Die Pfändung von Arbeitseinkommen ist für viele Personalabteilungen und insbesondere für den Bereich Payroll ein bekanntes Thema. Pfändungen gehören dort zum Alltag, weil zum einen das Arbeitseinkommen eines Schuldners regelmäßig ein erfolgversprechendes Vollstreckungsobjekt darstellt und zum anderen der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet ist, die Lohnpfändung abzuwickeln und gegenüber dem Gläubiger für die korrekte Berechnung und Auskehrung der gepfändeten Beträge haftet.
Da es sich beim Lohnanspruch des Arbeitnehmers häufig um den einzigen Vermögenswert handelt, über den er verfügt, spielen im Rahmen der Lohnpfändung unterschiedliche Interessen eine Rolle. Während dem Gläubiger des Arbeitnehmers daran gelegen ist, seine Forderung beizutreiben, hat der Arbeitgeber ein Interesse daran, dass die Lohnpfändung gegen seinen Arbeitnehmer nicht direkt die vollständige Gegenleistung für die Arbeitsleistung aufzehrt und der Arbeitnehmer die Hauptmotivation zur ordentlichen Erbringung seiner Arbeitsleistung nicht verliert. Zu guter Letzt hat auch der Staat ein Interesse daran, dass durch die Begleichung von Schulden zwar Rechtsfrieden eintritt, die Pfändung aber auch nicht dazu führt, dass der Schuldner wegen der Pfändung auf staatliche Leistungen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts angewiesen ist.
In dieser Gemengelage bewegt sich das Lohnpfändungsrecht mit dem sich auch die aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14. Oktober 2021 befasst.
II. Das pfändbare Einkommen im Sinne von § 850 Abs. 2 ZPO
Als besondere Form der Zwangsvollstreckung in Forderungen unterliegt das Lohnpfändungsrecht mit den §§ 850 ff. ZPO Regelungen, die vor allem dazu dienen, den Schuldner (Arbeitnehmer) durch Pfändungsbeschränkungen zu schützen. Neben der Prüfung der Einhaltung der zwingenden Vollstreckungsvoraussetzungen muss der Arbeitgeber daher die Frage klären, ob überhaupt bzw. in welcher Höhe Teile des Lohns statt an den Arbeitnehmer (Schuldner) an den Gläubiger auszukehren sind.
Dabei ist zunächst zu beachten, dass die in § 850 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO aufgeführten Arten des Arbeitseinkommens keine abschließende Aufzählung darstellen, sondern vielmehr gemäß § 850 Abs. 4 ZPO alle Vergütungen zum Arbeitseinkommen zählen, die dem Schuldner aus der Arbeit oder Dienstleistung zustehen, ohne Rücksicht auf ihre Benennung oder Berechnungsart. Insofern zählt zum pfändbaren Einkommen zunächst grundsätzlich auch alles, was dem Arbeitnehmer als Geldertrag aus Anlass des Arbeits- oder Dienstverhältnisses zufließt. Allerdings legt § 850 c ZPO die Beträge fest, die dem Schuldner trotz Pfändung zur eigenen Verwendung verbleiben müssen.
III. Entscheidung des BAG vom 14.10.2021
Ist der Gläubiger der Auffassung, dass ihm ein größerer Anteil am Lohn zusteht, als der Arbeitgeber an ihn ausgekehrt hat, muss er den Arbeitgeber als den für die Abwicklung der Lohnpfändung Verantwortlichen verklagen. In dieser Situation fand sich auch die Beklagte des konkreten Rechtsstreits wieder, die die aufgrund einer Entgeltumwandlungsvereinbarung gezahlten Beiträge zu einer Direktversicherung im Rahmen der Berechnung des pfändbaren Einkommens unberücksichtigt gelassen hatte.
Bei der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Oktober 2021, die aktuell lediglich als Pressemitteilung vorliegt, stand dementsprechend die Qualifikation der umgewandelten Beträge als pfändbares Einkommen im Sinne von § 850 Abs. 2 ZPO in Rede.
Die beklagte Arbeitgeberin hatte, nachdem gegen die Arbeitnehmerin ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über das gegenwärtige und zukünftige Arbeitseinkommen durch den Kläger erwirkt und ihr zugestellt worden war, mit der Arbeitnehmerin eine Entgeltumwandlungsvereinbarung zugunsten einer Direktversicherung geschlossen. Die in der Folgezeit geleisteten Zahlungen an den Kläger ließen bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommens die Höhe des an die Direktversicherung gezahlten monatlichen Versicherungsbeitrags unberücksichtigt.
Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die Entgeltumwandlung bereits deshalb nicht das pfändbare Einkommen der Arbeitnehmerin reduzieren könne, weil der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zeitlich vor Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung zugestellt worden sei und die Arbeitnehmerin aufgrund der Pfändung die Verfügungsgewalt über den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens verloren habe.
Der achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat nun entschieden, dass kein pfändbares Arbeitseinkommen mehr vorliege, wenn die Arbeitsvertragsparteien eine Entgeltumwandlungsvereinbarung träfen, nach der ein Teil des Entgelts für eine betriebliche Altersversorgung verwendet werde. Dabei sei es irrelevant, ob die Vereinbarung über die Entgeltumwandlung zeitlich vor oder nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses getroffen werde. Dies gelte jedenfalls, soweit die Grenze aus § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG (4% der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (West), 2022: 3.384 EUR = 4% von 84.600 EUR) nicht überschritten werde, weil dem Arbeitnehmer insoweit ein gesetzlicher Anspruch auf Entgeltumwandlung zustehe. Eine den Gläubiger benachteiligende Verfügung liege in diesem Fall nicht vor.
IV. Fazit
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zeigt deutlich, dass der Arbeitnehmer auch bei laufender Lohnpfändung nicht daran gehindert werden soll, sein Recht aus § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung auszuüben. Insofern ist für Arbeitgeber und Personalabteilungen in jedem Fall zu bedenken, dass eine solche Entgeltumwandlungsvereinbarung auch nach bereits zugestelltem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss – jedenfalls in der gesetzlich vorgesehenen Höhe aus § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG – noch geschlossen werden und der entsprechend aufzuwendende Versicherungsbeitrag im Rahmen der Ermittlung des pfändbaren Einkommens der Höhe nach unberücksichtigt bleiben kann.
Arbeitgeber sind jedoch gut beraten, den Höchstbetrag gem. § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG (2022: 3.384 EUR) nicht zu überschreiten. Jedenfalls ließe sich bei einer Überschreitung nicht mehr mit der Ausübung eines gesetzlich normierten Rechts des Arbeitnehmers argumentieren. Bei Rückfragen zu allen Themen der betrieblichen Altersversorgung steht Ihnen insbesondere unsere Kollegin, Frau Rechtsanwältin Susanne Küsters, gerne zur Verfügung.