weder Grundstücke noch Gesellschaftsbeteiligungen können durch eine solche Vollmacht die Notwendigkeit eines Erbscheins und damit auch die entsprechenden Kosten für ein Erbscheinverfahren sogar gänzlich entfallen. Um Nachweisproblemen aus dem Wege zu gehen, empfiehlt sich für den Vollmachtgeber in jedem Fall die Vorsorge-Vollmacht notariell beurkundet zu erteilen, wenigstens aber sie notariell beglaubigt zu unterschreiben. Um im Verhältnis zu den kontoführenden Banken auf der sicheren Seite zu sein, kann der Erblasser zusätzlich eine trans- oder postmortale Bankvollmacht auf den Formularen des jeweiligen Kreditinstituts erteilen, deren Anerkennung die Bank schwerlich in Frage stellen kann. 3. Potenzielle Beschränkung eines Erbscheins Die Gebühren für einen Erbschein bemessen sich nach dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls, also grundsätzlich nach dem Wert des gesamten Nachlasses. Ist ein Erbschein zwingend erforderlich, weil ein Erbnachweis benötigt wird, aber kein notarielles Testament oder Ähnliches existiert, können sich je nach Umfang des Nachlasses hohe Kosten für die Erbscheinerteilung ergeben. Wird nur für einen Teil des Vermögens ein Nachweis benötigt, stellt sich häufig die Frage, ob der Erbschein auch nur für den Teil des Vermögens, für das der Erbnachweis erforderlich ist, ausgestellt werden und hierdurch ein niedrigerer Gegenstandswert (und damit niedrigere Gebühren) erreicht werden kann. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH ist eine Beschränkung des Erbscheins allerdings nur in denjenigen Fällen möglich, in denen dies ausdrücklich durch das Gesetz gestattet wird. Einen solchen Fall stellt der sogenannte „gegenständlich beschränkte Erbschein“ nach § 352c FamFG dar. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Art des Erbscheins, der beantragt werden kann, wenn sich das Nachlassvermögen zu einem Teil im deutschen Inland und zu einem anderen Teil im Ausland befindet. Der Erbschein kann dann auf den inländischen Vermögensteil beschränkt werden, was mit einer Reduzierung des Gegenstandswerts und damit auch der Kosten für den Erbschein einhergeht. Die Ausstellung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins erfolgt allerdings nicht von Amts wegen und muss daher im Rahmen des Erbscheinverfahrens ausdrücklich beantragt werden. III. Zusammenfassung Hinsichtlich des Erfordernisses eines Erbscheins kann in einigen Fällen der Nachlassabwicklung eine erhebliche Kostenersparnis herbeigeführt werden. Existiert ein notarielles Testament oder ein Erbvertrag ist ein Erbschein – auch gegenüber Banken – grundsätzlich nicht erforderlich. Auf die Beantragung eines Erbscheins kann in diesen Fällen daher grundsätzlich verzichtet werden. Ist ein Erbnachweis aufgrund der Vermögenslage des Erblassers nur gegenüber der Bank erforderlich, kann durch Ausstellung einer trans- oder postmortalen Vollmacht zu Lebzeiten des Erblassers die Erteilung eines Erbscheins ebenfalls vermieden werden. Ist ein Erbschein hingegen zwingend erforderlich, lässt sich eine Kostenersparnis ggf. durch gegenständliche Beschränkung nur erreichen, wenn sich ein Teil des Nachlassvermögens im Ausland befindet. Sollten Sie zu den Möglichkeiten der Kostenersparnis nach einem Erbfall Fragen haben oder eine individuelle Beratung wünschen, stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. Nehmen Sie hierzu Kontakt zu unserem Kollegen Stephan Hettler auf oder füllen Sie das Kontaktformular aus.
von Di Wu 3. September 2025
I. Einleitung Für Unternehmen, die im europäischen Binnenmarkt in Bezug auf den Warenhandel grenzüberschreitend tätig sind, sind aus umsatzsteuerlicher Sicht sog. „Innergemeinschaftliche Lieferungen“, „Reihengeschäfte“ oder auch das „Innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft“ zentrale Themen in deren Alltagsgeschäft. Die korrekte umsatzsteuerliche Handhabung stellt die Unternehmen aber regelmäßig vor erhebliche praktische Herausforderungen. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG in Verbindung mit § 6a UStG unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei, erfordern hierfür jedoch eine präzise Einhaltung der materiell-rechtlichen und formellen Anforderungen, unter anderem im Hinblick auf die Verwendung einer gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und die korrekte Abgabe der Zusammenfassenden Meldung. Fehler in der Abwicklung, wie unvollständige Nachweise oder fehlerhafte Meldungen, werden häufig erst im Rahmen von Betriebsprüfungen entdeckt und können zu erheblichen Steuernachzahlungen führen. Die Komplexität steigt weiter, wenn innergemeinschaftliche Lieferungen im Rahmen von Reihengeschäften erfolgen. Bei einem Reihengeschäft liegen mehrere Lieferungen zwischen verschiedenen Unternehmern vor, wobei die tatsächliche Warenbewegung direkt vom ersten Lieferer zum letzten Abnehmer erfolgt. Hierbei kommt es auf die umsatzsteuerliche Ortsbestimmung der einzelnen Lieferungen an. Die korrekte Zuordnung der sog. bewegten Lieferung ist letztlich entscheidend für die Steuerbefreiung. Dieser Beitrag befasst sich im Speziellen mit einer Sonderform des (grenzüberschreitenden) Reihengeschäfts, dem sog. Innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft. II. Funktionsweise und Zweck des Innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts 1. Funktionsweise Beim innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft handelt es sich um eine besondere Form des Reihengeschäfts. Folgende Voraussetzungen müssen vorliegen, damit ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft im Sinne von § 25b Abs. 1 UStG gegeben ist: Es muss eine mindestens dreigliedrige Umsatzkette mit Unternehmern, bestehend aus dem ersten Lieferer A, dem Zwischenhändler B und dem Abnehmer C, vorliegen und die Ware direkt vom Lieferer A zum Abnehmer C gelangen. Die Warenbewegung muss dabei zwischen zwei verschiedenen Mitgliedstaaten stattfinden und die Verantwortung für den Transport entweder beim ersten Lieferer A oder beim Zwischenhändler B liegen. Bei der Abwicklung müssen die beteiligten Unternehmer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern aus verschiedenen Mitgliedstaaten verwenden. Liegt ein Dreiecksgeschäft in diesem Sinne vor, gibt es weitere Bedingungen, unter denen der Zwischenhändler B die nach der Gegenleistung zu bemessende Umsatzsteuer für den Umsatz mit Lieferort im Bestimmungsland auf den Abnehmer C übertragen kann. Bevor der Zwischenhändler B die Lieferung tätigt, muss er den Liefergegenstand vom ersten Lieferer A im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs erhalten haben. Für den Zwischenhändler B greift die Erleichterung durch die Übertragung der Steuerschuld auf den Abnehmer C aber nur dann, wenn der Zwischenhändler B im Bestimmungsland weder ansässig ist, noch eine von dort vergebene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet. Die Verwendung einer vom Bestimmungsland vergebenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ist für die Anwendung der Steuerschuldumkehr hingegen dem Abnehmer C vorbehalten und zwingende Voraussetzung. 2. Zweck Letztlich bringt die Regelung zum innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft hauptsächlich Erleichterungen für den Zwischenhändler B in einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft, vor allem im Hinblick auf die Registrierungspflichten im Bestimmungsland der gehandelten Ware. Denn als Abnehmer für den Umsatz des ersten Lieferers A verwirklicht er beim Dreiecksgeschäft zum einen im Bestimmungsland den Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs, zum anderen verschafft er bei seinem Folgeumsatz dem Abnehmer C die Verfügungsmacht erst im Bestimmungsland und löst dort wiederum einen umsatzsteuerbaren Vorgang aus. Beide Tatbestände würden ohne die Vereinfachungsregelung des § 25b UStG die steuerliche Registrierung des Zwischenhändlers B im Bestimmungsland erfordern. Durch die in § 25b Abs. 2 UStG geregelte Rechtsfolge kann der Zwischenhändler B jedoch die Umsatzsteuerschuld aus dem Umsatz an den Abnehmer C im Bestimmungsland auf diesen übertragen. Diesbezüglich entfällt eine Registrierungspflicht. Gleichzeitig ist mit dem Übergang der Steuerschuld auf den Abnehmer C die Rechtsfolge verbunden, dass in diesem Fall der innergemeinschaftliche Erwerb des Zwischenhändlers B zudem als besteuert fingiert wird. III. Praktische Hinweise und aktuelle Rechtsprechung 1. Beispiel Anhand eines einfachen Beispiels sollen nochmal die Funktionsweise und Vereinfachungen des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts verdeutlicht werden: Abnehmer C aus Polen bestellt beim Zwischenhändler B in Deutschland eine Maschine. B bestellt selbst beim Lieferer A aus Frankreich. A befördert die Maschine mit eigenem Lkw direkt aus Frankreich nach Polen und übergibt sie dort C. Alle drei Unternehmer verwenden jeweils ihre nationale Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Es liegt ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft vor. Der Ort der ersten Lieferung des A, dem als warenbewegter Lieferung die Beförderung zugerechnet wird, befindet sich im Ursprungsland Frankreich und ist nach französischem Recht zu beurteilen (evtl. steuerfrei, A hat ggf. in Frankreich eine Zusammenfassende Meldung abzugeben). Zwischenhändler B muss einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Polen versteuern (und hat dort in gleicher Höhe ggf. den Vorsteuerabzug). Der Lieferort der nachfolgenden Lieferung des B an C befindet sich in Polen, sodass diese Lieferung der polnischen Umsatzsteuer unterliegt. Der deutsche Zwischenhändler B müsste sich eigentlich in Polen umsatzsteuerlich registrieren lassen. Durch die Vereinfachungsregelung für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte wird die Registrierung in Polen für B vermieden. Denn der im Bestimmungsland Polen ansässige letzte Abnehmer C übernimmt für den deutschen Zwischenhändler B die aus dessen Lieferung resultierende polnische Steuerschuld und C kann die nach § 25b UStG geschuldete Umsatzsteuer selbst als Vorsteuer abziehen, soweit er vorsteuerabzugsberechtigt ist. Der vom Zwischenhändler B in Polen getätigte innergemeinschaftliche Erwerb gilt als besteuert, also als erledigt. Der deutsche Zwischenhändler B wird letztlich von den Erklärungspflichten im Bestimmungsland Polen befreit. Jedoch muss B in seinem Ansässigkeitsstaat Deutschland seine Lieferung an C gegenüber den deutschen Finanzbehörden wie folgt erklären: In der USt-Voranmeldung bzw. -Jahreserklärung (ohne Umsatzsteuerschuld gem. § 25b UStG) sowie In der Zusammenfassenden Meldung mit Angabe der polnischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers C (dies soll der Kontrolle dienen, ob der Abnehmer C in Polen seinen umsatzsteuerlichen Pflichten nachkommt). Die Vereinfachungsregelung erfordert materiell-rechtlich zwingend, dass der mittlere Unternehmer in seiner Rechnung an den letzten Abnehmer des Dreiecksgeschäfts die Umsatzsteuer nicht gesondert ausweist, auf das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft hinweist (z. B. "Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft nach § 25b UStG" oder "Vereinfachungsregelung nach Art. 141 MwStSystRL") den letzten Abnehmer auf die auf ihn überwälzte Steuerschuldnerschaft hinweist, seine eigene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und die des letzten Abnehmers im Dreiecksgeschäft angibt. 2. Praxishinweise Ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft erfordert also zwingend, dass in der Rechnung des Zwischenhändlers auf die Steuerschuldnerschaft des Erwerbers bzw. Abnehmers hingewiesen wird. Diesbezügliche Abrechnungsfehler sind nicht rückwirkend heilbar. So haben EuGH (EuGH in der Rs. „Luxury Trust Automobil“; Urteil v. 8.12.2022 - C-247/21) und BFH (vgl. BFH, Urt. v. 17.7.24, XI R 35/22) aktuell entschieden. Der in § 14a Abs. 7 UStG geforderte Hinweis auf das Dreiecksgeschäft in der Rechnung des mittleren Unternehmers an seinen Abnehmer ist nach Auffassung des BFH in allen Fällen eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Anwendung des Dreiecksgeschäfts. Fehlen die entsprechenden Hinweise in der Rechnung, können die Vereinfachungsfolgen des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts nicht eintreten. Da sich Unternehmen häufig gar nicht bewusst sind, dass sie an einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft beteiligt sind, sollten insbesondere die Buchhaltungsabteilungen darauf sensibilisiert werden, diese zu erkennen. Andererseits sind die Regelungen zum innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft jedoch „nur“ ein Wahlrecht für den mittleren Unternehmer, so dass die Rechtsfolgen nur dann eintreten, wenn der mittlere Unternehmer die Anwendung auch klar und eindeutig beantragt. Sofern Unternehmen die Vereinfachungsregelung bewusst in Anspruch nehmen möchten, sollten sie auf die korrekte Umsetzung der strengen formalen Vorgaben achten, damit die Vereinfachungen auch wirklich eintreten. Dies erfolgt regelmäßig durch die Ausstellung von korrekten Rechnungen sowie der Deklaration in der lokalen Umsatzsteuer-Voranmeldung und in der Zusammenfassenden Meldung. Wird ein Dreiecksgeschäft falsch „umgesetzt“, kann dies für den mittleren Unternehmer zu erheblichem Mehraufwand und Kosten führen. Er muss sich ggf. nachträglich im Bestimmungsmitgliedstaat umsatzsteuerlich erfassen und dort innergemeinschaftliche Erwerbe sowie lokale Lieferungen erklären. Dies kann bei nachträglichem Erkennen zusätzlich zu Nachzahlungen oder gar Strafen führen. Bei der korrekten umsatzsteuerlichen Behandlung von Reihengeschäften im Allgemeinen oder der richtigen umsatzsteuerlichen Handhabung von innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften im Besonderen unterstützen wir Sie gerne. 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von Dr. Eric Hoeveler und Melissa Maas 27. August 2025
Bereits in der Vergangenheit haben wir in unseren Beiträgen (zu Teil III hier ) die steuerlichen und rechtlichen Aspekte rund um Influencer und Content-Creator beleuchtet. Nachdem die Finanzverwaltung einige Jahre den Schwerpunkt augenscheinlich nicht auf diese Steuerpflichtigen legte, ist aktuell eine deutliche Verschärfung seitens der Finanzämter zu beobachten: Von der Einrichtung von Sonder-Influencer-Teams bei den entsprechenden Behörden bis zur Zusammenarbeit mit den einschlägigen Online-Plattformen und der Initiierung neuer Ermittlungsmethoden: die Behörden gehen derzeit mit Nachdruck gegen Steuerhinterziehung im Bereich der Influencer und Content-Creator vor. So werden bereits jetzt Strafverfahren gegen in dieser Branche aktive Personen geführt. Gegenstand der Verfahren sind dabei im Durchschnitt steuerliche Fehlbeträge im hohen fünfstelligen Bereich, in Einzelfällen sogar in Millionenhöhe. I. Die steuerlichen Fallstricke im Überblick Die Wege, als Influencer und Content-Creator Einnahmen zu generieren, sind vielfältig, eine Einordnung daher oftmals unübersichtlich: Vergütungen für Klicks, Einnahmen aus Affiliate-Links oder Werbekooperationen, Abo-Zahlungen, „Trinkgelder“ für persönliche Fotos, Produktplatzierungen, Einnahmen aus der Teilnahme an TV-Formaten oder Preisgelder aus Gaming-Turnieren – und neue Konzepte keimen ständig auf, die laufend einer steuerlichen Einordnung bedürfen. Nicht alle Kreativen sind sich möglicherweise den steuerlichen Pflichten bewusst, die mit ihrer Tätigkeit verbunden sind. Dies führt teilweise zu immensen – teilweise sogar strafrechtlichen – Konsequenzen. Ob einkommen-, gewerbe-, umsatz- oder sogar schenkungsteuerlich – die steuerlichen Fallstricke sind vielschichtig. Mittlerweile dürfte allseits bekannt sein, dass in aller Regel auf die erzielten Einnahmen Einkommen- und Gewerbesteuer zu entrichten ist. Wer in Deutschland seinen Wohnsitz hat oder sich hier gewöhnlich aufhält, ist mit seinen gesamten Einkünften steuerpflichtig. Doch was einkommensteuerpflichtige Einkünfte sind, bedarf oftmals einer Prüfung im Einzelfall. In der Regel wird durch die Tätigkeit als Influencer oder Content-Creator zudem ein Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuergesetzes begründet. Daraus resultiert sowohl eine Gewerbesteuerpflicht als auch weitere Verpflichtungen wie die Anmeldung bei dem zuständigen Gewerbeamt. Auch umsatzsteuerliche Pflichten sind nicht außer Acht zu lassen. Dabei kann bereits die Nichtangabe von Einkünften oder Umsätzen den Vorwurf der Steuerhinterziehung begründen. Zuletzt gingen zudem immer wieder Schlagzeilen durch die Presse, dass auch Geldgeschenke in Höhe von mehreren zehntausenden oder sogar hunderttausenden Euros keine Seltenheit darstellen. Auch derartige freiwillige Leistungen von Fans oder Kunden ohne entsprechende Gegenleistungen sind nicht steuerfrei, sondern als Schenkungen, sofern sie die Freibetragsgrenze überschreiten, zu versteuern und auch als solche gegenüber den Finanzbehörden anzuzeigen. II. Wegzug ins Ausland Immer mehr Influencer und Content-Creator wollen aufgrund der steuerlichen Belastung Deutschland den Rücken kehren. Doch auch ein Wegzug ins Ausland entbindet nicht automatisch von steuerlichen Pflichten in Deutschland und sollte vorher gut durchdacht und geplant werden. Zum einen ist auch derjenige, der zwar keinen Wohnsitz (mehr) in Deutschland hat, aber hier Einkünfte erzielt, beschränkt auf diese Einkünfte weiterhin in Deutschland steuerpflichtig. Zum anderen greift die deutsche erweiterte beschränkte Steuerpflicht, wenn zwar der Wohnsitz bzw. der gewöhnliche Aufenthalt ins Ausland verlagert wird, aber wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland behalten werden. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, werden zwar vielfach internationale Abkommen herangezogen, doch gerade bei Zielstaaten mit niedriger oder überhaupt keiner Besteuerung bestehen hier oft Lücken. Eine frühzeitige steuerliche Planung ist daher unerlässlich. Daneben droht durch den Wegzug aus Deutschland zudem eine zwar einmalige, aber hohe Steuerbelastung durch eine sog. Entstrickung von Wirtschaftsgütern. Besonders relevant sind dabei die sog. selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgüter. Darunter können u.a. bestehende Kundenbeziehungen, Social-Media Accounts mit entsprechender Reichweite oder auch Private-Label-Produkte fallen. Durch die Entstrickung wird der in Deutschland entstandene Wertzuwachs dieser Vermögenswerte aufgedeckt und in Deutschland steuerpflichtig. III. Was tun bei Zweifeln, vermutetem Verstoß gegen steuerliche Pflichten oder geplantem Umzug? Sollten Sie befürchten, dass Steuererklärungen unvollständig waren oder Steuern nicht korrekt abgeführt wurden, ist ein schnelles, aber auch wohl überlegtes Handeln entscheidend. Die Möglichkeit einer Selbstanzeige bietet hier einen Weg, bestehende Steuerverstöße strafbefreiend zu bereinigen – vorausgesetzt, sie wird ordnungsgemäß und vollständig durchgeführt. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten: Eine fehlerhafte oder unvollständige Selbstanzeige kann die Vorteile zunichte und stattdessen das Finanzamt auf den Verstoß aufmerksam machen. Dies kann erhebliche, insbesondere auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Ähnlich verhält es sich bei einem geplanten Umzug ins Ausland. Ein solcher erfordert eine gründliche Planung und möglicherweise Anpassung der Geschäftsstrukturen. Eine vorgelagerte Steuerplanung, vor allem im Hinblick auf immaterielle Werte, ist dabei unumgänglich, um potenzielle Steuerfallen zu vermeiden. Es empfiehlt sich daher, frühzeitig eine steuerliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. IV. Fazit Die steuerlichen Fallstricke für Influencer und Content-Creator sind vielschichtig. Behördliche Kontrollen der steuerrelevanten Verhältnisse nehmen zudem zu. Eine vorausschauende und fundierte steuerliche Beratung ist unerlässlich, um Fallstricke zu vermeiden und auf der sicheren Seite zu bleiben. Haben Sie Zweifel oder vermuten Sie sogar bereits steuerliche Probleme, so sollten Sie nicht zögern und frühzeitig professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen. Gerne stehen wir Ihnen mit zur Seite – sowohl bei der präventiven Planung als auch bei der Begleitung von Selbstanzeigen oder sonstigen steuerlichen Fragestellungen rund um Ihre Tätigkeit. Füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.